Prolog

 

Eine verwahrloste Wirtschaft im Jahre 1434 irgendwo im Württembergischen - ein junger Kaufmann auf Durchreise im Gespräch mit einem jungen, heruntergekommenen Adligen, der ihn bedient.

 

Jörg:            Stimmt es war der Wirt sagt? Ihr seid von Adel?

Gerwig:            Jaja. Schon richtig.

Jörg:            Und dennoch macht ihr hier den Mundschenk? Der Wirt sagte, ihr seid hier so was wie eine Attraktion und brächtet ihm einiges ein. Herr, ist das nicht weit unter eurer Würde? Stört es euch nicht, Sauerwein und Dünnbier ans niedere Volk auszuschenken? Die Wirtschaft hat nicht den besten Ruf.

Gerwig:            Warum? Der Wirt hält mich frei und ich darf im Stall schlafen. Mehr brauch ich doch nicht.

Jörg:            Herr, wie heißt ihr.

Gerwig:            Ich bin der Gerwig. Gerwig von Sulmentigen.

Jörg:            Herr Gerwig, ihr seid doch auch noch jung, weshalb fangt ihr nichts rechtes an?

Gerwig:            Wißt ihr Herr....

Jörg:            Jörg Beck aus Legau. Ich bin Weinhändler.

Gerwig:            Wißt ihr Herr Jörg, ich weiß nicht was ich anfangen soll. Den Familienbesitz, den erbt mein älterer Bruder, mein Handgeld hab ich auch schon durchgebracht und das Kriegshandwerk ist eben nicht gerade mein Geschäft.

Jörg:            Aber hier könnt ihr doch nicht versauern. Das ist doch unter eurem Stand.

Gerwig:            Vielleicht geh ich ja zu den Welschen.

Jörg:            Warum geht ihr denn nicht ins Kloster? Dort wärt ihr aufgehoben.

Gerwig:            Ich? Ins Kloster?  lacht  Seh ich wie ein Betbruder aus? Ihr beliebt zu scherzen.

Jörg:            Nein, nein, das war mein ernst. Kennt ihr das Kloster zu Kempten? Das wär doch was für euch. Dort leben nur ein paar hochadelige Herren als Mönche und lassen sich’s gut gehen. Mit den Ordensregeln nimmt’s dort keiner so genau. Keiner von denen lebt im Zölibat oder steht nachts zum Gebet auf. Tagsüber gehen die Mönche auf die Jagd und abends wird prächtige Tafel gehalten und gefeiert. Jeder Mönch erhält täglich eine Maß Wein. Die Aufnahmebedingung ist, daß man von angemessenem Adel sein muß, aber da kann sich ein von Sulmentingen schon sehen lassen.

Gerwig:            Täglich eine Maß Wein? Was ihr da erzählt, klingt wie’s Schlaraffenland.

Jörg:            Für einen adligen Herrn, der nichts besseres anzufangen weiß, ist es das Schlaraffenland. Glaubt mir, dort würde es euch gefallen, dort wärt ihr wirklich gut aufgehoben. Der dortige Abt ist nicht nur ein geistlicher, sondern vor allem ein großer weltlicher Herr. Ein Fürst des Reiches.

Gerwig:            Und meint ihr, daß ich dort so einfach Aufnahme finden würde?

Jörg:            Ihr seid ein von Sulmentingen. Ich habe außerdem gute geschäftliche Verbindungen zum Kloster und kenn den Abt sehr gut, und zufällig ist man dort gerade auf der Suche nach würdigen Novizen. Würdig in standesgemäßer nicht in geistlicher Hinsicht.

Gerwig:            Jaja.  überlegt  Das wär schon was.

Jörg:            Herr Gerwig, ich bin gerade unterwegs mit einer Lieferung Wein für’s Kloster. Schließt euch mir doch an, und ich will sehen, was ich für euch tun kann. Wer weiß, vielleicht wird man euch dort eines Tages zum Fürstabt wählen, und wir können dann gute Geschäfte miteinander machen.

Gerwig:            Herr Jörg, gemacht.

 

                        Licht aus

Erster Akt

 

1

 

Zeitsprung ins Jahr 1451 - Nacht - Klosterhof des Fürststiftes Kempten - Totenglocke - Gregorianischer Choral - Fackelschein - ein Leichenzug. Auf einer Bahre wird die ziemlich schwere Leiche des Abtes Pilgrim von Wernau über die Bühne getragen, gefolgt von einem Franziskanermönch und den drei Benediktinermönchen des Klosters. Leichenzug ab - Totenglocke und Gregorianischer verklingen.

 

 

2

 

Die Bühne wird jetzt schwach beleuchtet - Eine Magd kommt auf die Bühne. Sie trägt eine Schüssel mit Schmutzwasser - sie leert die Schüssel aus. Magd ab. Die Leichenträger kommen zurück.

 

Träger 1:            Herrgott! War der schwer.

Träger 2:            Und dick.

Träger 3:            Was hätten wir gemacht, wenn wir den nicht durch die Tür gekriegt hätten?

Träger 4:            Anstechen und den Dampf raus lassen!

                        sie lachen

Träger 2:            So ein fetter Prälat ist schon mal was anderes.

Träger 3:            Jaja, fürstliche Kundschaft ist selten.

Träger 1:            Vor dem Sensenmann sind wir doch alle gleich.

Träger 3:            Aber, aber, um so fetter einer ist, desto mehr freuen sich die Würmer!

Träger 4:            Und um so schwerer ist’s für uns.

Träger 2:            Mensch, der wär uns jetzt beinah von der Bahre gefallen.

Träger 3:            Für söttene sollten sie breitere Treppenhäuser bauen.

Träger 4:            Und weniger steil.

Träger 1:            Sonst müssen wir die nächste Leiche aus dem Fenster werfen.

                        sie lachen wieder - die Magd kommt zurück - an ihrer Seite ein vornehm gekleidetes Mädchen - die Magd trägt einen Korb mit blutigen Laken

Träger 1:            He Kathrin, wo bleibt die Brotzeit.

Träger 3:            Die haben wir uns ehrlich verdient.

Kathrin:            Ich hab jetzt keine Zeit. Ihr habt doch selber gesehen, was das da oben für eine Sauerei ist. Da, die ganzen Laken voller Blut.

Träger 1:            Mein Schwager starb auch am Blutsturz, da haben die Hunde alles aufgeschleckt.

Träger 2:            Laß halt die Jagdhunde vom dicken Herrn Gerwig hoch, die machen schon sauber.

Träger 3:            Bei den Bauern regiert der Schmalhans, die würden Blutwurst d’raus machen.

Kathrin:            Mach halt selber Blutwurst d’raus. Wenn ihr eine Brotzeit wollt, geht in die Klosterküche. Der Koch soll euch die Reste vom Vesperschmaus aufwärmen.

Träger 1:            Was will denn die Kleine hier? Das ist hier doch nichts für eine vornehme Gör.

Agnes:            Mein Vater sagt, ich soll überall zuschauen, dann lern ich was für’s Leben.

Träger 1:            Da hast du aber einen gescheiten Vater. Zum wem gehörst du denn?

Agnes:            Ich gehör zum Herrn Gerwig.

Kathrin:            Das ist seine Tochter Agnes.

Agnes:            Kathrin! Man hat doch verboten, daß du das vor den Leuten sagt. Wenn man fragt, sollst du doch sagen, ich sei seine Nichte.

Träger 1:             Jetzt hab ich schon gemeint, daß wir über Nacht ein Frauenkloster geworden sind und ihr die Novizinnen.

                        wieder Gelächter - der Franziskanermönch kommt hinzu

Mönch:            aufgebracht  Was soll dieses Gelächter? Was hat hier dieses Weibervolk zu suchen? Ist euch das Betreten dieses Ortes noch dazu in nächtlicher Stunde nicht verboten? Weibervolk gehört nicht hierher.

Kathrin:            Ich gehöre hierher. Ich räume hier den Dreck weg!

Mönch:            Das ist Aufgabe der Novizen.

Kathrin:            Gibt es hier nicht. Hier gibt’s nur die drei Mönche, und ihr werdet doch nicht von diesen adligen Herrn verlangen, daß sie diese Arbeit übernehmen. Komm Kind!

                        Kathrin und Agnes ab

Mönch:            Keine Novizen? Und ihr? Ihr seid doch mindere Brüder, warum begebt ihr euch nicht zum Gebet?

Träger 2:            Mindere Brüder?

Träger 3:            Brüder sind wir schon, aber auch nicht minder wie du.

Träger 1:            Wir sind nur Knechte, nur die hiesigen Leichenträger.

Mönch:            Knechte? Und ihr erdreistet euch, die Trauer durch euer Gelächter zu stören? Fort mit euch! Sündhaftes Volk!

Träger 1:            Kommt, gehen wir in die Küche!

Träger 2:            Jetzt ist Brotzeit.

                        Träger ab

Mönch:            ruft ihnen hinterher  Betet! Betet für die arme Seele eures Abtes. Und betet für euer eigenes Seelenheil!

                        Franziskanermönch ab

 

 

3

 

Auftritt der drei Mönche des Klosters: Johann von Wernau - Neffe des vorigen Abtes Pilgrim, aus dem Kloster Ottobeuren entlaufen, groß und hager - Rudolf von Bernstatt - der Jüngste und - soweit man davon sprechen kann - frömmste von den dreien - und Gerwig von Sulmentingen - beleibt, mit großer Vorliebe für die Freuden der Tafel, der Jagd und des Weines. Zum Zeichen der Trauer tragen sie schwarze Umhänge, unter diesen jedoch erkennt man sehr prunkvolle weltliche Kleidung und Schnabelschuhe.

 

Gerwig:            Und? Wer wird jetzt sein Nachfolger?

Rudolf:            Brüder, ist es in dieser Stunde der Trauer nicht noch zu früh, darüber zu sprechen?

Johann:            Ich bin nicht dein Bruder, ich bin mit dir weder verwandt noch verschwägert!

Gerwig:            Wir müssen uns bald darüber einig sein, wer sein Nachfolger wird. Ich war als Novize schon hier im Kloster, als Pilgrim gewählt wurde. Der Kaiser hat damals die Wahl ohne weiteres bestätigt, aber der Papst wollte sich die Ernennung des Abtes vorbehalten. Der Papst und die Bischöfe, da ist einer raffgieriger als der andere. Jedesmal versuchen sie, einem das Recht der freien Abtwahl streitig zu machen. Auch diesmal wird es wieder Schwierigkeiten geben. Bedenkt, es geht um den Erhalt unserer Rechte, unserer Pfründe und Privilegien.

Rudolf:            Aber laßt uns Pilgrim doch erst unter die Erde bringen.

Johann:            Sei doch ehrlich: Wir sind alle froh, daß er endlich weg ist. Ist es nicht so? Dieses frömmlerische Getue auf seine letzten Tage hin war unerträglich. Und daß er diese dahergelaufenen Franziskaner bei sich geduldet hat, ist eine Beleidigung.

Gerwig:            Da hast du recht, diese Bettelmönche haben bei uns nichts verloren! Dieses niedrige Pack!

Johann:            Die Beichte hat er sich von einem Franziskaner abnehmen lassen. Sogar die Sterbesakramente hätte er sich von denen geben lassen, wenn er noch die Wahl gehabt hätte.

Gerwig:            Damit ist jetzt Schluß! Der Minorit bekommt schon noch sein Fett weg!

Rudolf:            Vielleicht hatte Pilgrim von Wernau ja nur Angst, durch euer fehlerhaftes Latein der ewigen Verdammnis anheim zu fallen. Bei deiner letzten Taufe, Gerwig, sprachst du die Worte „in nomine patri et filiae!“ Im Namen des Vaters und der Tochter!

Gerwig:            Das war nur ein Versprecher. Der Herr wird schon wissen, was ich gemeint habe.

Johann:            Eins ist jedenfalls sicher: Einer von uns muß Abt werden. Stellt euch nur vor, sie schicken uns einen, der uns zwingen will, nach den Ordensregeln zu leben. Damals in Ottobeuren hab ich’s am eigenen Leib erfahren: In Zellen sollten wir wohnen, unsere Frauen fortschicken, nachts zum Gebet aufstehen, Bier statt Wein trinken, uns der Jagd und freudiger Trinkgelage enthalten.

Gerwig:            Es gilt ja nicht das Schlimmste zu befürchten, schließlich sind wir alle von standesgemäßer Geburt. Gelübde hin oder her, niemand kann uns zwingen, wie niedriges Volk zu leben. Wenn’s nach dem alten Pilgrim gegangen wäre, hätten wir auch unsere Wohnungen aufgeben, gemeinsam im Speisesaal essen und einen Schlafsaal beziehen müsse, aber was der Abt nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Trotzdem, wir müssen schon auf der Hut sein.

Johann:            Pilgrim von Wernau war mein Onkel, was liegt näher, als mich zu seinem Nachfolger zu wählen?

Rudolf:            Nein Johann. Das geht nicht. Du hast doch gerade selbst an die Sache in Ottobeuren erinnert. Bist du nicht aus dem Kloster geflohen?

Johann:            Rudolf von Bernstatt! Nimm den Mund nicht so voll! Ja. Ich habe das Kloster Ottobeuren verlassen. Und mit Recht!

Gerwig:            Pilgrim hat ihn huldvoll in Kempten aufgenommen. Damit ist die Geschichte ein für allemal erledigt.

Rudolf:            Soll man sagen, der Fürstabt Kemptens, eines der reichsten und mächtigsten Klöster im ganzen Heiligen Römischen Reich, sei ein entlaufener Mönch?

Johann:            Du, Rudolf, kommst jedenfalls nicht in Betracht. Du bist zu jung. Du hast noch nicht mal deine erste Messe gehalten.

Gerwig:            Wir drei müssen aber einen aus unserer Mitte zum Abt wählen, sonst kommt uns der Papst zuvor und setzt uns einen vor die Nase.

Johann:            Es ist ja eigentlich völlig gleichgültig, wer von uns Abt wird. Wir müssen es nur so einrichten, daß ein jeder von uns an den Reichtümern und Einnahmen des Klosters Anteil hat.

Gerwig:            Das ist ganz meine Meinung. Setzen wir doch einfach einen schriftlichen Kontrakt auf, den der Kanzler beglaubigen soll.

Johann:            Nur an die große Glocke sollten wir’s nicht hängen.

Gerwig:            Wer von uns Abt wird, muß einfach die beiden anderen entsprechend entschädigen, mit Geld und Gut.

Johann:            An Wein und Fleisch darf’s nicht mangeln. Auch nicht zu den Fasten.

Gerwig:            Also, wir treffen uns übermorgen nach dem Leichenschmaus und setzen eine genaue Liste auf.

Johann:            Ach, wer hält denn überhaupt das Requiem?

Gerwig:            Was? Ja du! Pilgrim war schließlich dein Onkel?

Johann:            Ja und? Ich kann nicht mal den lateinischen Text.

Gerwig:            Ich auch nicht.

Rudolf:            Werft halt eine Münze.

                      Johann zieht eine Münze aus seinem Gewand

Johann;            Kopf oder Adler?

Gerwig:            Adler!

                      Johann wirft die Münze

Gerwig:            lacht schadenfroh  Kopf!

Johann:            Verflucht! Das muß endlich aufhören, daß wir selbst Messe halten müssen.

Rudolf:            Na dann! Gute Nacht!

                            Johann und Rudolf ab

 

 

4

 

Anna, Lebensgefährtin Gerwigs, kommt hinzu. Sie ist natürlich wesentlich jünger als er, Tochter eines Maurers, trägt kostbare Kleidung, wobei sie den Saum ihres weiten Kleides rafft, so als befürchte sie, daß er beschmutzt werden könnte.

 

Anna:            schreit  Kathrin! Kathrin!

Gerwig:            Meine Anna, mein Herzchen.

Anna:            schreit  Kathrin!

Gerwig:            Annalein, warum schreist du denn so?

Anna:            Die Kathrin soll schauen, daß die Knechte hier im Hof Stroh auslegen, man macht sich in diesem Dreck ja ganz schmutzig.

Gerwig:            Komm her zu mir, meine Herzallerliebste. Hast du’s schon gehört?

Anna:            Die Kathrin hat’s mir scho’ erzählt.

Gerwig:            Zuerst war’s nur Darmverstopfung. Er wurde dicker und dicker. Der Leibarzt hat ihn mit Einläufen, Abführ- und Brechmitteln traktiert. Nur hat er dann nicht seinen Mageninhalt sondern Blut gespien. Am Schluß war er aufgebläht wie ein Ballon. Die Leichträger hätten ihn beinahe nicht durch die Tür gebracht. Ja, Pilgrim der alte Geizkragen ist tot, jetzt können wir beide wieder ganz offiziell in mein Haus wohnen, in unserem Liebesnest.

Anna:            Wißt ihr scho’, wer der neue Abt wird?

Gerwig:            Nein. Das ist ja auch ganz gleich. Freust du dich denn nicht? Ich kann jetzt wieder jede Nacht bei dir sein.

Anna:            Warum wirst du nicht neuer Abt?

