Prolog
Vier
Gestalten treffen sich nachts auf dem Buchenberg; der Erste ist sehr
martialisch anzusehen, trägt ein großes Schwert, eine Rüstung und einen
blutroten Umhang - der Krieg; der Zweite ist völlig abgemagert, trägt nur noch
schwarze Fetzen am Leib - der Hunger; der Dritte ist aufgeschwemmt, sein Körper
mit Eiterbeulen übersät, sein Leib wird von einem weißen Leichentuch und weißen
Bandagen zusammengehalten - die Pest; der Vierte trägt ein langes schwarzes
Gewand mit einer Kapuze, die tief ins Gesicht gezogen ist, nur gelegentlich
erkennt man dieses - einen Totenschädel, in der Hand die Sense - der Tod.
Tod: Seht
meine Brüder, ich habe euch auf eine fette Weide geführt. Seid ihr zufrieden?
Krieg: Wo
sind wir hier?
Pest: Die
Leute nenn’s den Buchenberg.
Krieg: Und
das da unten? Es scheint, ‘s ist eine blühende Landschaft.
Tod: Euch
zu Füßen, meine Brüder, liegt mit hochaufragenden Türmen und himmelwärts
strebenden Giebeln eine stolze Stadt: die freie Reichsstadt Kempten. Vor ihren
Mauern erkennt ihr an dem prächtigen Bau des Münsters ein ebenso stolzes und
mächtges Kloster: das Hohe Reichsstift Kempten. Der eine evangelisch, der
andere katholisch.
Hunger: Hier
sind wir richtig. Die Felder sehen wohlbestellt aus, auf den Weiden grast
wohlgenährtes Vieh; ich sehe stolze Bürgersleute und hoffärtige Bürgersfrauen,
herrschsüchtige und lasterhafte Mönche, vollgefressene und träge Bauern. Der
Hochmut ist uns bereits vorausgegangen.
Krieg: Der
ist immer schon vor uns da.
Pest: Auch
die Zwietracht hat sich hier schon eingenistet; schon seit langem sind sich
Stadt und Stift feind.
Krieg: Wir
werden also leichtes Spiel haben. Soll ich vorangehen?
Hunger: Nein,
laßt mir den Spaß. Laßt mich als erstes hinabstiegen. Teuerung, Mangel und
Hunger sollen über sie kommen, als erstes; noch vor dir. Solange will ich
herrschen, bis sie sich gegenseitig auffressen. Zuführen will ich dem großen
Bruder von ihnen den ersten Teil.
Krieg: Aber
beeil dich! Nur einen kleine Vorsprung laß ich dir. Mein feuriges Temperament
kennt die Geduld nicht. Seit ich vor fünfzehn Jahren durch des Menschen
Dummheit erweckt wart, ziehe ich ruhelos im ganzen Reich umher; ich leid es
nicht, in dieser Landschaft noch nicht Fuß gefaßt zu haben. Über sie will ich
kommen mit Feuer, Pech und Schwefel, mit Pulver, Blei und blankem Eisen.
Zuführen will ich dem großen Bruder von ihnen den zweiten Teil.
Pest: Und
ich? Meint ihr es steht mir an, nach euch zu kommen? Freilich bin ich der
Geduldigste von euch, aber auch der Schrecklichste. Euch beiden vermag man noch
zu entfliehen, mir entkommt keiner. Mein Pesthauch wird in alle Häuser dringen,
in jeden Hof, jedes Gemach, jede Stube, jeden Keller, in jede Mauerritze; wird
sich von den Häusern aus über Felder und Fluren verbreiten. Alle sind vor mir
gleich; keinen Unterschied kenne ich, alle Stände, aller Adel, Reichtum und
Macht gelten nicht s vor mir. Über sie will ich kommen mit dem Heer der Ratten,
mit Eiter und Verwesung. Zuführen will ich dem großen Bruder von ihnen den
dritten Teil.
Tod: So
sei es: Hunger, geh du voraus. Krieg, du bist der zweite, und du, Pest, kommst
als letzter. Ich folge euch auf dem Fuß und nehmen will ich den ersten, den
zweiten und den dritten Teil von ihnen mit mir. Der vierte und letzte Teil mag
bleiben und mit seiner Trauer von meinem Ruhm künden.
Krieg: Auf
denn, es gilt eine fette Beut zu machen. Die Ernte ist reif und harrt deiner
Sense, großer Bruder.
(alle
ab)
erster
Akt
1
Ein
Bauernhof bei Buchenberg. Anne Schwegler, die Tochter des Bauern, kehrt vor dem
Hof. Isabell, Annes jüngere Schwester, ist mit Schemel und Eimer in den Stall
unterwegs. Heinrich Schwenk, Sohn eines Reichsstädtischen Metzgers, unterwegs
um für die Reichsstadt Vieh einzukaufen, macht an dem Hof halt.
Heinrich: He
ihr! Mägde!
Anne: Was?
Nenn uns keine Magd! Der Bauer ist unser Vater.
Heinrich: Dann
holt euren Vater!
Isabell: Der
ist auf’m Feld.
Anne: Was
willst denn du? So wie du ausschaust, bist du bestimmt einer aus der
Reichsstadt.
Heinrich: Ich
bin unterwegs, um Vieh aufzukaufen.
Anne: Isabell,
hol die Mutter.