Gerwig:            Ich? Nein. Dazu hab ich keine Lust. Was meinst du, was man da für Scherereien hat? Mit dem Papst und mit dem Kaiser muß man sich herumschlagen, mit dem Bischof von Augsburg und dem von Konstanz. Lauter stinkende Bauern und Leibeigene, die ihren Zins nicht bezahlen wollen. Dann erst das geldgierige Pack aus der Reichsstadt, die sind nicht besser als die schlimmsten Ketzer. Einen Kreuzzug müßte man gegen die führen. Nein, nein, ich will meine Ruhe.

Anna:            Aber Gerwig, als Fürstabt bist du ein Reichsfürst, einer von den ganz Großen.

Gerwig:            Na und? Davon kann ich mir auch nichts kaufen. Nur Ärger hat man am Hals.

Anna:            Gerwig, du bist faul und träge.

Gerwig:            Du vorlautes, unverschämtes Frauenzimmer! Das kannst du doch alles gar nicht beurteilen. Du bist nur ein Weib. Obendrein jung und dumm. Bedenke stets: Ich habe dich aus der Gosse geholt. Ohne mich wärst du jetzt die Frau von einem Leibeigenen.

Anna:            Mein Vater ist Maurer, das ist ein ehrenhafter Beruf. Wenn du mich nicht im Beichtstuhl verführt hättest, hätte ich auch anständig heiraten können.

Gerwig:            Dein Vater hat für dich genug bekommen. Und dir geht’s doch auch gut. Und was heißt hier, im Beichtstuhl verführt? Du hast deinen geistlichen Vater in ärgste Versuchung geführt.

Anna:            Schau doch mal lieber Gerwig, es kommt im Leben doch darauf an, daß man zu was kommt. Man muß das seinige zusammenhalten und schauen, daß es mehr wird. Wenn du Abt bist, gehören die Einnahmen des Klosters dir, und du kannst unsere Tochter in rechtmäßigen Stand erheben. Agnes wäre dann auch von Adel. Sie könnte standesgemäß einheiraten.

Gerwig:            Was? Weißt du wieviel ihre Mitgift kosten würde?

Anna:            Und wenn unser nächstes ein Bub wird, kannst du es ja mal zu deinem Nachfolger machen.

Gerwig:            Frau, das ist doch Unsinn. Das hat im ganzen Reich noch keiner geschafft. Da würd’ der Papst aber im Viereck springen.

Anna:            Gerwig, denk doch einmal nach, soll denn alles dem Johann oder dem schüchternen Rudolf gehören? Ja, die sind nicht so dumm, die wissen scho’ wie man zu was kommt. Und denk doch mal an mich, was soll denn aus mir werden, wenn dir was zustößt? Du liebst mich doch, oder?

Gerwig:            Jaja.

Anna:            Eine Pfarrhure werden sie mich dann schimpfen, wenn du mal nicht mehr bist. Mich und deine Kinder werden sie davon jagen. Schon jetzt schimpfen sie die Agnes ein Mönchsbankert.

Gerwig:            Was? Wer wagt das?

Anna:            Wenn du Abt wärst, würd sich so was niemand mehr trauen. Wenn du Abt bist, könntest du scho’ schauen, daß die deinigen mal ihr Auskommen finden. Und meine Leut könntest du auch was zukommen lassen. Komm Gerwig, das tust du doch, nicht? Du machst es doch für mich. Weil du mich liebst. Und denk doch, Gerwig, wär es nicht schön, wenn du hier der Herr wärst? Alle müßten sie dir gehorchen. Bestimmt ist es Gottes Wille, daß du der neue Fürstabt bist. Willst du dich denn gegen die deinigen versündigen? Willst du dich gegen Gott versündigen?

Gerwig:            Jaja, Fürstabt, das würd mir schon gefallen. Wenn ich’s recht bedenke, dann bin ich eigentlich der geborene Herr. Aber diese ganzen Scherereien, die man hat.

Anna:            Gerwig, schau doch, wenn du der Fürstabt bist, kannst du machen, wozu du Lust hast. Alles, was du nicht machen magst, laßt du den Kanzler, den Rudolf oder den Johann machen. Komm jetzt heim, Gerwig und überleg’s dir doch einfach nochmal.

                      beide ab - Licht aus - kurze Zwischenmusik

 

 

5

 

Licht an - Kapitelsaal des Klosters - an einer langen Tafel sitzen Gerwig, Johann und Rudolf in ihrer prächtigen Kleidung - jetzt ohne schwarzen Umhang - vor ihnen steht der stiftskemptische Kanzler, der eben ein Schriftstück aufgesetzt hat und es nun vorliest.

 

Kanzler:            Der Konvent des Stiftes zu Kempten bestehend aus den ehrenwerten Herren Gerwig von Sulmentingen, Johann von Wernau und Rudolf von Bernstatt beschließen vertraulich und im Geheimen folgende Wahlkapitulation:

                        Wer von ihnen zum Abt gewählt wird, gibt jedem der beiden anderen hundert Kronen, ein schönes Trinkgeschirr oder ein anderes Kleinod und ein Pferd aus dem Hofmarstall. Wer im Konvent bleibt, soll je ein Reitpferd auf Kosten des Abts halten dürfen, wöchentlich elf Pfund Fleisch gesotten oder ungesotten erhalten und im Jahr zehn Klafter Holz bekommen.

                        Ferner muß der Konvent jederzeit mit Neckarwein, Wein aus dem Breisgau und dem Elsaß oder besseren und edleren Tropfen wohl versehen sein.

                        Jeder junge Konventuale, der seine erste Messe halten will, soll von seinen Freunden so viele einladen dürfen als ihm gutdünkt. Die Geladenen sollen auf Kosten des Stifts gehalten werden, wie sich’s gebührt.

                        Während der vierzehntägigen Fasten und an allen anderen Fastentage bekommt täglich jeder Kapitular zu seiner ihm zustehenden Maß Weines noch eigens zwei Hofbrote zum Imbiß.

                        Die verschiedenen Pfründe des Stiftes werden dem Kloster inkoporiert und zu ihrer Besorgung zwei Kapläne bestellt und besoldet werden. Für Kost und Unterkunft dieser Kapläne hat der Abt zu sorgen. Die Pfarrei St. Lorenz auf dem Berge ist der Prälatur inkoporiert, während die Pfarrei Lauben dem ältesten der beiden Konventsherren bleibt.

                        Wenn der Abt stirbt, gehört seine Hinterlassenschaft nicht dem Konvent, sondern seinen nächsten Erben oder wem er sie zu Lebzeiten vermacht hat. Der Abt darf auch sechs stimmbegabte Knäblein auf dem Chor zur Mithilfe beim Gottesdienst auf seine Kosten haben und unterhalten.

                        Jeder Konventsherr darf innerhalb des Klosters sein eigenes Haus bauen und nach gutdünken umgestalten, wozu der Abt das Material liefern soll.

                        Die drei Konventsherren geloben einander, im Falle ihrer Wahl diese Abmachung getreulich zu halten, erst wenn der Gewählte sie erfüllt hat, sollen ihm die Urkunden ausgehändigt werden, die er zur Bestätigung seiner Wahl braucht.

Johann:            Und seid ihr mit dieser Wahlkapitulation einverstanden?

Gerwig:            Einverstanden.

Rudolf:            Ich darf also zu meiner ersten Messe so viele Freunde und Verwandte einladen wie ich will?

Johann:            Das hast du ja eben gehört.

Kanzler:            Um kanonischem Recht genüge zu tun und da die geringe Anzahl der ehrenwerten Konventsmitglieder es nicht erlaubte, die zwei vorgeschriebenen Wahlprüfer aus den eigenen Reihen zu stellen, bat ich den zur Bestattung des Fürstabtes Pilgrim von Wernau, er ruhe in Frieden, in unseren Mauern weilenden Abt Johann von Isny und den zufällig durchreisenden Priester Kaspar Häringer das schwere Amt der Wahlprüfer zu übernehmen, damit alles nach Recht und Gottes Wille vor sich gehe. Findet das die Zustimmung der Konventsherren?

Gerwig:            Sehr weise Herr Kanzler. Wann wählen wir also? Morgen?

Johann:            Morgen.

Rudolf:            Morgen.

                        alle ab

 

 

6

 

Kurze Zwischenmusik - Tag der Abtwahl. - vor dem Münster hat sich viel neugieriges Volk versammelt - darunter auch Anna, Kathrin, Agnes und der Franziskanermönch.

 

Huberin:            Meierin, dauert so was lang?

Meierin:            Was?

Huberin:            Ob so eine Wahl lang dauert, Meierin?

Meierin:            Huberin, s’ist schon fast zwanzig Jahre her, als sie den alten Pilgrim gewählt haben. Da hat’s fast eine Woche gedauert.

Huberin:            Was? Eine Woche? Dann geh ich wieder.

Meierin:            Damals waren’s aber zehn Mönche. Diesmal sind’s nur drei.

Huberin:            Das werden auch immer weniger.

Meierin:            Huberin, bei dreien kann’s ja nicht so lang dauern.

Huberin:            Da ist doch einer wie der andere. Die saugen uns doch alle aus. Denken nur ans Fressen und Saufen.

Meierin:            Huberin! Versündige dich nicht. So redet man nicht von seiner Obrigkeit. Das sind doch alles geistliche Herren.

Huberin:            Heilig ist von denen keiner. Freie Bauern und Freizinser behandeln sie wie Leibeigene. Zum Frondienst drücken sie einen, Fastnachtshennen haben sie uns abgepreßt.  Leise, wobei sie auf Anna und Agnes weist  Aber ihre Hübschlerinnen und Bankerte können sich fein rausmachen.

Kathrin:            Und, Anna, wer wird unser neuer Abt?

Anna:            Mein Gerwig, wer sonst.

Kathrin:            Dein dicker Gerwig?

Anna:            Der eine ist noch ein Grünschnabel und der andere ein entlaufener Mönch. Sie haben’s außerdem vorher abgesprochen. Mein Gerwig ist der einzig würdige.

Kathrin:            Dann ist das ja gar keine echte Wahl.

Anna:            Freilich ist die Wahl echt.

Kathrin:            spöttisch  Dann wirst du die Äbtissin?

Anna:            Du dummes Mensch.

Kathrin:            Oder die Frau Abtin?

Anna:            Gerwig wird schon’ schauen, daß die seinigen auch was abbekommen.

Kathrin:            Die seinigen? Paß nur auf, daß es dir nicht so wie mir geht. Da sehen sie eine Jüngere und aus ist’s. Wenn du Glück hast darfst du dann auch als Magd im Kloster bleiben.

Anna:            Mein Gerwig ist kein so ein Weiberheld wie der Johann.

                        Eine Kirchenglocke läutet

Anna:            Hörst du die Glocke?

Kathrin:            Sie haben gewählt.

Meierin:            Huberin! Wir haben neuen Abt

 

 

7

 

Alle Kirchenglocken des Klosters läuten - Gerwig wird in prächtigem Ornat und Meßgewand von seinem Hofstaat umgeben in einer Sänfte auf die Bühne getragen. Gerwig grinsend und freudig erregt ob seiner neuen Würde segnet huldvoll das wartende Volk, das vor ihm auf die Knie geht, um seinen Segen untertänigst entgegen zu nehmen. Gregorianischer Choral - Gerwig und Hofstaat ab - das Volk folgt ihm - Licht aus.

 

 

zweiter Akt

 

1

 

Kurze Zwischenmusik - Licht an - ein Jahr später - Privatgemächer des Herrn Gerwig - in der Mitte steht ein riesiges Himmelbett - darin Gerwig und Anna - beide im Nachtgewand.

 

Gerwig:            Siehst du Anna, jetzt bin ich schon seit fast einem Jahr der Fürstabt und konnte mich bisher keinen Tag lang darüber freuen.

Anna:            Wenn du dich aber auch über alles und jedes ärgern mußt.

Gerwig:            Da muß man sich doch ärgern. Bisher hat nur der Kaiser meine Wahl anerkannt. Der Bischof von Augsburg, der malefikante Hund, will sich das Kloster einverleiben.

Anna:            Gerwig, schau doch, der Kaiser hat dich anerkannt und die Lehnsleut. Das ist doch die Hauptsache.

Gerwig:            Auch der Papst muß die Wahl bestätigen, sonst gilt sie nicht.

Anna:            Schau Gerwig, dann beschwer dich halt in Rom, beim Heiligen Vater. Schreib ihm, daß der Bischof schuld ist.

Gerwig:            Die beiden Schleppsäck stecken doch unter einer Decke! Geld wollen sie. Beide.

Anna:            Komm Gerwig, das schaffst du scho’. Schau doch, Gerwig, du hast bis jetzt doch alles geschafft.

Gerwig:            Anna, du bist ein Frauenzimmer und verstehst das nicht.

Anna:            Die meisten Frauen sind viel klüger als so ein grobes Mannsbild!

Gerwig:            Der Augsburger will die Lehnshoheit über mindestens eine Kirche und eine Burg und dazu 1200 Gulden. Mit weniger wollt er sich nicht zufrieden geben. Die kaiserliche Bestätigung und das große Palatinat haben mich 1500 Gulden gekostet.

Anna:            Was ist das für ein Ding, das große Palatinat?

Gerwig:            Wer das große Palatinat hat, darf Bankerte in rechtmäßigen Stand erheben.

Anna:            Dann bekommt die Agnes ganz rechtmäßig und standesgemäß deinen Namen?

Gerwig:            Jaja, aber ‘s war nicht gerade billig. Und die stiftischen Beamten klauen wie die Raben, ein jeder von denen wirtschaftet in die eigene Tasche.

                        Kathrin kommt hinzu

Kathrin:            Herr Gerwig, einer von diesen Bettelmönchen steht vor der Tür. Er will euch unbedingt sprechen und läßt sich nicht abweisen.

Gerwig:            Kathrin! Du dummes Luder! Du mußt uns jetzt mit „eure fürstliche Gnaden“ anreden. Hast du das immer noch nicht verstanden?

Kathrin:            Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden.

Gerwig:            Genau.

Kathrin:            Eure fürstliche Gnaden, was soll ich jetzt mit dem Franziskaner anfangen?

Gerwig:            Den laßt nur zu uns. Dem werden wir jetzt gründlich die Meinung sagen.

Kathrin:            Ist gut.

Gerwig:            Das heißt: „Ist gut, eure fürstliche Gnaden!“ Du dummes Mensch!

Kathrin:            Ja, eure fürstliche Gnaden.

                        Kathrin ab

Gerwig:            Der kommt mir jetzt grad recht!

Anna:            Gerwig?

Gerwig:            Weib, was willst du?

Anna:            Weißt du Gerwig, es ist doch nicht recht, wenn die Leut jetzt weiterhin zu mir nur ‘Anna’ sagen. Gibt’s für mich denn keinen richtigen Titel?

Gerwig:            Du machst jetzt, daß du fortkommst. Das macht keinen guten Eindruck, wenn du deinen sündigen Leib hier zur Schau stellt. Franziskaner sind da empfindlich.

Anna:            Ja, eure fürstliche Gnaden.

 

 

2

 

Der Franziskanermönch kommt hinzu. Anna kann sich gerade noch hinter dem Bett verstecken.

 

Gerwig:            Soso. Er will uns so einfach sprechen. Kann er nicht ordentlich um eine Audienz nachsuchen? Muß er unsere Ruhe stören.

Mönch:            Verzeiht, eure fürstliche Gnaden. Euer Kanzler wollte mir keine Audienz bei euer fürstlichen Gnaden gewähren.

Gerwig:            Das war unser Befehl.

Mönch:            Verzeiht, eure fürstliche Gnaden, aber ich wollte mit euch nicht um meinetwillen sprechen, sondern in eurem eigenen Interesse. Ich bin hier, um euch ernstlich und getreulich ins Gewissen zu reden.

Gerwig:            Was maßt er sich an? Uns will er ins Gewissen reden?

Mönch:            Eure fürstliche Gnaden, es geht um euer Seelenheil. Gott wird dereinst von euch Rechenschaft für alle euch anvertrauten Seelen fordern. Schon dieser Gedanke allein, müßte euch Ansporn sein, das Kloster wieder in ein geordnetes Leben zu führen. Es ist eure Pflicht, alles was dem göttlichen Gesetzt zuwiderläuft, mit Stumpf und Stiel auszurotten. Eure fürstliche Gnaden müssen Sorge tragen, daß Nonnen und Frauenzimmern unter allen Umständen der Zutritt zum Kloster verwehrt wird. Auch die Haltung der Fastengebote läßt zu wünschen übrig. Eure Pflicht als Abt ist es, darauf zu achten, daß die Gebetsstunden eingehalten und nicht mit Jagdbelustigungen, unziemlichen Spielen und Tänzen ausgefüllt werden. Auch dürft ihr nicht weiterhin dem Laster der Unmäßigkeit im Trinken frönen. Die Konventsherren sind nach göttlichem Gesetz verpflichtet in einer gemeinsamen Wohnung in Klausur zu leben und nicht jeder in seinem eigenen Haus. Legt eure weltlichen Gewänder ab und tragt das geistliche Gewand mit Würde und Stolz. Auch im Gottesdienst, eure fürstliche Gnaden, liegt manches im argen. Um euer Seelenheil willen bitte ich eure fürstliche Gnaden doch darauf zu achten, daß der Gottesdienst fernerhin wieder mit Ernst und Würde und gemäß dem Kanon gehalten wird, und daß man sich während des Gottesdienste lauten Gelächters und derben Scherzes enthält..