Isabell: Jaja,
schon recht. (Isabell ab)
Heinrich: Habt
ihr Vieh zum Verkauf? Butter? Schmalz? Getreide? Ich bezahl in klingender
Münze.
Anne: In
was für Münze? (er zieht eine
Münze aus seinem Beutel)
Heinrich: Hier.
Silberne Reichsstädtische Halbbatzen.
(sie
nimmt die Münze und beißt drauf)
Anne: Die
kannst du behalten. Das Silber geht schon ab; ‘s hat sich rumgesprochen, daß
ihr Reichsstädter mit Falschgeld zahlt.
Heinrich: Falschgeld?
Für so eine junge Dirn bist du reichlich vorlaut. Das Geld kommt aus der
Reichsstädtischen Münze. Wie soll das Falschgeld sein?
Anne: Du
meinst wohl, weil ich eine Bauerstochter bin, merk ich so was nicht? Überhaupt
sagt der Pfarrer, daß ihr allesamt Ketzerleute seid, und daß man sich gegen
Gott versündigt, wenn man mit einem von euch Geschäfte macht.
Heinrich: Ketzerleute?
Ich geb dir was, du Bauerntrampel!
(zornig
wendet er sich um und will gehen)
Anne: Ketzermensch!
(er
bleibt stehen, dreht sich um und mustert sie nicht ohne wohlgefallen)
Heinrich: Obwohl,
wenn man dich genau anschaut, schaust du gar nicht so aus wie ein
Bauerntrampel. Jaja, auf dem Land wachsen manchmal gar keine so schlechten
Früchte. Schade, daß du eine Katholische bist.
(sie
errötet und wird verlegen)
Anne: Jetzt
werd grad noch unverschämt! Ketzermensch!
Heinrich: Schade,
da hat sie so ein hübsches Gesicht und kräht daher wie die Hühner auf dem
Misthaufen.
Anne: Was?
Ich geb dir gleich eine!
Heinrich: Schon
recht, ich geh schon. (dreht sich um und geht)
Anne: Ja
schau bloß, daß du in dein ketzerisches Ratzennest kommst!
2
Elisabeth Schwegler, Annes Mutter kommt
hinzu. Heinrich kehrt um.
Schweglerin: Anne! Was schreist du so herum?
Heinrich: Seid
ihr die Bäuerin? Ich bin unterwegs, um Vieh aufzukaufen.
Schweglerin: So?
Anne: Bloß
nicht Mutter, er zahlt mit Falschgeld.
Heinrich: Halbbatzen
aus der Reichsstädtischen Münze. Das ist rechtes Geld.
Anne: Da
hast du’s. Er hat nur falsches Geld.
Schweglerin: Du tust deine Arbeit! Mit dem Kujon red ich schon!
(Anne
wirft einen verstohlenen Blick auf Heinrich; geht ab)
Schweglerin: Für eure falschen Halbbatzen seid ihr schon weit und breit
bekannt. Wenn ihr Vieh kaufen wollt, zahlt in Gulden, das ist rechtes Geld.
Eure Halbbatzen nimmt niemand. Wenn ihr Gulden habt, können wir ins Geschäft
kommen.
Heinrich: Wieviel
Gulden wollt ihr denn für einen Schlachtochsen?
Schweglerin: 250.
Heinrich: Wie?
250 Gulden für einen Ochsen? Das ist Wucher!
Schweglerin: Was soll ich machen? Man kriegt immer weniger für sein Geld.
Heinrich: Frau,
letzten Monat noch hat ein Ochse 150 Gulden gekostet.
Schweglerin: Die Obrigkeit verlangt immer mehr an Abgaben, damit sie des
Kaisers Krieg zahlen können. Die Ernte letztes Jahr war schlecht, der ganze
Sommer verregnet und die Nachfrage bei euch in der Stadt nimmt immer mehr zu,
da steigt eben der Preis.
Heinrich: Das
kommt von der verteufelten Einquartierung; die kaiserlichen Kriegsknechte
schikanieren uns bis aufs Blut, fressen das ganze Land leer, und die
Reichsstadt muß die Zeche zahlen. Und wer hat die Kaiserlichen in die Stadt geholt?
Euer Fürstabt!
Schweglerin: Sprecht mir nicht von der Obrigkeit. 250. Wenn ihr’s für
Wucher haltet, schaut doch, ob ihr’s woanders billiger bekommt. Für einen
ausgewachsenen Mastochsen wird jetzt überall 250 verlangt.
Heinrich: 200.
Morgen bar auf die Hand. In gutem Geld.
Schweglerin: 240.
Heinrich: 220.
Schweglerin: 230. Mein letztes Wort.
Heinrich: Gut
230 Gulden.
Schweglerin: Handschlag! (der
Handel wird mit Handschlag bekräftigt)
Heinrich: Ich
bring euch morgen das Geld und hol den Ochsen. Das vorhin war eure Tochter?
Schweglerin: Jaja, die Anne wird mal eine rechtschaffene Bäuerin und einen
anständigen Hof bringt sie auch mit; die Bauernburschen freien schon recht
eifrig.
Heinrich: Bis
morgen Frau Bäuerin. (beide ab)
3
Im
Rathaus der Reichsstadt Kempten; Bürgermeister Zacharias Jenisch - eine
respektable streng in spanische Mode gekleidete Erscheinung; um die vierzig -
bespricht sich mit dem Stadtammann und Geheimrat Martin Geiger - ein rüstiger
Greis um die siebzig - und dem Stadthauptmann und Rat Caspar Löffler.