Gerwig:            Soso, und liegt ihm sonst noch was auf dem Herzen.

Mönch:            Fürstliche Gnaden, im Auftrag meines Ordens verhandelte ich bereits mit eurem Vorgänger, Pilgrim von Wernau, der Herr sei seiner Seele gnädig, über die Gründung eines Franziskanerklosters auf dem Gebiet des Fürstentums Kempten. Pilgrim von Wernau beabsichtigte uns ein Grundstück kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Gerwig:            Soso. Um unser Seelenheil sorgt er sich, und ein Kloster will er auch noch gründen.  brüllt  Ein ganz elends miserabliger Hundsfot ist er! Ein ganz malefikanter Saukerl! Unser Seelenheil, und das merk er sich ein für alle mal, unser Seelenheil geht ihn einen feuchten Scheißdreck an! Was erdreistet er sich!

                        durch Gerwigs Geschrei neugierig geworden, kommt einiges Gesinde herbei- darunter auch Kathrin, Agnes und der Kanzler - Anna lugt aus ihrem Versteck hervor

Mönch:            Euer fürstliche Gnaden, verzeiht, wenn ich euch zu nahe trat, aber ich spreche hier doch in eurem Sinne. Zieht ihr es vor, euer Kloster einer offiziellen Visitation zu unterziehen? Sollen eure Untertanen den Respekt vor ihrer in Verderbtheit und Sünde lebenden Obrigkeit verlieren?

Gerwig:            brüllt  Halt er sofort sein stinkendes unflätiges Maul! Für ein dahergelaufenes, nichtsnutziges, herumstreunendes Franziskanermönchlein nimmt er sich entschieden zu viel heraus! Will er uns etwa drohen? Will er etwa am eigenen Leib erfahren, was wir hier nach gut Allgäuerisch Gebrauch mit Leuten anstellen, die ihr Maul zu weit aufreißen? Kanzler, laß er den miserabligen, malefikanten Hundsfot von Minoriten bis morgen früh zu den Schweinen und Sauen in den Pfuhl stecken, und morgen sollen meine schärfsten Jagdhunde auf ihn Hatz machen. Ab mit ihm!

Kanzler:            Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden.

                        das Gesinde packt unter Gelächter und derben Scherzen den Mönch und zerrt ihn hinaus

Gesinde:            In den Pfuhl! Zu den Sauen!

Gerwig:            Von denen soll uns keiner mehr vor’s Gesicht kommen!

 

3

 

Gerwig mit Anna und Agnes allein.

 

Gerwig.            So ein miserabliger Hundsfot!

Agnes:            Warum dürfen denn keine Frauen ins Kloster.

Gerwig:            Dummes Kind. Natürlich dürfen Frauen ins Kloster. Die haben sogar ihre eigene Klöster.

Agnes:            Dann ist das hier ein Kloster in das auch Frauen dürfen?

Gerwig:            Hör jetzt mit der dummen Fragerei auf.

Anna:            Weißt du Kind, der Mönch hat scho’ recht. Das hier ist eigentlich ein Kloster nur für die Männer. Und eigentlich ist es den Männern verboten, daß sie ihre Familien bei sich haben. Eigentlich dürfen die Männer im Kloster gar keine Familie haben. Aber weißt du, hier in Kempten ist das anders. Hier in Kempten wohnen nur reiche und vornehme Herren, die dürfen vieles, was ein normaler Mönch nicht darf.

Agnes:            Warum sagen die Leut dann, daß wir in Sünde leben?

Gerwig:            Das ist doch alles ein ausgemachter Schmarren. Sogar der Heilige Vater hält sich seine Frau im Vatikan und hat wohl mehr als nur eine. Alle Menschen leben in Sünde, das ist ganz normal. Drum gibt’s ja das Sakrament der Beichte. Für besonders schwere Sünden kauft man sich einen Ablaßbrief und damit ist’s erledigt. Die kleinen Leut, die Bauern, Leibeigenen, die Zinser und Handwerker, die unteren Stände, die müssen streng nach den Geboten leben, damit die göttliche Weltordnung bestehen bleibt. Aber um so größer einer ist, desto mehr steht er außerhalb solcher Gebote.

Agnes:            Was ist denn die göttliche Weltordnung?

Gerwig:            Du bist kein Junge, du brauchst so was nicht wissen!

Agnes:            Dann leben wir scho’ in Sünde.

Anna:            Kind, das ist doch ganz einfach: Ganz oben in der göttlichen Ordnung stehen die adligen und reichen Leut, die hat Gott ganz besonders lieb, drum sind sie ja adlig und reich. Dann kommen die Kaufleute und Handwerker, die müssen viel Schaffen und Wuchern, damit Gott sie gern hat und drunter kommen dann die Bauern und kleinen Leut. Die sind so weit unten, daß Gott sie gar nicht sehen kann.

Agnes:            Und Vater gehört zu den adligen und reichen Leut, weil er ja nichts schaffen muß.

Anna:            Ja. Und weil das so ist darf dein Vater Sachen machen, die ein Bauer eben nicht machen darf.

Agnes:            Die Kathrin sagt aber, daß es Sünde ist.

Gerwig:            Die Kathrin ist ein dummes Mensch.

 

4

 

Der Kanzler kommt zurück.

 

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, der Franziskaner liegt im Schweinepfuhl. Die Knechte waren etwas grob. Er ist bewußtlos, lebt aber noch.

Gerwig:            Gut. Mein lieber Kanzler, er schreibe einen Erlaß, daß es bei Androhung schwerster Strafe allen fürstäbtlichen Untertanen verboten ist, diesen Franziskanern einen Bauplatz zu verkaufen.

Kanzler:            Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden.

Gerwig:            Ach, hat er dem Bischof von Augsburg diesem vermaledeitem blutsaugenden Vampir schon die fälligen 1200 Gulden ausbezahlt?

Kanzler:            Das ist bereits geschehen. Eure fürstliche Gnaden, erlaubt mir hier anzumerken, daß es weise wäre, mit seiner fürstäbtlichen Gnaden Einkünfte sparsamer zu haushalten. Euer Vorgänger, Pilgrim von Wernau, war ein sparsamer und fürsorglicher Landesvater. Er hat das Gebiet des Klosters beträchtlich erweitert, was durchaus einiges Geld gekostet hat, dennoch verfügte das Kloster über ansehnliche Reserven. Die Ausgaben, die zur ordentlichen Verleihung eurer fürstlichen Gnaden Regalien und Lehen an den Kaiser, den Heiligen Stuhl, an die Bischöfe von Augsburg und Konstanz notwendig waren und auch die hohen Auszahlungen an Geld und Sachwerten die ehrenwerten Herren des Konvents haben die vorhanden Reserven auf ein geringes zusammenschmelzen lassen.

Gerwig:            Die Ausgaben, die er anspricht, waren durchaus notwendig. Kann es vielleicht sein, daß der klösterliche Schatz nicht durch notwendige Ausgaben, sondern durch die Geld- und Raffgier unserer Dienerschaft geschmälert wurde? Verkaufe er mich ja nicht für dumm! Wir sind lange genug schon in diesem Kloster, wir wissen genau, daß die Knechte und die Dienerschaft alles stiehlt, was nicht niet- und nagelfest ist. Und er? Bringt er nicht auch das seinige auf die Seite? Trägt er nicht etwa des abends das fürstäbtliche Gold pfund- und taschenweise heim?

Kanzler:            bestürzt  Eure fürstliche Gnaden, solltet ihr nur den geringsten Zweifel an der Richtigkeit und Gewissenhaftigkeit meiner Kassenführung hegen, bitte ich eure fürstliche Gnaden untertänigst, die Kassenbücher einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Sollte eure fürstliche Gnaden Zweifel an der Lauterkeit meiner Person dadurch nicht beseitigt sein, bitte ich um meinen Rücktritt.

Gerwig:            Jaja. Er ist schon ein rechter Kerl. Aber er kann immerhin nur für sich sprechen. Mag er vielleicht ein braver Diener sein, die anderen klauen und stehlen wie die Raben. Gleichviel, wenn der Schatz verbraucht ist, müssen wir uns zu Rate setzen, wie man zu Geld kommt.

Anna:            Gerwig, mach’s halt, wie der Bischof von Augsburg und ruf ein Gnadenjahr aus. Es heißt, der Bischof hat damit an die 50.000 Gulden gemacht.

Kanzler:            Nicht ganz. Die Einnahmen beliefen sich auf 20.000 Gulden. Das Gnadenjahr in Augsburg war eine schlaue Sache. Der Ablaß kostete die Hälfte des Reisepreises nach Rom und hatte angeblich soviel Kraft und Wirkung wie die Romreise im Jubeljahr 1450.

Gerwig:            Wir wissen schon, daß sich der Schleppsack eine goldene Nase verdient hat. Damit einer ein Gnadenjahr verkünden kann muß er aber mindestens Bischof sein und sich gut mit dem Heiligen Vater verstehen.

                        Kathrin kommt hinzu

Kathrin:            Euer Gnaden...

Gerwig:            Das heißt: „Eure fürstliche Gnaden!“ Merk sie sich das endlich!

Kathrin:            Eure fürstliche Gnaden, die Herren Johann und Rudolf erwarten euch zur Hatz. Euer Pferd ist schon gesattelt.

Gerwig:            Sehr gut! Kathrin, man soll unser Jagdkleid herrichten. Anna, du geht’s mit auf die Hatz, heute zeig ich dir, wie man Zwölfender und Wildsauen schießt.

Anna:            Lieber Gerwig, muß das sein?

Gerwig:            Du kommst mit! Herr Kanzler, seh er zu, daß es mit dem Stehlen aufhört. Wir lassen da nicht mit uns spaßen! Schau er den Dienern und Knechten nur genau auf die Finger. Laß er’s uns sofort wissen, wenn er einen Übeltäter erwischt, auf das wir ein Exempel statuieren!  leiser  Und den beiden Konventsherren kann er schon auch den Geldhahn ein wenig zudrehen. Die haben schon genug.

                        Gerwig ab, die anderen folgen ihm

 

5

 

Fröhliche Trinkrunde im fürstäbtlichen Weinkeller - Gerwig, Jörg, Johann und Rudolf - die beiden Letzteren torkeln schon etwas betrunken im Hintergrund herum - Gerwig und Jörg sitzen an einem Tisch - der Wein wird aus Maßkrügen getrunken.

 

Rudolf:            Bald, meine Brüder, bald schon sind wir alle muselmanisch! Prost! Auf Kaiser und Reich!

Johann:            Red doch keinen Blödsinn daher! Außerdem hab ich’s dir schon oft genug gesagt: Ich bin mit dir weder verwandt noch verschwägert.

Rudolf:            Konstantinopel ist gefallen. Der Türk steht schon im Ungarnland. Bald ist’s aus! Muselmanisch werden wir!

Johann:            Langsam, langsam, der Magyar ist gut katholisch, da kommt der Türk nicht so leicht vorbei.

Rudolf:            Wenn der Türk kommt, ist auch der Magyar verloren, weil der Türk kommt im Auftrag Gottes!

Johann:            Dann werden wir halt ein Muselmannenkloster. Auf Kaiser und Reich! Wohlsein!

Rudolf:            Wohlsein!

Jörg:            Eure fürstliche Gnaden, wißt ihr noch damals vor zwanzig Jahren? Als ich zu eurer fürstlichen Gnaden, sagte, daß ihr eines Tages noch Fürstabt werdet?

Gerwig:            Jaja, Jörg, er hat uns damals ins Kloster geholt. Ihm haben wir einiges zu verdanken.

Jörg:            So ist aus euch doch noch was Rechtes geworden.

Gerwig:            Herr Jörg, der fürstliche Weinkeller muß dringend aufgefüllt werden. Der alte Pilgrim hat immer nur sauren Bodenseewein gekauft, der ist grad mal recht für die Knecht und Säu.

Jörg:            Ja. Am alten Pilgrim, war als Weinhändler wenig zu verdienen. Es galt schon zu befürchten, daß man jetzt auch in Kempten der im ganzen Reich um sich greifenden unglückseligen Gewohnheit des Bierbrauens und Biertrinkens huldigt.

Gerwig:            Da mag er jetzt ganz unbesorgt sein. Liefere er künftig dem Kloster nur den allerbesten Wein.

Jörg:            Wenn’s eure fürstliche Gnaden wünschen, kauf ich bei den Welschen die besten Tropfen.

Gerwig:            Nur zu teuer soll’s auch nicht sein.

Jörg:            Dann würd ich vorschlagen, Wein aus dem Breisgau.

Gerwig:            Am Neckar gibt’s auch manchen guten Tropfen. Wohlsein!

Jörg:            Eure fürstliche Gnaden, Wohlsein!

Rudolf:            Aus ist’s. Der Türk kommt! Athen, den Hort aller klassischen Bildung, Athen hat er auch schon.

Johann:            Wenn’s sein muß werden wir halt muselmanisch. So schlecht wär’s gar nicht. So ein Muselmann darf immerhin so viele Weiber haben, wie er will. Wohlsein!

Rudolf:            Wohlsein!

Gerwig:            Herr Jörg, er bekommt von uns den Auftrag, den fürstäbtlichen Weinkeller gebührend mit Wein aufzufüllen.

Jörg:            Ich werde zu den besten Winzer des Breisgaus, des Elsaß und an den Neckar reisen, um für eure fürstliche Gnaden die edelsten Tropfen einzukaufen. Eure fürstliche Gnaden mögen sich ganz auf mich verlassen.

Gerwig:            Wieviel, wieviel Geld wird er denn brauchen? Reichen 6000 Gulden? Kann, kann er’s nicht auf Kredit kaufen?

Jörg:            Aber eure fürstliche Gnaden haben bei mir unbegrenzten Kredit. Es genügt, wenn eure fürstliche Gnaden bei Lieferung zahlen. Wir sind doch Männer von Ehre und Männer von Ehre sollten doch nicht über Geld sprechen.

Gerwig:            Er, er spricht ganz in meinem Sinne. Wohlsein!

Jörg:            Euer, euer fürstliche Gnaden, Wohlsein!

Johann:            Wenn der Türk kommt, dann machen wir eben einen Kreuzzug. Das gibt dann ein lustiges Schlachtgemetzel. Und mit den Ketzern räumen wir auch gleich auf.

Gerwig:            Johann, vergiß mir die Reichsstädter und die störrischen Bauern nicht!

Rudolf:            Der Türk, das ist die Strafe Gottes, weil, weil sich alle gegen die göttliche Weltordnung auflehnen. Niemand hält sich mehr an die göttliche Weltordnung, alle wollen höheren Standes sein als ihnen zusteht.

Johann:            Die Schleppsäcke von Reichsstädter mit ihrem schleimigen Bürgermeister kommen als erste dran.

Gerwig:            Was redet ihr überhaupt daher? Jetzt beginnt das goldene Zeitalter! Der Kaiser hat uns die Hohe Gerichtsbarkeit verliehen. Wer sich jetzt gegen die göttliche Ordnung und somit gegen uns auflehnt, bekommt den Kopf abgeschlagen! Wohlsein!

Jörg:            Wohlsein!

Gerwig:            Und dem Kanzler haben wir aufgetragen, daß er ein Lehnsverzeichnis anlegt, damit wir genau sehen können, wer zum Kloster gehört und wer was für Abgaben und Steuern zahlen muß. Wohlsein!

 

 

6

 

Kathrin kommt mit drei sogenannten „Stadtjungfern“ hinzu - diese tragen die um jene Zeit übliche gelbe Tracht und rote Kappe.

 

Gerwig:            Kathrin! Warum stört sie eine Sitzung des heiligen Klosterkovents?

Kathrin:            Halten zu Gnaden, aber die drei Hübschlerinnen aus dem städtischen Magdalenenhof an der Sutt warten jetzt schon seit zwei geschlagenen Stunden in der Kirche.

Johann:            Oha! Die Unzuchtshäsinnen aus dem Freudenhaus.

Rudolf:            Die kommen nicht ungelegen, jetzt wo wir eh schon muselmanisch sind. Ich meine wo wir eh schon muselmanisch werden.

Hure:            Heut ist Sankt Gallus Tag. Wir wollen nur den fälligen Hurenzins bezahlen.

Jörg:            Die sind reichsstädtisch und zahlen Zins an euer fürstliche Gnaden?

Gerwig:            Das Hurenhaus liegt zwar in der Reichsstadt, aber es gehört dem Kloster, von alters her. Kathrin, sie ist ein grunddummes Mensch! Was soll ich mit denen im Weinkeller.

Kathrin:            Ich kann nichts dafür.

Hure:            Euer fürstliche Gnaden, wir wollen doch nur den Zins bezahlen. Wie jedes Jahr am Sankt Gallus Tag am Eingang der Sankt Mang Kirche. Der Pfarrer hat aber gesagt, er nimmt’s nicht, wir sollen’s euer Gnaden selbst bringen.

Johann:            Das ist schon recht. Komm Rudolf, die Unzuchtshäsinnen lassen dich schon auch mal rann.

Hure:            Wir haben oft Kundschaft aus dem geistlichen Stand.

Gerwig:            Nichts da! Meint ihr, wir sind so dumm und fallen darauf herein? Der Autor hat uns absichtlich mit dieser Situation konfrontiert, weil er es für was besonderes hält, wenn unser Kloster Geld aus einem Hurenhaus bezieht, doch da hat er sich verrechnet. Wir bleiben standhaft. Gebt mir den Zins!

Hure:            Hier, eure fürstliche Gnaden.

                        sie überreicht Gerwig einen Geldsack - kniet sich nieder und küßt seinen Ring - Gerwig segnet sie

Gerwig:            Geld stinkt nicht, und auch der Herr sagte, Huren und Zöllner, werden eher ins Himmelreich kommen, denn ihr,...oder so ähnlich. Wenn euch das nächste Mal der Pfarrer abweist, dann bringt’s in die Kanzlei. Und jetzt geht.

                        Kathrin mit den Hübschlerinnen ab

Johann:            Schade. Wißt ihr, was man sich von dem großen Konzil in Konstanz erzählt? Als das Konzil begann, gab’s in der Stadt vier Hurenhäuser, als es zuende war nur noch eins, aber eins, das vom äußersten Stadttor bis zum Hafen reichte.

Rudolf:            Wohlsein!

Gerwig:            Wohlsein!

                        Licht aus - alle ab

 

 

7

 

Chor des Münsters - kurze Zwischenmusik - Kerzenlicht - eine ausgelassene Gesellschaft in bunten Pseudomeßgewändern und Tiermasken, sie musizieren auf Trommeln und werden von Gerwig angeführt, betritt tanzend und singend das Münster - in einem Leiterwagen sitzt eine Gestalt mit einer Bischofsmitra auf dem Kopf. Gerwig trägt eine Eselsmaske.

 

Chor:            Tityr, der ein Ziegenhirte ist

                        der du aller Ärsche König bist

                        den laßt uns wählen zum neuen Bischof

                        Eia, eia, eia, vocant nos ad gaudia Tintyri cibaria.

                        Laßt uns preisen, laßt uns feiern

                        laßt uns singen und erklingen

                        Orgel, Fidel und die große Trommel.

                        Eia, eia, eia, vocant nos ad gaudia Tintyri cibaria.

                        Kommt alle zu ihm mit nach Hause,

                        denn er läd uns ein zum Schmause.

                        saufet, saufet, saufet auf sein Wohl.

                        Eia, eia, eia, vocant nos ad gaudia Tintyri cibaria.

                        sie knien wie zum Gebet nieder - Gewig spricht den folgenden Text wie eine Litanei - ein „Ministrant“ schwenkt ein Weihrauchfaß

Gerwig:            Laßet uns nun zum Altar des Bacchus schreiten,

                        zu ihm, der den Mühsalgeladenen Freude schenkt.

                        Laßet uns trinken.

                        Wir bitten dich Herr Bacchus:

                        nimm unsere Kleider von uns,

                        auf das wir würdig nackten Leibes

                        deine Taverne betreten.

                        Laßet uns saufen ohne Unterlaß. Iha!

Chor:            Iha! Iha! Iha!.

Gerwig:            Amen!

Chor:            Amen!

                        Licht an - der Kanzler - hektisch und aufgeregt - unterbricht die Feier

Kanzler:            Euer Gnaden! Euer Gnaden!

Gerwig:            Warum schreit er so ordinär? Heut ist Fasching! Er stört das Narrenfest!

Kanzler:            Euer Gnaden, der Visitator ist da!

                        die Gesellschaft hält erschrocken inne - man nimmt die Masken ab

Gerwig:            entsetzt  Ein Visitator? Zum Teufel aber auch! Ohne Anmeldung?

Kanzler:            Schnell, euer fürstliche Gnaden, er ist schon im Hof. Gleich wird er hier sein.

Gerwig:            Grundgütiger! Zum Teufel aber auch! Schnell, fort mit den Weiberleuten! Fort mit euch! Schnell! Schafft die Weiber weg!

 

 

8

 

Die Gesellschaft stobt auseinander - gleichzeitig betritt der Kardinal Bessarion das Münster. Gerwig und sein Kanzler sind jetzt mit dem Kardinal allein.

 

Kanzler:            Seine,...hüstelt verlegen...seine hochwohlgeborene Eminenz Kardinal Bessarion, Abgesandter des Heiligen Vaters, Papst Calixtus des Dritten.

Bessarion:            Hochwürdiger Herr Gerwig, seid gegrüßt. Wie ich sehe, herrscht in eurem Kloster ja fröhlich ausgelassenes Treiben.

Gerwig:            stammelt  Eure Eminenz, heut ist doch das Fest der unschuldigen Kinder und wir feiern, wie überall in der Christenheit üblich das Narrenfest.

Bessarion:            Soso. Laß euch sagen, ehrwürdiger Herr Gerwig, der Heilige Vater sieht solches Treiben nicht gern.

Gerwig:            Aber eure Eminenz, das Narrenfest bietet doch der Tollheit ein Ventil. Selbst ein Weinfaß würde bersten, wenn nicht gelegentlich das Spundloch geöffnet würde, um Luft abzulassen. Damit alles im Rahmen bleibt und größere Unflätigkeiten vermieden werden, habe ich mich auch entschlossen, das Narrenfest selbst anzuführen.

Bessarion:            Ihr dürft mit meinem Verständnis und meiner Verschwiegenheit rechnen. Das Narrenfest ist nicht Gegenstand meiner Visitation.

Gerwig:            Euer hochwohlgeborene Eminenz, verzeiht, daß wir euch nicht gebührend empfangen haben. Ich muß gestehen, eure Ankunft hat uns etwas überrascht. Ehrlich gesagt, haben wir nicht mit einer Visitation durch eure hochwohlgeborene Eminenz gerechnet.

Bessarion:            Hochwürdiger Herr Gerwig, der heilige Vater, Papst Calixtus der Dritte, beauftragte mich persönlich, euch seinen gnädigen Bescheid über euer untertänigstes Gesuch zu übermitteln. Euch als dem einzigen Kloster des Reiches wurde vom Kaiser das Recht der Hohen Gerichtsbarkeit über Leben und Tod verliehen. Campidona sola iudicat ense et stola.

Gerwig:            Eure Eminenz....was?

Bessarion:            Einzig Kempten richtet mit Schwert und Stola.

Gerwig:            Ach so. Ja, natürlich. Einzig Kempten richtet....und das mit Recht, eure Eminenz. Wir sind schließlich ein Reichsfürst.

Bessarion:            Aber hochwürdiger Herr Gerwig, das Recht der Hohen Gerichtsbarkeit widerspricht kanonischem Recht, wonach euch als Geistlichem jegliches Blutvergießen verboten ist.

Gerwig:            Eminenz, das Blutvergießen übernimmt ja der Scharfrichter.

Bessarion:            Lieber Herr Gerwig, es geht hier lediglich um die juristische Seite. Wer hier in Kempten die Köpfe abschlägt, schert den Heiligen Vater nicht. Sicherlich entlohnt ihr euren Scharfrichter in angemessener Weise, so daß er vermag, durch entsprechenden Ablaß seinem Gewissen Erleichterung zu verschaffen. Nein Herr Gerwig, es geht hier ums kanonische Recht. Wie ihr wißt, geehrter Herr Gerwig, kann euch nur der Heilige Vater persönlich von der schweren Sünde freisprechen, die sich aus der Ausübung der Hohen Gerichtsbarkeit durch einen Geistlichen ergibt. Der Heilige Vater ist uns jedoch ein milder und gütiger Oberhirte. Er sieht ein, daß es für euch mit großen Unannehmlichkeiten verbunden ist, bei jedem Todesurteil, das in eurem Namen gesprochen wird, um päpstlichen Dispens nachzusuchen. Er entspricht also eurem Gesuch und gewährt euch das Recht, euch frei einen beliebigen Beichtvater zu wählen, der euch jederzeit von Sünden, die sich aus der Ausübung eures Amtes ergeben, freisprechen darf. Und da der Heilige Vater ein gütiger Hirte ist, weiß er auch um die Gefahren für euer Seelenheil, die euch als Reichsfürsten drohen. Aus diesem Grunde gibt er auch dem zweiten Punkt eures Gesuchs statt und läßt den Beichtvater euerer Wahl der ganz besonderen Gnade teilhaftig werden, euch auch von einer Todsünde freisprechen zu dürfen, was nach kanonischem Recht ebenfalls nur der Heilige Vater vermag. Und ihr wißt selbst gut genug, daß euch ein solcher Ablaß nicht ganz billig käme.

Gerwig:            Eminenz, der Heilige Vater ist sehr gnädig. Ich übe ja meine Gewalt in aller Gerechtigkeit und Demut aus. Ich will meiner Herde ein gütiger wenn auch strenger Hirte sein. Jedoch, wenn ein Ordensmann wie ich durch die mehr weltliche Position seines Klosters den Fährnissen und Versuchungen der Welt ausgesetzt ist...

Bessarion:            Ehrenwerter Herr Gerwig, nur Gott allein weiß, wozu euch die gerechte und gewissenhafte Ausübung eures Amtes zwingen kann. Nehmt die besondere Gunst, die euch zuteil wurde in Demut entgegen. Doch bedenkt: Diese besondere Gunst betrifft nur eine Todsünde.

Gerwig:            Eminenz, bestellt dem Heiligen Vater meinen allergrößten, meinen allerergebensten Dank.

Bessarion:            Herr Gerwig, sprechen wir nicht mehr davon. Und was die Visitation eures Klosters anbelangt, seid ohne Furcht und unbesorgt. Der Heilige Vater in seiner übergroßen Güte und Barmherzigkeit übt sehr viel Nachsicht mit den Sünden, die aus der allgegenwärtigen Versuchung des Fleisches resultieren. Das Fleisch ist schwach und die Zeiten sind schlecht. Und seid gewiß, auch ich will euch ein gnädiger Visitator sein, wenn ihr mir versprecht, euch um Besserung zu bemühen und versucht zukünftig nach euren Ordensregeln zu leben - vorausgesetzt es gibt bei euch überhaupt Mißstände zu beklagen und ihr zeigt tätliche Reue.

Gerwig:            Hochwohlgeborene Eminenz, eure Güte beschämt uns.

Bessarion:            Ehrenwerter Herr Gerwig, sicherlich werdet ihr mich ebenfalls durch eure freigebige Gastfreundschaft und eure Großzügigkeit beschämen wollen. Ebenso hängt es ja auch davon ab, in welcher Form und Höhe ihr eure aufrichtige Reue zu zeigen bereit seid.

Gerwig:            Eminenz?

Bessarion:            Ich hörte, euer Kloster sei sehr wohlhabend. Laßt uns nun am Besten mit der Visitation eures Weinkellers beginnen, dessen sagenhafter Ruf bereits bis zum Heiligen Stuhl gedrungen ist.

Gerwig:            Eminenz, wenn ihr mir folgen wollt....

                      Gerwig und Bessarion ab

Kanzler:            Das wird teuer.

                      Kanzler ab

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pause

dritter Akt

 

1

 

Kapitelsaal des Klosters - Gerwig sitzt auf seinem Fürstenthron unter einem Baldachin - neben ihm Anna, Agnes, der Kanzler und der gesamte Hofstaat.

 

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, des Klosters Kellermeister, der Weinhändler Herr Jörg Beck, von langer und gefährlicher Kaufmannsfahrt zurückgekehrt, um auf euer fürstlicher Gnaden Geheiß Wein für den klösterlichen Weinkeller zu kaufen, bittet von euch empfangen zu werden.

Gerwig:            Sehr schön. Dann machen wir jetzt eine Weinprobe.

Gerwig winkt - Fanfaren - Jörg Beck, gefolgt von zwei Dienern, die ein Faß tragen, kommt herein

Gerwig:            steht auf  Mein lieber Jörg Beck,  geht ihm entgegen  wie freuen wir uns, ihn zu sehen.

Jörg:            Ich habe für eure fürstliche Gnaden die Winzer der berühmtesten Weinan-baugebiete des Reiches aufgesucht und dort die allerbesten Weine eingekauft.

Gerwig:            Mein lieber Herr Jörg, ich wußte daß wir uns auf ihn verlassen können.

Jörg:            Alle Weine sind von so hoher Qualität, daß ich euer fürstlicher Gnaden davon abraten muß, dieselbigen mit Kräuter und Honig zu versüßen.

Gerwig:            Probieren, mein lieber Jörg, laß er uns probieren!

Jörg:            Euer fürstliche Gnaden, ich habe mir erlaubt, dieses Faß vortrefflichen 1423er Höllenbrunner Mönchszipfels Müller-Thurgau vom Kaiserstuhl gleich direkt zu euer fürstlichen Gnaden zu bringen.

Gerwig:            Na los, worauf wartet er? Ich bin schon sehr gespannt.

Jörg:            Stecht das Faß an!

                                die beiden Diener stellen das Faß auf einen Tisch und stechen es an

Anna:            Herr Jörg, ist euer Wein wenigstens auch süß?

Jörg:            Huldvollste Frau Anna, es überwiegt mehr die vornehme, edle trockene Geschmacksrichtung.

Anna:            Ich trink lieber süßen Wein, ich tu dann Honig rein.

                        Jörg füllt einen großen Weinhumpen ab

Jörg:            Huldvollste Frau Anna, glaubt mir, es wäre schade drum.

                        reicht Gerwig den Humpen - er nimmt den Humpen und kostet - alle blicken gespannt auf ihn - sein zuerst skeptischer Gesichtsausdruck wandelt sich mehr und mehr zu einem Lächeln

Gerwig:            Ja. Ja. Durchaus. Ich muß schon sagen: nicht übel! Gar nicht übel.

                        er setzt nochmals an und trinkt den Humpen in einem Zug leer, blickt grinsend in die Runde - sein Hofstaat applaudiert

Anna:            Ich will auch probieren!

Agnes:            Darf ich auch Wein trinken?

Gerwig:            Freilich, sie ist alt genug. Alle sollen von dem Faß kosten! Aber nur kosten!

                        die Diener beginnen mehrere Gläser abzufüllen - die anderen kosten auch

Anna:            Ich find, er ist sauer.

Gerwig:            Herr Jörg, entschuldige er, doch sie versteht nichts von gutem Wein. Sie ist eben eine Frau.

Jörg:            Erlauben eure fürstliche Gnaden gütigst,  macht eine höfische Verbeugung  daß ich euer fürstliche Gnaden meine Abrechnung überreiche?

Gerwig:            Herr Jörg, er ist unser Freund und wir sind ihm zu Dank verpflichtet, zier er sich nicht. Schließlich hat er großen Aufwand und hohe Ausgaben gehabt und seinen Auftrag vortrefflich erfüllt.

Jörg:            Euer fürstliche Gnaden sind zu gütigst.

                        überreicht Gerwig die Rechnung - dieser steckt sie ein, ohne einen Blick darauf zu werfen

Gerwig:            Wir werden in den nächsten Tagen unsern Kanzler mit dem entsprechenden Betrag zu ihm schicken. Herr Jörg Beck, laß er seine Weinlieferung in den fürstlichen Weinkeller bringen. Geh er in dem Bewußtsein, daß er sich um das Fürstentum verdient gemacht hat.

Jörg:            Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden.

                        Jörg Beck verneigt sich und geht ab, seine Diener folgen ihm

Gerwig:            So. Ihr habt jetzt genug vom guten Wein gehabt. Ihr könnt jetzt auch verschwinden. Anna, laß das Faß in mein Schlafgemach bringen, und paß auf, daß keiner was wegsauft!

 

2

 

Gefolge samt dem Faß Wein ab - auf einen Wink Gerwigs bleibt der Kanzler zurück.

 

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden?

                      Gerwig nimmt die Rechnung und rollt sie auseinander - betrachtet sie kritisch

Gerwig:            Da hat er die Rechnung vom Jörg. 6000 Gulden will er.

Kanzler:            6000? Darf ich eure fürstliche Gnaden untertänigst bitten, doch solche größere Ausgaben künftig mit mir abzusprechen? Zur Zeit seh ich mich leider außerstande, dem Jörg Beck 6000 Gulden auszubezahlen.

Gerwig:            Da hat er recht. 6000 Gulden nur zum Versaufen sind schon viel. Die 6000 Gulden würden sich in meiner Privatschatulle schon besser machen. Herr Kanzler, nimm er die Rechnung, zahl er aber dem Beck nichts. Der Beck ist reich genug und wird’s schon verschmerzen können.

Kanzler:            Sehr wohl, euer fürstliche Gnaden.