Jenisch: Was
sollen wir bloß machen? Der Kämmerer hat mir heute seine Abrechnung vorgelegt.
Die kaiserliche Einquartierung allein hat uns bisher an die 166.212 Gulden
gekostet, nicht mitgerechnet die 50.000 Gulden, die der Kaiser als Strafe über
uns verhängt hat und von denen wir noch 18.000 Gulden schuldig sind. Wenn die
Kaiserlichen die Einquartierung fortsetzen, werden wir in Bälde gänzlich
ruiniert und verschuldet sein. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, woher das Geld
nehmen; unser eigenes lassen sie als Falschgeld gelten.
Geiger: Und
wenn wir dem kaiserlichen Edikt nachgeben und die Sankt Mang Kirche den
Katholischen zurückgeben?
Jenisch: Herr
Martin Geiger, was schlagt ihr mir vor? Unsere Kirche sollen wir der
papistischen römischen Hur überlassen? Nie und nimmer! Solange ich Zacharias
Jenisch Bürgermeister unserer Stadt bin, wird’s keine Messe in unserer Kirche
geben.
Geiger: Aber
Herr Jenisch, die Kaiserlichen werden uns mit Einquartierung und Kontribution
solang kujonieren, bis wir nachgeben, oder die Stadt in Grund und Boden
verdorben ist.
Löffler: Gilt
euch euer Glaube so wenig? Wir, die stolze Reichsstadt Kempten, allein und die
Memminger verteidigen in diesem von den Papistischen verseuchten Land das
Banner des wahren Glaubens und der Freiheit. Und die Prüfung währt nicht mehr
lange. Des großen Schwedenkönigs Armada steht schon im Sächsischen; die
evangelische Sache gewinnt im Reich die Oberhand. Und jetzt wo aller Drangsal
Ende in greifbare Nähe rückt, sollen wir kleinbeigeben?
Jenisch: Herr
Löffler, wir wissen doch gar nicht, ob der Schwedenkönig seinen Heerbann
überhaupt ins Allgäu führen wird.
Löffler: Der
Schwed ist ein Ehrenmann, ein Kavalier; der König hat bereits zugesagt, daß er
uns von den Kaiserlichen befreien will.
Geiger: Das
Kriegsglück ist von launischer Art. Bald hat dieser, tags drauf jener die
Oberhand; heute noch ficht der Schwedenkönig mit fortune, doch morgen schon
können die Kaiserlichen die Oberhand gewinnen.
Jenisch: Da
hat der Geiger recht.
Geiger: Wenn
wir uns erst mit dem Schweden einlassen, gehen wir der kaiserlichen Gnad auf
immer verlustig.
Jenisch: Von
des Kaisers Gnad können wir uns recht wenig kaufen!
Löffler: Warum
schicken wir nicht einen geheimen Gesandten zum Schwedenkönig, der nochmals
eindringlich unsre Bedrängnis schildert? Für diesen Dienst stell ich mich gern
zur Verfügung. Gleichzeitig könnt ihr, Herr Jenisch, ja mit den Kaiserlichen
unterhandeln und sie vielleicht hinhalten.
Jenisch: Ich
will’s versuchen. (alle ab)
4
Stall auf dem Schweglerhof. Anne bei der
Stallarbeit. Heinrich kommt hinzu.
Anne: So,
du schon wieder.
Heinrich: Gestern
hab ich bei euch den Ochsen abgeholt.
Anne: Ich
weiß.
Heinrich: Du
warst nicht da.
Anne: Und
drum kommst du nochmals?
Heinrich: Ja.
Anne: Hätt
ich da sein sollen?
Heinrich: Das
hätt mir schon gefallen.
Anne: Bist
du einer von den Gesellen, die mit armen Bauerstöchtern lustig tun?
Heinrich: Mit
dir will ich schon lustig tun. Es gilt bei euch auf dem Land doch der Brauch,
daß an einem bestimmten Festtag die jungen Bauernburschen mit ihrer Liebsten
nach Kaufbeuren in die Wirtshäuser gehen und sich dort wie Ehevölker aufführen.
Anne: Du
meinst an Jakobi.
Heinrich: Kann
schon sein. Mit euren katholischen Heiligen kenn ich mich nicht so aus. Magst
du mit mir an Jakobi nach Kaufbeuren gehen?
Anne: Mit
dir? Wenn ein Bursche mit seiner Liebsten an Jakobi nach Kaufbeuren geht, dann
nur, wenn sie einander versprochen sind. Und außerdem hat’s die Obrigkeit
verboten; es sei unzüchtig.
Heinrich: Jaja,
ich weiß schon, bestimmt hast du schon einen anderen; deine Mutter hat schon
gesagt, daß bei euch die jungen Bauernburschen haufenweis um den Hof
schleichen.
Anne: ‘s
war bis jetzt noch keiner dabei, der mir gefallen hätt. Meine Eltern haben mir
deshalb schon viel Grobheiten an den Kopf geworfen. Aber ein Evangelischer
kommt ihnen schon gar nicht auf den Hof.
Heinrich: Du
bist eine recht wählerische.
Anne: Ich
bin die Tochter vom Schweglerbauern, da darf ich schon wählerisch sein.
Heinrich: Weißt
du was?
Anne: Nein.
Heinrich: Man
müßt dich malen.
Anne: Mich
malen? Was fällt dir ein?
Heinrich: Ja.
Ein Bild müßte man von dir malen.
Anne: Was
hast du für Grillen im Kopf? Vielleicht nackt als büßende Maria Magdalena?
Heinrich: Das
wär doch bestimmt ein schönes Bild.
Anne: Ich
glaub gern, daß dir das gefallen tät.
Heinrich: Ja.
Grad wenn du noch so trotzig schaust.
Anne: Wer
schaut trotzig?
Heinrich: Du.
Anne: Komm
nur her du Bärenhäuter!
Heinrich: Bekomm
ich dann einen Kuß?
Anne: Eine
Ohrfeige kriegst du!
(sie
geht auf ihn los - er hält sie fest - sie wehrt sich)
Heinrich: Einen
Kuß und ich laß dich wieder los.
Anne: Nein.
Eine Ohrfeige!
Heinrich: Dann
geh ich wieder. Ich schwör ’s dir.
Anne: Eine
Ohrfeige kannst du haben!
Heinrich: Nur
einen keuschen Kuß, dann geh ich! (hört auf sich zu wehren und lacht)
Anne: So?
Dann gehst du wieder?
Heinrich: Versprochen.
Ein Kuß. Das ist doch nichts unrechtes.
Anne: Da.
(hält ihre Wange hin) Aber nur auf die Wange.
Heinrich: Nein.
Richtig, auf den Mund.
Anne: Auf
den Mund? Unverschämter Pfeffersack! (will sich wieder losmachen)
Heinrich: Aber
sonst ist’s ja kein richtiger Kuß.
Anne: Du
kannst dir deinen Kuß bei den Kühen holen.
Heinrich: Auf
die Wange wär’s doch bloß ein Judaskuß. Du hast es mir versprochen.
Anne: Geh!
Nichts hab ich dir versprochen!
Heinrich: Wenn
du bloß die Wange hinhältst, dann ist es ja so, daß ich dir einen Kuß gebe,
aber keinen von dir bekomme.
Anne: Dann
kriegst du eben von mir einen Kuß auf die Wange.
Heinrich: Auf
den Mund!
Anne: Aber
dann gehst du wieder?
Heinrich: Versprochen.
(sie
kichert und hält ihm absichtlich ungeschickt die Lippen hin)
Heinrich: Schelmin!
(sie
küssen sich)
Heinrich: Soll
ich jetzt wieder gehen?
Anne: Ja.
Was meinst du, wenn meine Mutter uns so sieht?
Heinrich: Gut.
Anne: Kommst
du wieder?
Heinrich: Wenn
ich darf?
Anne: Morgen
muß ich die Kühe hüten. Oben auf der Weide. Allein. Und jetzt schnell weg mit
dir. Meine Mutter kommt.
5
Heinrich ab; die Schweglerin kommt hinzu.
Schweglerin: Mit wem sprichst du?
Anne: Mit
niemand.
Schweglerin: Ich könnt schwören, ich hätt vorhin den Metzgersburschen aus
der Stadt gesehen.
Anne: Hier
war niemand.
Schweglerin: Du lügst doch! Isabell! Isabell! (Isabell kommt hinzu)
Anne: Ich
sag die Wahrheit.
Isabell: Ja.
Was ist denn?
Schweglerin: Ich hab’s dir schon mehr als einmal gesagt, mit so einem
brauchst du gar nicht rumtun!
Isabell: Mutter,
was ist?
Anne: Ich
tu doch mit niemand rum.
Schweglerin: Isabell, du hast doch auch den Städter von neulich gesehen.
Isabell: Ja.
Schweglerin: Da hast du’s, Lügnerin! Deine Schwester hat ihn auch gesehen.
Anna: Du
kleine Giftkröte! Warte nur bis wir allein sind!
Isabell: Ich
meine, ich hab ihn schon gesehen, neulich, wo er den Ochsen geholt hat.
Schweglerin: Ob du ihn jetzt gerade gesehen hast?
Isabell: Jetzt?
Jetzt gerade? Aber ich seh doch nur euch Frau Mutter und die Anne.
Schweglerin: Dummes Mensch! Vorhin eben.
Isabell: Nein,
ich hab niemand gesehen.
Schweglerin: Ach! Ihr lügt doch beide!
Isabell: Wenn
man mir nicht glaubt, geh ich eben wieder. (Isabell
ab)
Schweglerin: Ich weiß schon, ein ehrlicher Bauernbursch ist dir nicht gut
g’nug, aber mit so einem nichtsnutzigen Metzgersburschen aus der Stadt tät man
sich abgeben.
Anne: Der
ist ein anständiger Kerl.
Schweglerin: Dir werd ich schon noch beibringen, was Anstand ist! Ein
lutherischer Ketzer ist der! Die Obrigkeit sieht nicht gern, wenn man mit denen
schön tut. Die Pfeffersäck bringen bloß Schande über arme Bauerstöchter. Du
bist die stolze Jungfer vom Schweglerbauern, also führ dich demnach auf!
Anne: Das
tu ich doch.