                      Kanzler ab - Licht aus - kurze Zwischenmusik

 

3

 

Licht an - ein paar Monate später - Anna und Gerwig beim Schachspiel.

 

Anna:            Und was muß ich jetzt machen?

Gerwig:            Ja. Ich weiß auch nicht. Ich glaube, jetzt muß man mit dem Bauern da nach vorn gehen.

                                Anna rückt mit einen schwarzen Bauern ein Feld vor

Anna:            So. Ist das richtig?

Gerwig:            Jaja.

Anna:            Und was machst du jetzt?

Gerwig:            Jetzt spring ich mit meinem König dahin.

                        überspringt mit seinem König eine Reihe von Bauern

Anna:            Aber Gerwig, das ist doch Unsinn! Vorhin hast du gesagt, daß man den König gut in Deckung halten muß und immer nur ein Feld rücken kann, und jetzt springst du mit dem König herum, als hätt er die Flöh.

Gerwig:            Der König ist die wichtigste Figur im Spiel.

Anna:            Ich find das Spiel langweilig. Muß ich das wirklich lernen?

Gerwig:            Anna, Schach ist das Spiel der Könige. Alle wo von Adel sind, können Schach spielen.

Anna:            Ich bin aber nicht von Adel.

Gerwig:            Schau Anna, im Schach ist’s wie im Leben. Da sind die Bauern, die werden von den großen Figuren weggemetzelt und getauscht, und die Dame setzt den König Schach.

Anna:            Darf ich dich also Schach setzen. Ich bin doch deine Dame. Oder?

                        der Kanzler kommt hinzu

Gerwig:            Aha, schön ihn zu sehen, bringt er mir Geld?

Kanzler:            Leider nicht. Euer fürstliche Gnaden, Herr Jörg Beck wurde schon mehrmals bei mir vorstellig, um den Betrag von 6000 Gulden für die Weinlieferung an euer fürstliche Gnaden anzumahnen. Ich gab ihm jedesmal Bescheid, daß die Rechnung mir zwar vorliegt, euer fürstliche Gnaden mir aber untersagt haben, ihm dieselbe zu begleichen, zumal angesichts zurückgehender Einnahmen und steigender Ausgaben die fürstäbtliche Verwaltung zu sparsamer Haushaltung gehalten ist. Herr Jörg Beck fordert deshalb mit allem Nachdruck, von eurer fürstlichen Gnaden zur Audienz empfangen zu werden.

Gerwig:            Jörg Beck ist wohl ebenso geld- und raffgierig, wie alle anderen Kaufleute seines Standes auch. Er bekommt von uns nichts bezahlt. Wir haben kein Geld! Beck hat dem Kloster getreulich Wein geliefert und wird dafür im nächsten Leben seinen gerechten Lohn empfangen. Wie spricht der Herr: Wer den Armen gibt, dem wird gegeben werden,...oder so ähnlich. Mein Kanzler, hat er denn Jörg Becks Rechnung aufs genaueste geprüft? Bestimmt findet er einen Fehler, wodurch sich die Rechnung anfechten läßt.

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, als euer getreuer Diener habe ich die Rechnung bereits auf das genaueste überprüft. Es findet sich jedoch in ihr nicht der geringste Fehler. Die Rechnung ist hieb- und stichfest.

Gerwig:            Wenn die Rechnung keinen Fehler enthält, dann müssen wir eben Fehler erfinden. Behaupte er einfach, die Rechnung sei um 30 Gulden zu hoch ausgestellt.

Kanzler:            Soll ich das jetzt dem Beck sagen? Er wartet noch draußen.

Gerwig:            Das überlaß er getrost mir. Der Beck soll reinkommen!

 

4

 

Der Kanzler winkt den Jörg Beck herein.

 

Kanzler:            Seine fürstliche Gnaden empfängt ihn jetzt!

Jörg:            Eure fürstliche Gnaden, entschuldigt, daß ich euch behelligen muß, doch muß ein Versehen vorliegen.

Gerwig:            reserviert  Ein Versehen?

Jörg:            Ja, euer fürstliche Gnaden. Euer fürstliche Gnaden Kanzlei hat es nämlich leider bis heute versäumt, die Rechnung für eurer Gnaden Weinlieferung, die euer Gnaden, huldvollst von mir entgegenzunehmen bereit war, zu begleichen.

Gerwig:            scharf  Herr Jörg Beck, nehm er zur Kenntnis, daß wir von ihm hoch enttäuscht sind.

Jörg:            erstaunt  Euer fürstliche Gnaden, ich versteh nicht. Seid ihr mit dem Wein denn nicht zufrieden?

Gerwig:            Mit eurem Wein sind wir hoch zufrieden. Höchst unzufrieden sind wir mit eurem Versuch, uns listig und heimtückisch zu betrügen.

Jörg:            bestürzt  Euer Gnaden, ich soll versucht haben, euch zu betrügen?

Gerwig:            Wir glaubten in ihm einen rechtschaffenden Mann vor uns zu sehen, doch wie haben wir uns getäuscht. Glaubt er den wirklich, daß wir nicht gemerkt haben sollten, wie er uns in betrügerischer Absicht eine falsche Rechnung untergeschoben hat?

Jörg:            Eine falsche Rechnung? Meine Rechnung stimmt auf Heller und Pfennig.

Gerwig:            Für 30 Gulden hat er zuviel Wein berechnet. Mein Kanzler ist ein braver Mann, er hat alles genau überprüft.

                        der Kanzler schweigt betreten

Jörg:            Euer fürstliche Gnaden sagten selbst, ich sein euer Freund und ihr wäret mir einiges schuldig. Wie könnt ihr mich jetzt des Betruges bezichtigen?

Gerwig:            Er hat sich unserer Gunst und Freundschaft als unwürdig erwiesen! Soll ich ihm sagen, was er ist? Ein Erzbube und Bösewicht ist er!  steigert sich  Ein hinterfotziger Betrüger ist er!  schreit  Ein ganz elends malefikanter Saukerl! Einen Fürsten des Reiches will er übers Ohr hauen! Einen Mann Gottes!

Jörg:            schreit ebenfalls  Euer Gnaden vergreifen sich ganz entschieden im Ton!

Gerwig:            brüllt zurück  Halt er jetzt sein schimpfliches Maul! Ein malefikanter ehrloser Erzschelm ist er! Wir werden ihn vor unser fürstliches Hochgericht stellen, da wird er dann schon seine gerechte Strafe für seine Missetat bekommen.

Jörg:            ruhig  Ich bin ein freier Bürger der Reichsstadt Kempten. Ihr könnt mich nicht wie einen eurer Untertanen vor euer Gericht stellen. Dennoch ist es für mich unerträglich, euren Vorwurf auf mir sitzen zu lassen. Ich werde auf eigene Kosten nochmals zu meinen Weinlieferanten reisen und mir durch eidesstattliche Versicherung die Richtigkeit meiner Abrechnung bescheinigen lassen. Dann werdet ihr bezahlen müssen!

                        Jörg dreht sich um und geht

Gerwig:            wieder ganz Ruhig mit freudigem Gesichtsausdruck  Nun mein Kanzler, da haben wir jetzt 6000 Gulden gespart und sind kostenlos zu unserem Wein gekommen.

Kanzler:            Wenn das eure fürstliche Gnaden nicht noch teuer zu stehen kommt.

Gerwig:            Was?

                        Kanzler ohne Verbeugung ab

Anna:            Aber Gerwig, warum bezahlst du ihn nicht? Jörg Beck ist ein ehrlicher Mensch. Schau, er hat dir für 6000 Gulden Wein geliefert, jetzt mußt du ihm auch die 6000 bezahlen.

Gerwig:            Das Kloster hat aber kein Geld, weil die Diener alles in die eigene Tasche stecken.

Anna:            Warum bestellst du für 6000 Gulden Wein, wenn du’s nicht zahlen kannst.

Gerwig:            Du bist ein dummes Weib! Ich bin ein Fürst des Heiligen Römischen Reiches, und wenn ich keine Lust habe, eine Rechnung zu bezahlen, dann hab ich eben keine Lust!

                        Gerwig ab - Licht aus

 

5

 

Licht an - Anna mit Agnes beim Schachspiel.

 

Agnes:            Warum will Onkel unbedingt, daß du Schach lernst?

Anna:            Weil alle Adligen Schach spielen können. Du sollst deinen Vater nicht Onkel nennen. Das hab ich dir schon oft gesagt.

Agnes:            Er hat mir aber erklärt, daß ich vor den Leuten nicht Vater zu ihm sagen darf. Das macht vor den Leuten keinen guten Eindruck, sagt er, weil er ein geistlicher Herr ist. Drum sag ich halt Onkel zu ihm.

                        Kathrin und Jörg Becks Frau Maria kommen hinzu

Kathrin:            Das ist die Maria Beck, die Frau vom Weinhändler.

Maria:            Gnädige Frau Anna, mein Mann bat mich, zu euch zu gehen.

Anna:            Einen Augenblick. Kathrin, warte draußen und nimm die Agnes mit!

Kathrin:            Ja. Schon gut.

                        Kathrin und Agnes ab

Anna:            Jetzt könnt ihr frei sprechen.

Maria:            Gnädige Frau Anna, mein Mann Jörg grämt sich sehr wegen des Vorwurfs, den der Abt gegen ihn erhoben hat. Ich wollte deshalb mit euch sprechen. Wir Frauen sind verständiger als unsere hitzköpfigen Männer, und die Leute sagen, daß ihr einen wohltuenden Einfluß auf den Abt besäßet.

Anna:            Ich weiß nicht, ob ich euch helfen kann.  schreit  Kathrin! Kathrin!

                        Kathrin kommt hinzu

Kathrin:            Zuerst schickt man mich raus und gleich drauf ruft man mich wieder.

Anna:            Erstens hast du sowieso gelauscht und zweitens brauch ich Honig. Der Wein ist mir sonst zu sauer. Oder haben wir vielleicht noch was von dem neuen Zeug? Das von den Türken kommt. Von diesem Zucker?

Kathrin:            Ja. Zucker haben wir noch, aber der Abt meint, wir sollen’s sparsam verwenden, es sei sehr teuer.

Anna:            Mir ist wurscht, was der meint. Kathrin, bring mir was von diesem Zucker

                        Kathrin ab

Maria:            Mein Mann ist heute in aller Frühe in den Breisgau aufgebrochen. Damit ihm seine Lieferanten eidesstattliche Erklärungen ausstellen, und er die Richtigkeit seiner Rechnung beweisen kann, auf das seine Ehre wiederhergestellt ist. Gleichzeitig bat er mich, in Erfahrung zu bringen, weswegen er beim Herrn Abt in Ungnade gefallen ist, und er diesen ungeheuerlichen Vorwurf gegen ihn erhebt. Mein Mann kennt den Herrn Abt schon seit über zwanzig Jahren, hat ihn aus einer üblen Spelunke ins Kloster geholt und versteht jetzt die Welt nicht mehr.

                        Kathrin kommt mit dem Zucker zurück - Anna rührt sich zwei Löffel Zucker in ihren Wein - Kathrin bleibt

Anna:            Liebe Frau Beck, ich glaube ich kann nicht für euch tun. Seine fürstliche Gnaden gibt eben ungern Geld aus. Euer Mann ist nicht der einzige, der Geld vom Kloster zu bekommen hat. Schon einige Gläubiger meinten, sie müßten einen Prozeß gegen den Fürstabt anstreben, aber sagt eurem Mann, daß er damit nichts erreicht. Das einzige, was hilft ist Geduld. Euer Mann soll halt schauen, daß er durch Wohlverhalten die fürstliche Gunst zurückgewinnt, vielleicht bekommt er ja dann doch noch sein Geld. Mit Sturheit, Frau Beck, ist da aber nichts zu machen. Mehr kann ich euch nicht sagen.

Maria:            Könnt ihr denn gar nichts für uns tun?

Anna:            Frau Beck, ich bin schon so lange in der fürstlichen Gnade, weil ich eben nirgendwo dreinrede. So solltet ihr es auch halten.

                        Maria Beck verneigt sich und geht

Anna:            Siehst du Kathrin, die Bürgersleut haben jetzt Respekt vor mir, sogar verneigt hat sie sich.

Kathrin:            Soso. Und dein dicker Gerwig prellt scho’ wieder einen ehrlichen Kaufmann.

                        Anna steht auf und geht auf Kathrin los

Anna:            Das geht dich doch gar nichts an. Du unverschämtes Mensch! Du hast doch dein Auskommen!

                        beide ab - Licht aus

 

6

 

Licht an - Gerwig liegt mit einem Gichtanfall im Bett, dennoch nagt er an einem Brathähnchen und hat einen Humpen Wein neben sich - vor ihm steht der Kanzler.

 

Kanzler:            Hat sich euer fürstliche Gnaden Befinden gebessert?

Gerwig:            Ach, ‘s tut immer noch höllisch weh. Der Leibarzt sagt, ‘s ist die Gicht. Auf Diät wollt er mich setzen, aber der Leibarzt ist ein Schleppsack. Den alten Pilgrim hat er damals auch vergiftet. Und er, bringt er Geld?

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, die Steuern, der Zins und die anderen Abgaben sind erst im nächsten Monat fällig. Ich bin gekommen, um euer fürstliche Gnaden in Kenntnis zu setzen, daß der Herr Nikolaus von Giersingen beabsichtigt, den Minoriten bei Fischen auf eigene Kosten ein Kloster zu bauen.

Gerwig:            Ich hab doch ausdrücklich verboten, denen einen Bauplatz zu verkaufen. Ich will diese Bettelmönche im Allgäu nicht leiden! Wenn der einfache Bauer und Leibeigene ständig dieses Pack vor Augen hat, untergräbt das die Moral. Mönche, die freiwillig in Armut und im Zölibat leben! Wo kommen wir denn da hin!

Kanzler:            Eben deshalb hab ich eurer Gnaden sogleich Mitteilung gemacht.

Gerwig:            Wir müssen’s dem Giersingen verbieten.

Kanzler:            Der Giersingen ist ein freier Herr und kein klösterlicher Lehnsmann.

Gerwig:            Dann kaufen wir ihm einfach seine ganze Herrschaft bei Fischen ab. Mach er ihm ein günstiges Angebot.

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, der Ankauf einer neuen Herrschaft wird einige tausend Gulden kosten.

Gerwig:            Mach er sich keine Gedanken, bis der Kaufpreis erst mal fällig ist, ist das Franziskanerpack schon lang weitergezogen. Er muß den Giersing halt ein wenig hinhalten.

Kanzler:            Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden. Euer Gnaden, der Jörg Beck ist mit den eidesstattlichen Erklärungen zurück und verlangt von euch Gehör.

Gerwig:            Potzteufelsakrament! Er sieht doch, daß wir leiden. Will er uns vor der Zeit ins Grab bringen? Wir haben die Gicht. Sag er diesem malefikanten Erzschelm, er solle Land gewinnen!

Kanzler:            Ich werd’s dem Jörg Beck bestellen.

Gerwig:            Nein. Wir wollen diese leidige Angelegenheit endlich beenden. Bring er den Weinhändler zu mir!

Kanzler:            Sehr wohl, euer fürstliche Gnaden.  ruft nach draußen  Er soll reinkommen!

                        Jörg Beck kommt mit einigen Schriftstücken hinzu

Gerwig:            richtet sich im Bett auf  Komm er näher! Er sieht uns leidend. Da wir deshalb ausgiebig Zeit und Gelegenheit hatten, uns tiefere Gedanken über die Vergänglichkeit und Nichtigkeit alles Irdischen zu machen, wollen wir jetzt auch ihm Vergebung zuteil werden lassen. Nehme er erleichterten Herzens zur Kenntnis, daß wir eingedenk unserer alten Freundschaft den ganzen Vorfall, der unser gutes Einvernehmen belastet, vergessen wollen.

Jörg:            Es freut mich sehr, euer fürstliche Gnaden, daß ihr die Unhaltbarkeit und Unrichtigkeit eures Vorwurfs erkannt habt. Wie ihr wißt, nahm ich erneut die Gefahren einer langen Reise auf mich und kann euch heute diese Schriftstücke meiner Weinlieferanten vorlegen, die an Eides statt alle die Richtigkeit der einzelnen Posten meiner Abrechnung bestätigen.

Gerwig:            gereizt  Lieber Jörg, haben wir uns undeutlich ausgedrückt? Wir wollen von all dem nichts mehr hören!

Jörg:            Euer fürstliche Gnaden, ich will euch nicht länger behelligen. Ihr werdet jetzt sicherlich eurem Kanzler erlauben, mir den schuldigen Betrag auszube-zahlen.

Gerwig:            Potzteufelsakrament! Wir haben ihm vergeben, und wollen jetzt nichts mehr davon hören!

Jörg:            Wenn euer fürstliche Gnaden gnädigst erlauben, werde ich den Betrag von 6000 Gulden nicht vergessen. Ich mußte Vorauszahlungen leisten. Ich stehe in der Schuld meiner Lieferanten. Wollt ihr mich ruinieren?