Schweglerin: Von der Stadt kommt nichts gutes. (beide ab)
6
Haus
des Bürgermeisters in der Reichsstadt. Die dort einquartierten kaiserlichen
Offiziere - Oberst Pallandt, seine Frau, Fähnrich Corpes und weitere Offiziere
- halten zur Verabschiedung des kaiserlichen Gesandten des Jesuiten Noelius
festliche Tafel und - wie übrigens jeden Tag - festlichen Umtrunk. Frau und
Tochter des Bürgermeisters, Hildegard und Leonore Jenisch, müssen bei der Tafel
aufwarten. Es ist bereits zu fortgeschrittener Stunde, die Offiziere sind
folglich schon dementsprechend betrunken. Leonore muß Pagendienst verrichten,
steht aber meist bei ihrer Mutter hinter der Tafel.
Noelius: Geehrte
Frau Oberst, leider werde ich seiner kaiserlichen Majestät mitteilen müssen,
daß sich die von eurem Gatten besetzt Stadt weiterhin rebellisch und störrisch
gibt und sich weiter weigert, dem kaiserlichen Edikt Folge zu leisten.
Frau Pallandt: Seid getrost Herr...Herr Noelius, mein Gemahl wird die
Reichsstädter schon weich bekommen.
Pallandt: Die
werden wir ganz recht bis auf Blut tribulieren! Bis wir mit den Bärenhäutern
und Schleppsäcken fertig sind, weiß von denen keiner mehr, ob er evangelisch
oder katholisch ist.
Noelius: Herr
Oberst, versündigt euch nicht.
Pallandt: Kameraden!
Auf seine kaiserliche Majestät und des Kaisers Feldmarschall Graf Tilly!
Corpes! Brav ausgesoffen!
(sie
stehen auf - erheben ihr Glas und trinken)
Pallandt: Dirn!
Potzfickament! Nachgefüllt!
Corpes: Aber
plötzlich! (Leonore füllt ängstlich
die Gläser wieder auf)
Noelius: Seht
nur zu, Herr Oberst, daß ihr mir die malifikanten Ketzer nur ordentlich
schikaniert, solang, bis sie mürbe sind, das kaiserliche Edikt annehmen und zum
wahren Glauben zurückkehren.
Frau Pallandt: Herr Noelius, bestellt seiner kaiserlichen Majestät, daß sich
seine kaiserliche Majestät ganz auf meinen Gatten verlassen kann.
Pallandt: Durchaus!
Auf die schönen Weiber!
Corpes: Auf
die Buhlerinnen! Brav ausgesoffen!
(sie
stehen wieder auf und trinken ihre Gläser leer - Leonore füllt nach)
Corpes: Die
junge Dirn würd schon auch eine rechte Aphroditen oder Dianen abgeben.
Pallandt: Wahrhaftig
Corpes!
Frau Pallandt: Laßt die Jungfer in Frieden! Ich will für ihre Ehr einstehen.
Pallandt: Da
siehst du Corpes? Weit besser ist’s, ohne sein Eheweib in den Krieg zu ziehen,
‘s reicht schon, wenn sie uns daheim kujonieren!
7
Der
Bürgermeister Zacharias Jenisch kommt hinzu und umarmt Frau und Tochter.
Pallandt: Herr
Bürgermeister! Komm er nur her! Seine Gastfreundschaft läßt ganz erheblich zu
wünschen übrig.
Frau Pallandt: Warum leistet der Herr Bürgermeister uns nicht Gesellschaft?
Pallandt: Ein
Erzkujon ist er! Da hat er uns zum Possen Weib und Töchterlein in ein anderes
Haus bringen lassen und uns vorgestellt, beide seien bei Verwandtschaft auf
Besuch. Seine besten Schätze wollt er uns vorenthalten. Die Jungfer hat uns
zukünftig allabendlich zur Zierde unserer Tafel aufzuwarten, wie sich’s
geziemt. Oder meint er gar, daß unsere Gesellschaft unschicklich für die flinke
Dirn sei? Hält er uns gar für ausschweifende Löffeler und fürchtet um Ehr und
Unschuld seiner Frauenzimmer? (sieht
im streng ins Gesicht)
Jenisch: Verzeiht
Herr Oberst, der Rat bat mich, mich mit euch untertänigst ins Benehmen zu
setzen. Vielleicht findet der Herr Oberst morgen Gelegenheit, mir Gehör zu schenken.
Pallandt: Bleib
er nur! Setz er sich! Er wird doch wohl ein Glas auf unser Wohl trinken wollen.
Frau Pallandt: Jungfer, bring sie ein volles Glas für ihren Herrn Vater!
Pallandt: Aber
nicht zu klein und gut eingeschenkt!
(Jenisch
setzt sich und bekommt einen vollen Humpen)
Pallandt: Dann
kann er auch gleich jetzt sein Anliegen vorbringen. Aber zuerst trinken
wir...auf...auf seine allerkatholischste kaiserliche Majestät und auf die
Mutter Gottes! (sie
erheben sich - Jenisch zögert)
Pallandt: Was
zögert er? Jetzt wird brav einer gesoffen! Auf die Heilige Jungfrau!
Jenisch: Auf
den Kaiser!
(die
Offiziere trinken aus - Jenisch setzt nach einem Schluck sein Glas ab)
Pallandt: Komm
er nur! Nicht abgestellt! Hier wird brav ausgesoffen!
(die
Offiziere sehen Jenisch erwartungsvoll und drohend an - Jenisch zögert, trinkt
dann aber aus)
Pallandt: Brav!
Das Bürgermeisterlein! Nun, was liegt ihm auf dem Herzen.
Jenisch: Halten
zu Gnaden, aber es mag sein, daß dies nicht der passende Zeitpunkt ist.
Pallandt: Mir
paßt es aber gerade.
Jenisch: Halten
zu Gnaden, der Rat bat mich, euch untertänigst mitzuteilen, daß unsere Mittel
erschöpft sind. Es ist kein Geld mehr da. Wir haben bereits unser Silber und
alle Wertgegenstände versetzt. Wir können euch und eure Kompanie nicht mehr
länger besolden und verpflegen.
Pallandt: Potzfickament!
Kein Geld habt ihr mehr?
Corpes: Das
sind mir lustige Gesellen!
Jenisch: Keinen
Heller.
Pallandt: Ein
Erzschelm ist er! Die Kemptener sind allesamt miteinander Rebellen, Schelme,
Ketzer du Diebe. Aber gut. Wenn ihr nicht mehr zahlen wollt, laß ich morgen zum
Plündern aufblasen. Corpes, die Kompanie soll morgen auf dem Marktplatz in
Schlachtordnung antreten!
Jenisch: Herr
Oberst, es gibt bei uns nichts mehr zu holen.
Corpes: Das
wird sich ja morgen zeigen.
Noelius: Herr
Bürgermeister, es liegt an euch, der Not ein Ende zu machen. Bekehrt euch zu
braven Untertanen und nehmt das kaiserliche Edikt an. Übergebt die Sankt Mang
Kirche dem katholischen Gottesdienst, und ich will beim Kaiser für euch
einstehen. (Jenisch
schweigt)
Pallandt: Euch
werden wir schon weichkochen. Es gibt bei euch noch genügend reiche
Pfeffersäck, die das ihrige auf der Seite haben. Hol er’s von denen.
Corpes: Vom
Schmelzer hat man uns zugetragen, daß ‘r noch an die dreitausend Taler wohl
verwahrt in seinem Haus hat.
Pallandt: Also,
überleg er sich’s wohl, wenn nicht mehr gezahlt wird, wird geplündert. Und
jetzt wird noch wacker einer gesoffen! Dirn, ein volles Glas für den Jenisch!
Aber ein großes! Sonst setzt Tribunaden!
(Leonore
überreicht ihrem Vater einen Maßkrug Wein)
Pallandt: Auf
die heilige katholische Kirche! Auf geht’s Bürgermeister! Sauf er nur brav aus. (Jenisch setzt an - trinkt
und setzt wieder ab)
Pallandt: Wo
denkt er hin! Brav ausgesoffen wird!
(Jenisch
trinkt aus und fällt zu Boden; Leonore und Hildegard eilen zu ihm)
Leonore: Vater!
Hildegard: Zacharias!
Was ist mit dir?
Corpes: Was
soll sein? Die Schleppsäck von Bürger vertragen eben nichts!
Hildegard: Komm
Leonore. Hilf mir! Wir bringen ihn ins Schlafgemach.
Pallandt: Nichts
da! Schmeißt den Erzkujon auf den Misthaufen!
Hildegard: Herr
Oberst! Ich flehe euch an!
Frau Pallandt: Herr Gemahl, seid doch nicht so streng. Frau Bürgermeister,
bringt euren Mann ins Schlafgemach! (Hildegard
und Leonore bringen Jenisch fort)
Pallandt: Da
hat man’s wieder! Ein Eheweib hat im Krieg nichts zu suchen! Ich will den
geizigen Pfeffersack nicht länger leiden. Kein Geld mehr! Dieses ewige
Gejammer!
8
Am
morgen danach; das Gemach in dem die Offiziere gefeiert haben sieht ziemlich
verwüstet aus. Pallandt - auf dem Tisch - und der Corpes - auf dem Boden
liegend - schlafen ihren Rausch aus. Ein Kurier kommt hinzu.
Kurier: Ihr
Herren! Wacht auf! Wer von euch ist Oberst Pallandt?
Pallandt: Was?
Corpes: Was
macht ihr für ein gottserbärmliches Geschrei?
Kurier: Ich
bringe wichtige Order für den Herrn Oberst Pallandt.
Pallandt: Potzteufelfickament!
Was bringt er?
Kurier: Es
hat eine groß Battalie gegeben, bei Breitenfeld im Sächsischen. Der
Schwedenkönig hat eine große Victorie errungen. Der Tilly und des Kaisers
Armada sind geschlagen; nur wenige sind mit dem Leben davongekommen.
Corpes: Dann
steht’s um des Kaisers Sache schlecht im Reich.
Pallandt: Und
der Tilly?
Kurier: Sendet
euch seinen Befehl. (überreicht
ein Schriftstück)
Pallandt: Wir
sollen uns im kaiserlichen Lager zu Landsberg einfinden, wo der Tilly alles
kaiserliche Volk sammeln will. Jetzt heißt’s Pulver gerochen!
Kurier: Des
Kaisers Partei braucht jetzt jede Pike!
Pallandt: Teufel!
Aus ist’s mit dem schönen Leben! Corpes, laß er aufblasen!