Gerwig:            Will er leichtfertig aufs Neue unsere Gunst aufs Spiel setzen?

Jörg:            Ich bestehe auf die mir zustehende Bezahlung! Von euer Gunst kann ich mir nichts kaufen!

Gerwig:            höchst erregt  Er ist ein miserabliger Hundsfot! Er bekommt von uns keinen Pfennig!

Jörg:            aufgebracht  Diese Schriftstücke beweisen meine Unschuld! Ihr müßt bezahlen, ob ihr wollt oder nicht.

Gerwig:            brüllt  Du malefikanter Sauhund! Was glaubt er, mit wem er spricht? Seine Schriftfetzen sind keinen Pfifferling wert! Die kümmern uns einen feuchten Scheißdreck! Mach er jetzt nur, daß er verschwindet und wenn er uns nochmal vor’s Gesicht kommt, lassen wir ihn für den Rest seines Lebens ins Eisen schlagen!

Jörg:            ruhig  Wie ihr wollt. Ich werde euch verklagen, vor dem Kaiser und wenn’s sein muß, vor dem Papst. Ihr werdet noch sehen, ich komme zu meinem Geld!

                        dreht sich um und geht

Gerwig:            schreit und wirft ihm Gegenstände hinterher  Ein dreckiger Erzschelm ist er! Ein lausiger und ehrloser Erzbube! Es gibt kein irdisches Gericht, vor dem er uns verklagen kann! Es gibt kein Gericht das über uns richten darf! Wir sind ein Fürst von Gottes Gnaden!

Kanzler:            Euer Gnaden, beruhigt euch. Ich bitte euch, beruhigt euch. Denkt an eure Gicht!

Gerwig:            Merk er sich’s: Der Jörg bekommt von uns keinen Pfennig!

                                Licht ab - kurze Zwischenmusik

 

7

 

Licht an - eineinhalb Jahre später, Herbst 1459 - der klösterliche Folterkeller - ein Bauer, der in ein gefährlich aussehendes Foltergerät eingespannt ist, wird vom Folterknecht peinlich verhört - daneben, an einem Tisch, sitzt Gerwig, neben im steht der Kanzler.

 

Gerwig:          Na mein lieber Kanzler, wie sieht’s aus? Macht er Fortschritte?

Kanzler:            Das Vorhaben eurer fürstliche Gnaden, die Anzahl der freien Bauern und Freizinser zu reduzieren und zu Leibeigenen zu machen, geht nur langsam vorwärts. Knecht, wie viele schaffen wir am Tag?

Knecht:            Herr, das ist unterschiedlich. Manche Bauern sind so halsstarrig, daß es Stunden dauert. Wenn’s gut geht, dann schaff ich fünf am Tag.

                      Kathrin kommt hinzu

Kathrin:            Euer fürstliche Gnaden, der Vesperimbiß.

Gerwig:            Recht so. Stell sie’s her!

                      sie stellt einen Teller mit einer Schweinshaxe und einen Krug Wein auf den Tisch

Kathrin:            Euer fürstliche Gnaden, was hat der da verbrochen?

Gerwig:            Kind, sei sie nicht so neugierig! Auf das sie sich nicht versündigt.

Kathrin:            Ja, ich geh schon.

                      Kathrin ab - Gerwig beginnt mit großem Appetit, vom Schweinshaxen zu essen

Gerwig:            Der hier hat auch noch nicht gestanden?

Knecht:            Nein Herr.

Gerwig:            Dann fahrt mit der peinlichen Befragung fort!

                      der Kanzler wendet sich dem Bauern zu

Kanzler:            Gesteht er endlich, daß er ein klösterlicher Leibeigener ist?

Bauer:            gepreßt  Ich bin ein Freier.

                      der Kanzler gibt dem Knecht ein Zeichen, dieser dreht an einem Rad - der Bauer stöhnt auf

Kanzler:            Gibt er endlich zu, daß seine Mutter in Wahrheit eine Leibeigene war und er nach dem Gebrauch der ärgeren Hand folglich jetzt auch ein Leibeigener ist? Wird er jetzt die Verpflichtung unterzeichnen, Notzins und ablösigen Zins zu zahlen, ferner rückwirkend den Fall und die Fastnachtshennen dem Kloster zu entrichten? Na? Was sagt er?

                      gibt dem Knecht wieder ein Zeichen, der dreht an dem Rad weiter - der Bauer schreit auf

Kanzler:            Hat er sich jetzt besonnen?

Bauer:            Nein.

Gerwig:            Das geht wirklich zäh.

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, diese Allgäuer Bauern sind sture Hund!

                      Gerwig steht auf und geht zu dem Bauern

Gerwig:            Meint er, er kann uns hindern, aus ihm einen braven Untertanen zu machen? Es geht nicht an, daß in unserem Herrschaftsbereich so viele freie Bauern leben. Ein freier Bauer bringt uns nichts ein. Und die Freizinser weigern sich immer wieder ihre dem Kloster zustehenden Abgaben zu zahlen. Nur ein leibeigener Untertan ist ein guter Untertan! Will er weiterhin so störrisch sein, wird der Folterknecht ihm noch alle Knochen brechen.

Knecht:            Worauf sich euer fürstliche Gnaden verlassen können.

Gerwig:            Am Ende wird er doch noch zugeben, ein Leibeigener zu sein. Dann soll er schauen, wie er mit seinen gebrochenen Knochen dem Kloster Frondienst leistet. Verlaß er sich ja nicht auf unsere christliche Barmherzigkeit, die gebührt nur guten Untertanen.

                      Kathrin kommt wieder hinzu

Kathrin:            Euer fürstliche Gnaden, da sind drei Eilkuriere, die euer fürstliche Gnaden zu sprechen begehren.

Gerwig:            Was? Gleich drei?

Kathrin:            Ja. Euer fürstliche Gnaden. Sie sagen, sie hätten gerichtliche Urkunden, die sie nur euch direkt übergeben dürften.

Gerwig:            Potzteufelsakrament! Gerichtliche Urkunden? Ist’s wegen dem Jörg?

Kathrin:            Das weiß ich ja nicht, euer fürstliche Gnaden.

Gerwig:            Freilich ist’s wegen dem Jörg! Die drei Kuriere lassen wir in die Iller werfen!

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, ihr solltet sie wenigstens anhören. In die Iller können wir sie später auch noch werfen.

Gerwig:            Die Sache wird uns allmählich arg verdrießlich! Kathrin, bring sie her!

Kanzler:            In den Folterkeller?

Gerwig:            Das ist doch die passende Umgebung.

                      Kathrin ab

Gerwig:            zu dem Bauern  Was den anbelangt, so lassen wir für heute Gnade vor Recht ergehen.

Knecht:            Freilassen, euer Gnaden?

Gerwig:            Aber nein! Wo denkt er hin? Nur für heute lassen wir Gnade vor Recht ergehen. Morgen geht’s wieder weiter, in alter Frische!

Knecht:            Sehr wohl, euer Gnaden.

                      bindet den Bauern los und winkt zwei Gehilfen herbei, die den Bauern hinaus tragen

Gerwig:            Wenn der malefikante Saukerl von Weinhändler schon so vermessen ist, uns gerichtlich anzuklagen und von Gericht zu Gericht läuft, so wird doch kein Gericht so vermessen sein, gegen uns ein Urteil zu sprechen.

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, wäre es nicht besser gewesen, wenigstens einen Vertreter euer fürstlichen Gnaden an die Gerichte zu senden?

Gerwig:            Mein lieber Kanzler, es wäre unter unserer Würde und unserem Stand und gegen das Recht, wollten wir ein fremdes Gericht anerkennen.

 

8

 

Die drei Eilkuriere kommen hinzu.

 

Kurier 1:            Euer fürstliche Gnaden, das höchste kaiserliche Hofgericht zu Rottweil sendet mich zu eurer fürstlichen Gnaden, euch den urkundlich notierten höchstrichterlichen Spruch in der Klage des Herrn Jörg Beck aus Legau wider eure fürstliche Gnaden, Gerwig von Sulmentigen, Fürstabt der Grafschaft zu Kempten, auf Zahlung von 6000 Gulden persönlich zu überbringen.

Gerwig:            Jaja. Gib er’s schon her!

                        reißt dem Kurier die Urkunde aus der Hand und gibt sie dem Kanzler

Gerwig:            Nun, was steht drin?

                        der Kanzler überfliegt die Urkunde

Kanzler:            Das höchste kaiserliche Hofgericht....in Abwesenheit des Beklagten....nach Vorlage eidesstattlicher Erklärungen....undsoweiter....ergeht folgender Spruch...Euer fürstliche Gnaden, hier steht, ihr müßt dem Beck die 6000 zuzüglich Verzugszinsen und gerichtlichen Aufwand zahlen und obendrein auch noch die Gerichtskosten!

                        Gerwig nimmt ihm die Urkunde aus der Hand und gibt sie dem Kurier zurück

Gerwig:            Da! Nimm er’s, und bring er’s dem Hofgericht zurück! Sag er den Herrn Richter, sie sollen sich’s sonstwohin stecken, der Fürstabt von Kempten ist von allen auswärtigen Gerichten befreit!

Kurier 1:            verneigt sich  Euer Gnaden.

Kurier 2:            Euer fürstliche Gnaden, das Gericht der Westfälischen Feme sendet mich zu eurer fürstlichen Gnaden, euch den urkundlich notierten höchstrichterlichen Spruch in der Klage des Herrn Jörg Beck aus Legau wider eure fürstliche Gnaden,....

Gerwig:            Jaja. Schon gut.

                        der Kurier will dem Abt die Urkunde überreichen

Gerwig:            Behalt er’s! Und er?

Kurier 3:            Euer fürstliche Gnaden, das höchste päpstliche Gericht zu....

Gerwig:            Das reicht schon!

Kurier 3:            Sehr wohl, euer fürstliche Gnaden.

Gerwig:            aufbrausend  Meine Herren, seht zu, daß ihr schnell von dannen kommt, bevor wir euch samt euren Urkunden in die Iller werfen lassen! Falls ihr für die Nacht unsre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen wollt, könnt ihr euch zu den Schweinen und Sauen in den Pfuhl legen!  die Kuriere verneigen sich und gehen  Bestellt euren Herren, sie können mich gemeinsam....ruhig  Nein! Das sagen wir jetzt nicht. Wir sind ja nicht der Götz von Berlichingen. Herr Kanzler.

Kanzler:            Ja, eure fürstliche Gnaden.

Gerwig:            Wiewohl kein weltliches Gericht uns anzufechten vermag, ist es dennoch an der Zeit, dem malefikanten Saukerl von Weinhändler einen passenden Denkzettel zu verpassen. Kanzler, laß er den Beck und alle, die zu ihm gehören, festnehmen und gefänglich auf die Burg Wolkenberg ins tiefste Verlies werfen.

Kanzler:            Sehr wohl, euer fürstliche Gnaden.

                        Licht aus - beide ab

 

9

 

Licht an - fürstäbtliches Schlafzimmer - Anna im Himmelbett, schlafend - Kathrin kommt hinzu.

 

Kathrin:            Gnädige Frau Anna. Wacht auf!

Anna:            Was? Kathrin, was ist denn? Ich halte Mittagschlaf, den brauch ich für meine Gesundheit und für die Schönheit ist er auch gut.

Kathrin:            Der dicke Gerwig, ich meine seine fürstliche Gnaden, ist dabei, ein großes Unrecht zu tun.

Anna:            Das macht er doch scho’ seit Jahren so. Außerdem Kathrin, du dummes Ding, alles, was mein Gerwig tut, ist Rechtens. Er ist schließlich der Fürstabt.

Kathrin:            Er will den Jörg Beck auf die Festung bringen lassen.

Anna:            Da geschieht dem sturen Holzkopf ganz recht.

Kathrin:            Aber auch alle, die zu ihm gehören sollen ins Verlies. Tut es euch um die Frau Beck nicht leid? Eigentlich hat der Beck ja nichts schlimmes angestellt. Er will ja bloß sein Geld.

Anna:            Der Beck braucht kein Geld. Aber um die arme Frau tut’s mir wirklich leid. Sollen die Männer sich die Köpfe einschlagen, solange sie uns Frauen in Ruhe lassen. Kathrin, woher weißt du das alles? Hast du gelauscht?

Kathrin:            Wie ihr seht, ist das manchmal von großem Nutzen. Sollen wir die Frau Beck warnen.

Anna:            Du meinst....aber wenn der Gerwig was rausbekommt?

Kathrin:            Der bekommt nichts raus. Dafür sorg ich schon.

                                Kathrin ab - Licht aus

 

10

 

Licht an - immer noch Schlafzimmer - Gerwig wird von Kathrin und einem Diener ausgekleidet - Walter von Hohenegg, stiftskemptischer Landvogt kommt hinzu.

 

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, dem Weinhändler Jörg Beck gelang es sich flüchtig der gefänglichen Festnahme zu entziehen.

Gerwig:            Was? Der malefikante Saukerl ist euch entwischt?

Hohenegg:            Als wir grad’s Portal aufgebrochen haben, hat er durch den Hof das Weite gesucht.

Gerwig:            Dann habt ihr alles versaut!

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, mir scheint, der Beck ist gewarnt worden.

Gerwig:            Gewarnt? Nein, das kann nicht sein.

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, wir konnten immerhin der Frau Maria Beck und seines Vaters habhaft werden.

Gerwig:            Naja, der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Bring er die Becksche her!

                        Walter von Hohenegg ab

Anna:            Ins Schlafzimmer? Gerwig muß das sein, daß du jetzt scho’ im Schlafzimmer Audienz hältst und die Knecht aus und ein laufen?

Gerwig:            Das ist grad modern. Der Heilige Vater hält jetzt auch jeden morgen in seinem Schlafzimmer große Audienz.

                        Hohenegg bringt Maria Beck in Ketten herein

Gerwig:            Soso. Dann ist er also flüchtig, ihr Gatte, der malefikante Hundsfot?

Maria:            Ja. Er konnte euren Knechten gerade noch entkommen.

Gerwig:            Sicherlich wird sie uns auch gleich wissen lassen, wohin der Erzschurke entflohen ist.

Maria:            Ich weiß nicht.

Gerwig:            Ist er in die Reichsstadt entkommen?

Maria:            Von mir hört ihr nichts. Ich weiß nichts.

Anna:            Warum, Frau Beck, habt ihr nicht auch zur rechten Zeit das Weite gesucht?

Maria:            Wer konnte denn schon wissen, das der Herr Abt in seinem Rechtsbruch so weit geht und eine unschuldige, rechtschaffende Frau als Geisel nimmt.

Gerwig:            Halt sie ihr freches Mundwerk! Wenn sie uns nicht freiwillig sagen will, wohin der Jörg ist, dann weiß sie bestimmt, daß wir durchaus über geeignete Mittel verfügen, sie gesprächig zu machen. Herr von Hohenegg, bringt sie auf die Burg Wolkenberg, und morgen schick ihr den Folterknecht zur hochnotpeinlichen Befragung.

                        Licht aus - Hohenegg, Maria Beck, Kathrin und Diener ab

 

Vierter Akt

 

1

 

Nacht - schwache Beleuchtung - immer noch im fürstäbtlichen Schlafzimmer - Gerwig und Anna im Himmelbett schlafend - von draußen hört man Stimmen, Hohenegg und Kathrin.

 

Kathrin:            Wißt ihr, wie spät’s ist?

Hohenegg:            Das ist jetzt wurscht!

Kathrin:            Aber doch nicht mitten in der Nacht.

Hohenegg:            Dummes Frauenzimmer! Der Schweitzer kommt!

Kathrin:            Der Schweitzer?

                      Gerwig und Anna werden wach - Gerwig nimmt eine Laterne

Anna:            Gerwig, was ist das?

Gerwig:            Bestimmt sind die Schleppsäck besoffen. Ordinäres Volk! Denen werd ich helfen. In den Schweinepfuhl....

Hohenegg:            Zum Teufel. Der Schweitzer ist im Anmarsch.

Kathrin:            Ihr habt getrunken!

Gerwig:            Potzteufelsakrament! Was macht ihr für ein Geschrei?

                      Hohenegg und Kathrin kommen herein

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, der Schweitzer kommt!

Kathrin:            Ich glaub, er hat getrunken.

Gerwig:            Herr von Hohenegg, erklärt euch genauer!

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, wir wissen jetzt, wohin der Beck entflohen ist.

Gerwig:            Na also, das ist doch gut.

Hohenegg:            Zu den Eidgenossen ist er entwischt. Zu den Appenzellern.

Gerwig:            Wir kennen nur Käse, der so heißt.

Hohenegg:            Dort im Kanton Appenzell, euer fürstlich Gnaden, hat der Beck auf eigene Kosten an die 334 schweitzerische Söldner samt Hauptmann und Fähnerich angeworben, und mit dieser Streitmacht zieht der Beck nun gegen Kempten. Sie sind schon kurz vor Isny.