Corpes: Zur
Plünderung?
Pallandt: Kujon!
Zum Abmarsch! Die Frau Oberst soll sich auch schleunigst richten!
(Corpes
ab)
Kurier: Der
Schwed steht schon bei Würzburg; ‘s wird damit gerechnet, daß er seinen Marsch
gegen Süden richten wird. Es wird auch damit gerechnet, daß die rebellischen
Reichsstädte alsbald ins schwedische Lager überwechseln.
Pallandt: Schwefelundpech!
Leih er mir seinen Arm; ich bin heut noch nicht gut zu Fuß. (Pallandt und Kurier ab)
9
Reichsstift
Kempten. Residenz des Fürstabtes Johann Willibald Schenk von Kastel. Der
Fürstabt kniet - ins Gebet vertieft. Der stiftskemptische Kanzler Herr von
Grafenbegg kommt hinzu, wartet aber bis der Fürstabt sein Gebet zuende
gesprochen hat.
Fürstabt: Salve
Regina, mater misericordiae,
vita,
dulcedo et spes nostra, salve.
Ad
te clamamus, exsules filii Evae.
Ad
te suspiramus, gementes et flentes
in
hac lacrimarum valle.
Eia
ergo, advocata nostra, illos tuos
misericordes
o culos ad nos converte.
Et
Jesum, benedictum fructum ventris tui,
nobis
post hoc exsilium ostende.
O
clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria.
(Grafenegg
tritt vor)
Fürstabt: Habt
ihr dem Bürgermeister Jenisch unseren Vorschlag, den alten Streit zwischen
Stift und Stadt zu begraben und im Angesicht der Gefahr gemeinsam dem Schweden
Widerstand zu leisten, unterbreitet?
Grafenegg: Ja,
euer fürstliche Gnaden.
Fürstabt: Nun,
welchen Bescheid habt ihr bekommen?
Grafenegg: Euer
fürstliche Gnaden, es war aussichtslos. Der Jenisch läßt euch ausrichten, es
sei zu spät für eine Verständigung. Er sagte wortwörtlich, die Sache sei nun
dahin gekommen, daß einer den anderen auffressen müsse.
Fürstabt: Damit
haben wir gerechnet. Von der ketzerischen Reichsstadt haben wir nichts gutes zu
erwarten. Grafenegg.
Grafenegg: Euer
fürstliche Gnaden?
Fürstabt: Sind
unsere Schätze alle ins sichere Tirol gebracht worden?
Grafenegg: Gestern
wurden die letzten Truhen und Kisten verladen und nach Reutte gebracht.
Fürstabt: Bis
auf das Schiff, das mit unseren Schätzen im Bodensee untergegangen ist,
befinden sich dann alle Schätze in Sicherheit.
Grafenegg: Das
Schiff hatte nur die klösterliche Bibliothek geladen.
Fürstabt: Der
Verlust ist zu verschmerzen.
Grafenegg: Das
Stift birgt nichts mehr, womit der Schwede eurer fürstliche Gnaden schaden oder
sich einen Vorteil verschaffen könnte. Das Archiv, die Listen der Steuern und
Abgaben, das Verzeichnis der Abhängigkeits und Lehnsverhältnisse, der
klösterliche Schatz, euer fürstliche Gnaden Kleiderkammer, das Tafelsilber,
alle Wertgegenstände, alles ist sicher verwahrt. Lediglich die Gegenstände und
Gewänder, die zur Ausübung des Gottesdienstes notwendig sind, wurden im Kloster
und in den Kirchen belassen.
Fürstabt: Grafenegg,
wir werden uns heute selbst mit dem Konvent ins sichere Romanshorn begeben. Für
die Dauer meiner Abwesenheit ernennen wir euch zu unserem getreuen Statthalter.
Grafenegg: Erhalte
ich auch Vollmacht, mit dem Schweden zu unterhandeln?
Fürstabt: Mit
dem Schweden?
Grafenegg: Der
Schwede wird uns zur Übergabe auffordern. Wenn wir akkordieren, uns dem
Schweden unterwerfen und Kontribution zahlen, wird das Stift am glimpflichsten
davon kommen.
Fürstabt: Nichts
da! Das ist Hochverrat! Niemals werden wir dem Schweden akkordieren!
Grafenegg: Und
eure Untertanen?
Fürstabt: Sollen
wie brave katholische Untertanen zum Ruhme der Heiligen Jungfrau gegen die
Schweden kämpfen oder krepieren!
(Fürstabt
ab)
Grafenegg: Sehr
wohl, eure fürstliche Gnaden. (Grafenegg
ab)
10
Kuhweide beim Schweglerhof; Anne und
Heinrich im Gras sitzend.
Anne: Heinrich,
ich hab Angst.
Heinrich: Wenn
ich bei dir bin, brauchst du vor nichts Angst zu haben.
Anne: Eben.
Du bist ja nicht immer bei mir. Und was ist, wenn der Schwed kommt?
Heinrich: Wenn
der Schwed erst kommt, geht’s doch auch euch Bauersleut gut. Unter des ruhmreichen
Schwedenkönigs Herrschaft brauchen doch dann auch deine Leut so gut wie keine
Steuer mehr zahlen; dann seid doch auch ihr Bauersleut endlich frei und ledig.