Gerwig:            Was?  höchst erregt  Dieser hundsmiserablige Erzschurke! Dieser malefikante Saukerl von Weinhändler! Was maßt sich dieser Erzbube an? Das ist offener Landfriedensbruch! Jetzt müssen mir der Kaiser und alle Reichsfürsten beistehen.

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, darauf sollten ihr euch nicht verlassen.

Gerwig:            Jaja, wir wissen’s schon, diese Schleppsäck dulden jeden Rechtsbruch. Aber 300 Söldner, das sind doch nicht so viele, mit denen wird die stiftskemptische Streitmacht doch fertig. Herr von Hohenegg, wieviele Kriegsknechte haben wir?

Hohenegg:            ‘s müßten gegen 2000 Mann sein, euer fürstlich Gnaden.

Gerwig:            Na also, ihr seid dem Beck fast siebenmal überlegen.

Hohenegg:            Aber euer fürstlich Gnaden, ihr kennt den Schweitzer nicht! Der Schweitzer war bisher in allen Schlachten unbesiegt. Die prächtigsten kaiserlich-habsburgischen Ritterheere hat er hingemetzelt.

Gerwig:            Malt doch nicht den Teufel an die Wand! Hat im ganzen Heiligen Römischen Reich schon einmal ein Kaufmann, ein Krämer und Händler, einen Fürsten besiegen können?

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, es wird aber mindestens zwei Wochen dauern, bis wir die stiftskemptische Streitmacht beisammen haben und ein wenig exerziert müssen wir auch noch.

Gerwig:            Warum? Sind die faulen Kerle nur mit fressen und saufen beschäftigt?

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, da euer fürstlich Gnaden Soldzahlungen nur selten gesehen werden, tun sie nebenher Gutswerk.

Gerwig:            Gutswerk?

Hohenegg:            Manche arbeiten als Tagelöhner, andere als Krämer oder Hurenwirt, dann gibt’s noch andere, die schenken Bier aus.

Gerwig:            Herr von Hohenegg, macht, daß ihr eure Leute zusammenbringt! Macht euch Gedanken, wie wir den Schweitzer am besten besiegen können, schließlich seid ihr ein Kriegsmann und kein Waschweib! Und schickt den Kanzler zu uns!

Hohenegg:            Ja. Euer fürstlich Gnaden.

 

2

 

Hohenegg verneigt sich und geht.

 

Gerwig:            zu Kathrin  Und sie? Hat sie wieder alles mithören müssen? Sie ist ein neugieriges Weibstück!

Kathrin:            Schon recht, euer fürstliche Gnaden, ich geh ja schon!

                            Kathrin ab

Anna:            Gerwig, ist das Kloster denn sicher? Wir haben keine feste Mauer. Sollten wir nicht in die sichere Reichsstadt gehen?

Gerwig:            Was? Zu den ehrlosen und vollgefressenen Städtern?

Anna:            Ich dacht, du hättest ein Schutz und Trutzbündnis mit der Stadt?

Gerwig:            Das wird den Spitzbuben wurscht sein. Wir haben uns ja auch nicht drum gekümmert. Außerdem ist das alles ganz Recht. Der Beck rennt in sein Unglück. Die Reichsacht wird man über ihn verhängen. All sein Hab und Gut werden wir einziehen. Daß der Erzschurke soviel Geld hat, sich 300 Söldner zu mieten, zeigt, daß er auf unsere 6000 Gulden gar nicht angewiesen ist.

                      der Kanzler kommt hinzu

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, eben hab ich die schlimme Nachricht erfahren.

Gerwig:            Mein lieber Kanzler, wir müssen Zeit gewinnen. Reist ihr dem Beck entgegen. Haltet ihn solang hin, wie ihr nur könnt. Macht ihm alle Zugeständnisse, die er verlangt. Erinnert ihn daran, daß wir die seinigen, insbesonders sein Weib in unserer Gewalt haben. Redet ihm ins Gewissen, welche Folgen ein Landfriedensbruch zeitigt. Droht ihm mit der Reichsacht. Bittet den Abt von Isny um seine Vermittlung. Herr Kanzler wir brauchen zwei Wochen.

Kanzler:            Sehr wohl euer Gnaden.

Gerwig:            Erinnert vor eurer Abreise noch die Schleppsäck in der Reichsstadt an unser Schutz und Trutzbündnis.

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, das wird denen....

Gerwig:            Wurscht sein. Wir wissen’s. Macht’s trotzdem. Vielleicht bringt’s ja was.

Kanzler:            Sehr wohl, euer fürstliche Gnaden.

                      Kanzler ab

Anna:            Gerwig, schau, meinst du nicht, ‘s wär besser, wir brächten scho’ mal das unsrige auf die Seite? Der Teufel ist ein Eichhörnchen, und ‘s ist manchmal doch besser, wenn man rechtzeitig von der Bühne verschwindet.

Gerwig:            Was? Die werden uns schon noch kennenlernen.

Anna:            Aber schau doch Gerwig, ‘s wär halt sicherer.

Gerwig:            Annalein, nimm die Kathrin und die Agnes und pack vorsichtshalber im Geheimen schon mal das unsrige zusammen. Aber ‘s darf keiner merken. Dann nimmst du zwei verschwiegene Knecht, die sollen in der Nacht unserere Geldtruhe in eine unauffällige Kutsche tragen. Mit der fährst du dann nach Memmingen. Die Kathrin und die Agnes nimmst du mit.

Anna:            umarmt ihn  Gerwig, ich wußt doch, daß du ein einsehen hast.

Gerwig:            Aber paß auf Anna. ‘s darf keiner was merken. Und achte mir besonders auf die Geldtruhe! Das ist unser ganzes Vermögen. Das haben wir in jahrelanger Arbeit aus den Klostereinnahmen abgezwackt und den Bauern abgerungen.

Anna:            lacht vergnügt  Ich wird’s wie meinen Augapfel hüten. Darauf kannst du dich verlassen.

                      Anna ab - Licht aus

 

3

 

Kurze Zwischenmusik - zwei Wochen später - Licht an - Gerwig empfängt den Kanzler und den Hohenegg, der von einem Feuerschützen begleitet wird.

 

Gerwig:            Mein Kanzler, schön, daß ihr wieder zurück seid.

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, wir haben mit Friedensverhandlungen den Jörg zwei geschlagene Wochen hingehalten. Am Schluß ist ihm jedoch der Geduldsfaden gerissen. Er ist jetzt mit seinem Söldnerhaufen wieder auf dem Marsch gegen euer Gnaden und wird vermutlich morgen auf dem Buchenberg stehen.

Gerwig:            Das habt ihr gut gemacht. Herr von Hohenegg, habt ihr euch Gedanken gemacht, wie sich der unbesiegbare Schweizter doch noch besiegen läßt?

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, der Schweitzer ist unbesiegbar, weil der Schweitzer mit dem Teufel unter einer Decke steckt. Der Schweitzer hat keine Ehr im Leib, deshalb kämpft er nicht wie ein Ehrenmann mit dem Schwert von Mann zu Mann, sondern mit dem Spieß und der Hellebarden im Haufen, unehrenhaft und heimtückisch.

Gerwig:            Herr Walter von Hohenegg, also, wie wollt ihr den Schweitzer schlagen?

Hohenegg:            Da der Schweitzer schon mit den Mächten der Finsternis im Bunde steht, muß man ihn eben auch mit den Waffen des Teufels schlagen. Den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Wir schlagen den Schweitzer mit dem Feuerrohr!

Gerwig:            Was sagt ihr? Mit dem Feuerrohr? Was ist das für ein Ding?

Hohenegg:            Eure fürstlich Gnaden, das Feuerrohr ist eine ganz neue diabolische Waffe, just auch neulich vom Türken schon ins Feld geführt worden.  zu dem Schützen  Kriegsknecht! Führ er es vor!

Schütze:            Zu Befehl.

                      der Schütze tritt vor, ladet seine Arkebuse, legt sie auf die Gabel und feuert, während Walter von Hohenegg dessen Arbeitsschritte kommentiert

Hohenegg:            Das Feuerrohr ist ein eisernes Rohr in das, wie bei den Kanonen, Feuerpulver gegeben wird, nachher gibt man eine bleierne Kugel hinein, und sodann legt man Feuer an das Feuerrohr.

                            es knallt und raucht

Gerwig:            Potzblitz! Teufel aber auch!

Hohenegg:            Die Kugel durchschlägt Panzer, Fleisch und Bein. Noch nicht mal der Kaiser und der König von Frankreich haben solche Feuerrohre.

Gerwig:            Schön, Herr Walter von Hohenegg. Das gefällt mir.

Hohenegg:            Eure fürstlich Gnaden mag ganz unbesorgt sein. Wir haben inzwischen an die 1300 Mann unter der Fahne, davon führen zweihundert das Feuerrohr. Mag der spitzbübische Schweitzer mit seinem Spieß kommen und der Hellebarde, und auch wenn er mit dem Teufel im Bunde steht, unser Kugelhagel mäht in nieder!

Gerwig:            Dann zieht heute noch gegen den Schweitzer. Stellt ihn am Buchenberg.

Hohenegg:            Können wir dann Furage fassen?

Gerwig:            Was?

Hohenegg:            Furage, euer fürstlich Gnaden. Verpflegung, ob wir Verpflegung fassen können?

Gerwig:            Verpflegung? Was wollt ihr mit Verpflegung? Was meint ihr, was uns die zweihundert Feuerrohre gekostet haben? Seine Männer sollen erst ihre Pflicht tun. Danach sollen sie sich nach Kriegsbrauch beim Buchenberger Wirt schadlos halten und bei den Eschacher Bauern dürft ihr hernach auch plündern.

Hohenegg:            Euer fürstlich Gnaden, den Buchenberger Wirt hat der Schweitzer schon leergefressen.

Gerwig:            Das ist mir gleich. Eure Leute müssen sich die Verpflegung erst verdienen.

Hohenegg:            Wie euer fürstlich Gnaden befehlen.

                      Licht aus - alle ab - kriegerische Zwischenmusik

 

4

 

Licht an - auf dem Buchenberg - die stiftskemptischen Feuerschützen ziehen auf - an ihrer Spitze Walter von Hohenegg.

 

Hohenegg:            Halt! Der Platz ist gut. Hier muß der Schweitzer durch. Durch diese hohle Gasse muß er kommen,...wie’s so schön heißt. Hier nehmt ihr Aufstellung.

Schütze 1:            Zu Befehl.

                      sie setzen sich auf den Boden, zücken Spielkarten und machen es sich bequem

Schütze 2:            Wo bleibt jetzt die Verpflegung?

Hohenegg:            Nix da! Wie kann man jetzt nur ans Fressen und ans Saufen denken? Die Spielkarten packt ihr weg! Das ist Teufelszeug und wir sind ein christliches Heer.

Schütze 2:            Wir wollen jetzt aber unsere Verpflegung!

Hohenegg:            Zuerst wird gekämpft, dann wird gefressen!

Schütze 1:            Mit leerem Bauch kämpft sich’s aber nicht gut.

Hohenegg:            Ruhe! Der Schweitzer greift gleich an. Nehmt jetzt Aufstellung!

                      die Schützen nehmen murrend Aufstellung

Schütze 2:            Der Schweitzer hat aber kein Feuerrohr.

Hohenegg:            Trotzdem bleiben wir auf der Hut!

                      späht in die Ferne, d.h. ins Publikum

Schütze 1:            Sieht man schon was?

Hohenegg:            Nein. Nix.  Nach einer Weile  Da kommt er! Gebt Obacht! Jetzt kommt der Schweitzer aus seinem Loch. Geht in Stellung!  sie nehmen ihre Arkebusen  Laden!  sie laden  In Feuerstellung! sie legen ihre Arkebusen in die Feuergabel  Und jetzt legt Feuer an die Lunte!  sie zünden ihre Lunten - es zischt - die Arkebusen feuern - Pulverdampf - Hohenegg späht wieder in die Ferne, um die Wirkung der Salve zu beobachten

Hohenegg:            Sakrament! Jetzt ist der auf die Knie gegangen. Ihr habt drüber geschossen.

Schütze 1:            Herrgott! Dem haben unsre Kugeln ja gar nichts gemacht!

Hohenegg:            Ja weil der in die Knie gegangen ist! Ihr habt über ihn drüber geschossen!

Schütze 2:            Der Schweitzer,...der Schweitzer ist unverwundbar!

Hohenegg:            Nein! Ihr habt nur nicht getroffen!

Schütze 1:            Der steckt mit dem Teifel unter einer Decke!

                      die Feuerschützen lassen ihre Arkebusen fallen und fliehen - Walter von Hohenegg fuchtelt wild mit seinem Schwert herum

Schützen:            durcheinander  Flieht! Da ist der Teufel mit von der Partie! Flieht!

Hohenegg:            Bleibt! Ladet! Ihr sollt hierbleiben und laden! Verfluchtes Pack! Hiergeblieben! Ihr Feiglinge! Ihr Fahnenflüchtige!

                      Walter von Hohenegg geht ihnen nach - auf die Bühne kommt „der Schweitzer“ - ein gemütlicher vollbärtiger Herr, ein Pfeifchen rauchend, sein Spieß, an dem ein Brotzeitbündel und ein Schweitzer Käse hängen, geschultert - er betrachtet fassungslos die Szenerie

Schweitzer:            Ja was isch jetzt des g’zie? Die laufet ja alle weg!

                      hebt gemütlich die Arkebusen auf und geht ab

 

5

 

Vor dem Münster - die Meierin und die Huberin.

 

Huberin:            Meierin, hast du’s schon gehört? ‘s hat eine Schlacht gegeben. Die Schweitzer haben die unsrigen geschlagen. ‘s soll bei den unsrigen fünfhundert Tote gegeben haben.

Meierin:            Mein Mann war auch bei den Stiftskemptischen.

Huberin:            Mein Gott. War der nicht schon zu alt für so was?

Meierin:            Der Winter war kalt, die Ernte voriges Jahr schlecht. Wir können unseren Zins nicht mehr bezahlen. Da ist er halt zu den Landsknechten gegangen.

Huberin:            Mei Meierin, hoffentlich ist ihm nichts passiert.

Meierin:            zögernd  Die davon gekommen sind, haben sind schon alle daheim versteckt. Pause  Von meinem Mann hab ich noch nichts gehört.

Huberin:            Mein Gott Meierin, ‘s wird ihm doch nichts passiert sein. Bestimmt hat er sich im Wald versteckt, bis der Schweitzer weg ist.

Meierin:            Die Gailhoferin sagt, ihr Mann hätt ihn fallen sehen.

                      die Meierin weint - die Huberin nimmt sie in die Arme - der Kanzler kommt hinzu

Kanzler:            Frauen, geht heim. Gestern war der schwärzeste Tag in der Geschichte des Klosters Kempten. Geht, trauert um die Gefallenen und betet für ihre Seelen. Sie sind für die gerechte Sache ihres Herrn gestorben.

Meierin:            geht auf ihn los  Gib mir meinen Mann zurück!

Kanzler:            Frau, beherrsch dich!

Huberin:            Wofür sind sie denn gefallen? Für den fetten Gerwig! Für ein paar Fässer Wein!

Kanzler:            Frau!

Meierin:            Der Drecksack Gerwig soll mir meinen Mann zurückgeben!

Huberin:            Austreiben! Austreiben müßt man das vollgefressene, geldgierige Geschmeiß, das fett über uns thront!

Meierin:            Wer ist schuld an unserer Not? Ihr!

Kanzler:            Ihr hysterischen Weiber, seht zu, daß ihr Land g’winnt, sonst laß ich die Wache kommen!

Meierin:            Welche Wache? Die sind doch alle tot!  spuckt ihm ins Gesicht  Du Schwein! Komm, schau zu, daß du deinem fetten Abt in den Arsch kriechst!

Kanzler:            Das ist offener Aufruhr!

Huberin:            packt ihn  Ja! Aufruhr! Der Schweitzer sollen euch alle totschlagen! Komm Meierin, gehen wir zu den Schweitzern! Alle Frauen sollen sich uns anschließen! Wir machen Schluß mit dem Aas!

Meierin:            spukt ihm nochmals ins Gesicht  Aus ist’s mit euch!

 

6

 

Der Kanzler bleibt wie ein geprügelter Hund zurück - Johann und Rudolf kommen hinzu.

 

Johann:            Verflucht, da seid ihr ja endlich!

Kanzler:            Unsere Niederlage ist vollständig. Es gab bei den unseren 183 Tote, unter ihnen der von Hohenegg. Der Rest ist geflohen.

Rudolf:            Herr Kanzler, wo ist der Abt?

Kanzler:            Ich such ihn schon seit Stunden. Seit der Nachricht von unserer Niederlage, hat ihn keiner mehr gesehen.

Rudolf:            Ist er geflohen?

Johann:            Dieses Rindvieh! Zuerst brockt er uns diese ganze Sauerei ein, und dann macht er sich aus dem Staub!

Kanzler:            Meine Herren, der Beck und sein Söldnerhaufen wird in ein paar Stunden schon hier sein. Das Volk begehrt auf. Die Bauern hungern. Bei Schaffenhausen haben sich schon die Bauern unterm Bundschuh erhoben. Bei uns rotten sich auch schon die Weiber zusammen. Es sieht zappenduster aus. Der Abt hat den Bogen überspannt. Meine Herren, hier können wir uns nicht verteidigen.

Rudolf:            Wir suchen Asyl in der Reichsstadt.

Kanzler:            Die Tore der Reichsstadt Kempten sind geschlossen. Unser letztes Aufgebot haben sie festgesetzt.

Rudolf:            Dieses heimtückische bürgerliche Pack!

Johann:            Dann stecken wir jetzt bis zum Hals im Dreck! Es bleibt nur noch eins: Wir müssen vor dem Beck kapitulieren. Kanzler, der Abt ist verschwunden und als ältestes Konventsmitglied geb ich euch die Weisung: Nehmt die weiße Fahne und zieht dem Beck entgegen. Sagt ihm, daß der Abt fort ist, und ich mit ihm verhandeln werde.

Kanzler:            Gut. Ich ziehe dem Beck entgegen!

                      Kanzler ab

Johann:            Zum Teufel! Der Gerwig hat alles versaut! Wir hätten besser auf ihn aufpassen sollen.

Rudolf:            Ja. Das hätten wir tun sollen. Aber du hattest nur deine Weibergeschichten im Kopf, warst die ganze Zeit hinter den Bauerstöchtern her.

Johann:            So eine junge ländliche Wildkatze hat mir eben den Kopf verdreht. Sie wollte einfach nicht gefügig sein. Ich wollte ihr keine Gewalt antun. Ich wollte, daß sie freiwillig zu mir kommt. Um so mehr ich um sie gefreit habe, desto mehr hat sie sich verweigert. Aber das hat eben den Kitzel an der Sache ausgemacht.

Rudolf:            Und jetzt ist alles im Eimer. Der Schweitzer kommt und die Bauern erheben sich.

Johann:            Bleibt ruhigen Bluts, Herr Rudolf. Mit dem Beck wird man schon reden können.

                      beide ab - Licht aus

 

7

 

Eine Herberge in Memmingen. Gerwig und Anna, Agnes liegt schlafend auf dem Boden.

 

Gerwig:            Annalein, Annalein, was soll jetzt nur werden?

Anna:            Gerwig schau, du bist doch mit heiler Haut davon gekommen.

Gerwig:            Bei Nacht und Nebel bin ich aus meinem nkommen!

            Jörg Beck kommt mit einigen Schriftstücken hinzu

Gerwig:            richtet sich im Bett auf  Komm er näher! Er sieht uns leidend. Da wir deshalb ausgiebig Zeit und Gelegenheit hatten, uns tiefere Gedanken über die Vergänglichkeit und Nichtigkeit alles Irdischen zu machen, wollen wir jetzt auch ihm Vergebung zuteil werden lassen. Nehme er erleichterten Herzens zur Kenntnis, daß wir eingedenk unserer alten Freundschaft den ganzen Vorfall, der unser gutes Einvernehmen belastet, vergessen wollen.

Jörg:            Es freut uns vorerst eine neue Bleibe suchen.

Agnes:            Können wir jetzt nicht mehr standesgemäß wohnen?

Gerwig:            Sei ruhig Kind, du bist jetzt kein Bankert mehr, sondern eine rechtmäßige von Sulmentigen. Reich sind wir auch noch. Der Kaiser und der Papst werden nicht dulden, daß ein Weinhändler einen Reichsfürst aus seinem Land vertreibt.

                      Kathrin kommt mit einer Mahlzeit hinzu

Kathrin:            Euer Gnaden, es heißt, eure Bauern hätten sich erhoben.

Gerwig:            Das auch noch.

Anna:            Gerwig, du hast ihnen doch zuviel weggenommen.

Gerwig:            Aber Anna, du hast doch immer gesagt, ich soll schauen, daß es mir und den meinigen gutgeht.

Anna:            Ich wollt nie, daß meinetwegen jemand Hunger leiden muß.

Gerwig:            Und ich wollte nicht Abt werden. Ich wollte nur meine Ruhe. Du hast mich doch zu allem getrieben.

                      der Kanzler kommt hinzu - Gerwigs Gesicht hellt sich auf

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, es war nicht leicht, euch zu finden.

Gerwig:            Gellt? Wir haben uns gut versteckt. Hier in Memmingen sind wir sicher. Herr Kanzler, wie stehts? Bringt er mir Geld?

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, der Stiftskonvent hat eure Abdankung beschlossen.

Gerwig:            Was? Dazu kann uns niemand zwingen.

Kanzler:            Ihr sollt dafür alles, was ihr mit euch genommen habt, behalten dürfen, ferner sollt ihr vom Kloster lebenslänglich ein Jahresgehalt von siebenhundert Gulden erhalten.

Anna:            Gerwig, schau, was willst du mehr? Das ist doch wunderbar! Uns wird’s weiterhin gut gehen und du hast jetzt deine Ruhe.

Gerwig:            Kanzler, darf ich’s mir überlegen?

Kanzler:            Euer Gnaden, es gibt nichts zu überlegen. Wenn ihr euch nicht im gutem mit dem Konvent einigen wollt, will der Konvent vor dem Papst gegen euch klagen. Euer Streit mit dem Beck ist dem Kloster teuer zu stehen gekommen. Der Beck bekommt seine 6000 Gulden, seine sämtlichen Auslagen, Kriegskosten und für sein Weib ein Schmerzensgeld ausbezahlt. Das ist eine Summe von 30000 Gulden. Der Konvent hat sich deshalb beim Fugger hoch verschuldet.

Anna:            Gerwig, besser kommst du nicht davon.

Gerwig:            Gut, ich willige ein.

Kanzler:            Herr Gerwig, wollt ihr mir nun eure Insignien übergeben?

Gerwig:            lacht boshaft  Die hab ich im Pfandleihhaus versilbert. Ohne mein Kloster sind die eh nichts wert. Die müßt ihr jetzt schon selbst auslösen. Sonst noch was?

Kanzler:            Nein. Nichts mehr.

                      Kanzler ab

Kathrin:            Herr Gerwig, muß ich jetzt nicht mehr euer „fürstliche Gnaden“ zu euch sagen?

Gerwig:            Kathrin, du bist ein grunddummes Mensch!

 

                      Licht aus - kurze Zwischenmusik

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Epilog

 

Zwei Jahre später - eine Wirtschaft irgendwo im Württembergischen - Gerwig sitzt mit einigen Gästen am Tisch - Kathrin bedient.

 

Gerwig:            Kathrin, die Herren sind meine Gäste. Für jeden noch eine Maß Wein!

                        Kathrin bringt die Weinhumpen

Gast 1:            Gerwig, warum nennt ihr eure Wirtschaft nicht „Zum Fürstabt“?

Gerwig:            Gut Idee. Gefällt mir. Ich hab schon meine Abdankungsurkunde rahmen lassen, die kommt hier an die Wand, über’m Stammtisch.

Gast 2:            Gerwig, auf euer Wohl!

Gast 3:            Auf unseren Gerwig!

Gerwig:            Jetzt wird brav einer gesoffen.

                        stoßen an und trinken - Anna kommt hinzu

Gast 1:            Grüß Gott Frau Wirtin.

Anna:            Gerwig, ich brauch den Schlüssel für die Geldkassette. Ich muß den Schneider bezahlen.

Gerwig:            Seht ihr? Eine Frau kostet Geld. Eine Frau muß man sich leisten schon können.

                        gibt ihr den Schlüssen, den er um den Hals trägt

Gast 2:            Jaja, es ist nicht leicht, eine Frau zu unterhalten.

Gast 1:            Frau Anna, setzt euch doch zu uns.

Anna:            Ich bin eine Frau von Stand. Ich setzt mich doch nicht mit Bürgerlichen an einen Tisch.

Gerwig:            Sie ist halt immer noch etwas hochnäsig.

                        Jörg Beck betritt die Wirtschaft - er sieht Gerwig und bleibt ungläubig stehen

Gerwig:            Sieh an, der Jörg Beck. Mit mir habt ihr wohl nicht gerechnet?

Jörg:            Nein. Mit euch hab ich nicht gerechnet.

Gerwig:            Setzt euch doch zu uns. Ihr werdet mir doch nichts nachtragen? Schließlich sein ihr ausgiebig entschädigt worden.

Jörg:            kommt näher  Ich bin nicht nachtragend. Und ihr?

Gerwig:            Ach kommt. Das ist ja schon alles zwei Jahre her. Trinkt einen Humpen Wein mit uns. Komm Annalein, bring dem Jörg einen Humpen Wein.

Anna:            Ich hab dir gesagt, ich bedien nicht.  schreit  Kathrin!

Kathrin:            Warum schreit ihr so? Ich bin ja nicht schwerhörig.

                        stellt einen weiteren Humpen Wein auf den Tisch - Jörg setzt sich

Jörg:            Was hat euch hierher verschlagen?

Gerwig:            So eine Wirtschaft ist ein gemütliches Zuhause. Uns geht’s hier gut. Die Anna mault zwar, aber dafür kauf ich ihr immer schöne Sachen. Und die Agnes hab ich auch standesgemäß unter die Haube gebracht.

Jörg:            ‘s ist bald dreißig Jahre her, als ich euch auch in einer Wirtschaft getroffen habe.

Gerwig:            Mein lieber Jörg, ‘s ist die gleiche Wirtschaft wie damals, aber inzwischen hab ich was daraus gemacht.  zu den Gästen  Das meine lieben Freunde, ist der berühmte Weinhändler Jörg Beck, der mich aus meinem Kloster verjagt hat. Kommt Herr Jörg, trinkt! Auf euer Wohl!

Jörg:            Dann auf euer Wohl, Gerwig!

Gäste:            Wohlsein!

                        sie prosten sich zu und trinken - Licht aus - der Vorhang fällt

 

 

 

Ende

III. 1

 

Kapitelsaal des Klosters - Gerwig sitzt auf seinem Fürstenthron unter einem Baldachin - neben ihm Anna, Agnes, der Kanzler und der gesamte Hofstaat.

 

Kanzler:            Euer fürstliche Gnaden, des Klosters Kellermeister, der Weinhändler Herr Jörg Beck, von langer und gefährlicher Kaufmannsfahrt zurückgekehrt, um auf euer fürstlicher Gnaden Geheiß Wein für den klösterlichen Weinkeller zu kaufen, bittet von euch empfangen zu werden.

Gerwig:            Sehr schön. Dann machen wir jetzt eine Weinprobe.

Gerwig winkt - Fanfaren - Jörg Beck, gefolgt von zwei Dienern, die ein Faß tragen, kommt herein; die Diener stellen das Faß ab und füllen für Gerwig einen Humpen Wein ab

Gerwig:            steht auf  Mein lieber Jörg Beck,  geht ihm entgegen  wie freuen wir uns, ihn zu sehen.

Jörg:            Euer fürstliche Gnaden, ich habe mir erlaubt, dieses Faß vortrefflichen 1423er Höllenbrunner Mönchszipfels vom Kaiserstuhl gleich direkt zu euer fürstlichen Gnaden zu bringen.

Gerwig:            Probieren, mein lieber Jörg, laß er uns probieren! Ich bin schon sehr gespannt.

                        Jörg reicht Gerwig den abgefüllten Weinhumpen - er nimmt den Humpen und kostet - alle blicken gespannt auf ihn - sein zuerst skeptischer Gesichtsausdruck wandelt sich mehr und mehr zu einem Lächeln

Gerwig:            Ja. Ja. Durchaus. Ich muß schon sagen: nicht übel! Gar nicht übel.

                        er setzt nochmals an und trinkt den Humpen in einem Zug leer, blickt grinsend in die Runde - sein Hofstaat applaudiert

Anna:            Ich will auch probieren!

Agnes:            Darf ich auch Wein trinken?

Gerwig:            Freilich, sie ist alt genug. Alle sollen von dem Faß kosten! Aber nur kosten!

                        die Diener beginnen mehrere Gläser abzufüllen - die anderen kosten auch

Anna:            Ich find, er ist sauer.

Gerwig:            Herr Jörg, entschuldige er, doch sie versteht nichts von gutem Wein. Sie ist eben eine Frau.

Jörg:            Erlauben eure fürstliche Gnaden gütigst,  macht eine höfische Verbeugung  daß ich euer fürstliche Gnaden meine Abrechnung überreiche?

Gerwig:            Herr Jörg, er ist unser Freund und wir sind ihm zu Dank verpflichtet, zier er sich nicht. Schließlich hat er großen Aufwand und hohe Ausgaben gehabt und seinen Auftrag vortrefflich erfüllt.

Jörg:            Euer fürstliche Gnaden sind zu gütigst.

                        überreicht Gerwig die Rechnung - dieser steckt sie ein, ohne einen Blick darauf zu werfen

Gerwig:            Wir werden in den nächsten Tagen unsern Kanzler mit dem entsprechenden Betrag zu ihm schicken. Herr Jörg Beck, laß er seine Weinlieferung in den fürstlichen Weinkeller bringen. Geh er in dem Bewußtsein, daß er sich um das Fürstentum verdient gemacht hat.

Jörg:            Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden.

                        inzwischen ist unter den Höflingen und dem Gesinde eine Rangelei um das Faß entstanden; Hohenegg, der Stiftskemptische Landvogt, zieht seinen Dolch und fährt den Kapitular Rudolf an, der versucht hat, Hoheneggs Krug zu nehmen.

Hohenegg:            Du Saukerl! Laßt die Finger von meinem Krug! Wenn euch euer Leben lieb ist!

Rudolf:            schreit zurück Potzteufel! Berherrscht euch! Ich bin von höherem Adel als Ihr!

Hohenegg:            Einen Dreck seid ihr! Kommt nur her!

Gerwig:            Aber gebt doch Ruhe!

Hohenegg:            Wenn ihr ein Mann seid, nehmt ihr die Fehde an! Wehrt euch!

Gerwig:            brüllt dazwischen Ihr Erzschurken! Jetzt wird’s mir doch zu bunt! Herr von Hohenegg! Ihr seid hier nicht im Kuhstall!

Hohenegg:            Er soll die Fehde annehmen!

Gerwig:            Nichts da! Soll man jetzt auch noch sagen, daß die Mönche zu Kempten nicht nur Hurenböcke sondern auch Raufbolde sind? Ihr habt jetzt genug vom guten Wein gehabt. Ihr könnt jetzt auch verschwinden. Anna, laß das Faß in mein Schlafgemach bringen, und paß auf, daß keiner was wegsauft!

                        Jörg, mit Diener und sämtliches Gefolge ab; auf einen Wink Gerwigs bleibt der Kanzler zurück

 

IV. 6

 

Hohenegg kommt auf die Bühne; er wirft sein Schwert auf den Boden und läßt sich auf einen Stuhl fallen; der Kanzler kommt hinzu.

 

Kanzler:            Verflucht, da seid ihr ja endlich!

Hohenegg:            Unsere Niederlage ist vollständig. Wir haben heroisch gekämpft und heldenhaften Widerstand geleistet, aber der Schweizer war uns einfach zahlmäßig überlegen. Es gab bei den unseren 183 Tote. Der Rest ist geflohen.

Kanzler:            Herr Kanzler, wo ist der Abt?

Hohenegg:            Seit der Nachricht von unserer Niederlage, hat ihn keiner mehr gesehen.

Kanzler:            Dieses Rindvieh! Zuerst brockt er uns diese ganze Sauerei ein, und dann macht er sich aus dem Staub!

Hohenegg:            Herr kanzler, der Beck und sein Söldnerhaufen wird in ein paar Stunden schon hier sein. Es sieht zappenduster aus. Der Abt hat den Bogen überspannt und hier können wir uns nicht verteidigen.

Kanzler:            Wir suchen Asyl in der Reichsstadt.

Hohenegg:            Die Tore der Reichsstadt Kempten sind geschlossen. Unser letztes Aufgebot haben sie festgesetzt.

Kanzler:            Dann stecken wir jetzt bis zum Hals im Dreck! Es bleibt nur noch eins: Wir müssen vor dem Beck kapitulieren. Ich werde die weiße Fahne nehmen und dem Beck entgegen ziehen. Jetzt wo der Abt fort ist, werde ich mit ihm verhandeln. Herr von Hohenegg, ihr begleitet mich.

Hohenegg:            Gut, ich werde mit euch gehen.

                      beide ab - Licht aus

 

IV. 7

 

Eine Herberge in Memmingen. Gerwig und Anna, Agnes liegt schlafend auf dem Boden.

 

                      .........Kanzler ab

Gerwig:            Seht ihr? Jetzt bin ich kein Fürstabt mehr. Nur Scherereien hat’s mir gebracht....grinst...und eine volle Geldtruhe. Wißt ihr was? Ich werde hier in Memmingen eine Wirtschaft aufmachen. So eine Wirtschaft ist doch ein gemütliches Zuhause. Findest du nicht, Annalein? Meine Abdankungs-urkunde häng ich dann über dem Stammtisch an die Wand. Wer nichts wird, wird eben Wirt!