Anne: Aber
man hört vom Schweden so viel Schlimmes; alles nehmen sie vom Hof, das Vieh und
‘s Getreide; auch das Saatgut stehlen sie und viel brave Jungfern und
Bauerstöchter haben sie in schreckliche Not und Schande bracht, daß sie kein
rechtschaffener Bauer mehr zum Weibe wollt.
Heinrich: Ich
paß schon auf, daß dir kein Schwed zu nahe kommt. Und denk doch Anne, wenn ihr
Bauersleut doch erst ledig seid, dann kannst du mit mir in die Stadt gehen; als
meine rechtmäßige Braut kann ich dich dann heimführen.
Anne: Nie
und nimmer kann ich deine rechtmäßige Braut sein. Du bist ein Evangelischer und
ich eine Katholische.
Heinrich: Mir
ist ‘s einerlei, ob einer die Messe hört und zu seinem Heiligen betet oder
sich’s Evangelium predigen läßt. Und meine Leut denken genauso. Wenn’s sein muß
werd ich halt papistisch. Du bist mir eine Messe wert.
Anne: Ich
weiß schon, du bist einer, wo keinen rechten Glauben nicht hat. So seid ihr
Reichsstädter, immer tut ihr nur alles zu eurem Vorteil.
Heinrich: Das
würd ich doch nur für dich tun, damit ich dich zu meiner Frau nehmen kann. Mein
Glaube ist meine Liebe zu dir.
Anne: Und
was willst du dann anfangen? Jagen sie dich in der Stadt nicht davon, wenn du
katholisch wirst? Und meinst du, du wirst bei den Bauern dein Auskommen finden?
Meinst du, die nehmen einen Städter in Taglohn?
Heinrich: Warum
brütest du so viel? Sei doch nicht so trübselig. ‘s ist Mai. Wir haben
Frühling. Das ist doch keine Zeit zum Grübeln.
Anne: Für
was denn?
Heinrich: Aber
Anne, der Frühling ist doch die Zeit der Liebe.
Anne: Dann
kannst du mir ja nachts vor meinem Kammerfenster ein Ständchen bringen.
Heinrich: Was?
Anne: Das
macht ihr Städter doch so für eure Angebeten, nicht wahr?
Heinrich: Das
machen bloß reiche Müßiggänger und adelige Schaumschläger; wenn unsereiner so
was macht, bezieht er bloß Prügel von den Brauteltern. Außerdem kann ich nicht
singen.
Anne: Dann
lern ’s halt. Du fauler Bärenhäuter! Streng dich an!
(verpaßt
ihm einen kräftigen Schubs)
Heinrich: Nah
warte!
(sie
steht auf - er versucht sie zu fangen)
Anne: Ein
fauler Bärenhäuter bist du!
Heinrich: Wenn
ich dich zu fassen kriege!
Anne: Du
kriegst mich ja nicht! Bärenhäuter!
Heinrich: Und
ob ich dich kriege!
(beide
ab)
zweiter
Akt
1
Sitzungssaal
des Rathauses zu Kempten - strahlende Gesichter. Bürgermeister Zacharias
Jenisch und die Stadträte samt ihren Gattinnen erwarten die schwedischen
Offiziere zum festlichen Empfang.
Jenisch: Von
heute an sind wir endlich Bundesgenossen des schwedischen Königs; jetzt hat
alle Not ein Ende.
Löffler: Jetzt
zeigen wir dem Kaiser und der papistischen Hur wer wir sind! Ein Hoch dem
glorreichen Schwedenkönig und seiner siegreichen Armada, und nieder mit dem
Reich! Aus ist’s mit dem fürstäbtlichen Tyrannen!
Geiger: Langsam
meine Herren, noch ist der Schwede nicht Herr im Reich und wer weiß ob’s uns
unter der Schweden Herrschaft besser ergehen wird.
Jenisch: Und
ob, Herr Geiger. Und ob! Lange genug haben wir unter der kaiserlichen
Knechtschaft ausgehalten; lange genug haben wir um der evangelischen Sache
willen gelitten. Wir waren allzeit standhaft; jetzt kommt die Zeit, da wir
unseren gerechten Lohn empfangen werden.
Löffler: Und
wir das unsere von den Papisten zurückholen werden. Wir werden’s den
Katholischen schon recht wiedervergelten.
Geiger: Denkt
an die christliche Barmherzigkeit.
Jenisch: Das
Grobe besorgt schon der Schwede für uns, da können wir uns schon in
christlicher Barmherzigkeit üben. Vorausgesetzt, man gibt uns zurück, was man
uns die Jahre über abgezwackt hat.
Löffler: Das
Stift muß weg! Diese Hochburg des Katholizismus direkt vor unseren Mauern ist
eine Beleidigung für jeden freien evangelischen Bürger.
Schmelzer: Ein
Stachel im Fleisch unserer Stadt.
Löffler: Seht
nur zu, daß der Schwede gleich das ganze Gebiet des Fürstabtes unserer
Herrschaft übergibt
(Hildegard
Jenisch und Leonore kommen hinzu - man hört Jubel)
Jenisch: Hildegard,
was gibt’s? Sind sie da?
Jenische: Die
schwedischen Offizier sind vor dem Rathaus angelangt, gleich werden sie hier
sein.
Jenisch: Ein
Hoch auf den glorreichen Schwedenkönig! Vivat!
Alle: Vivat!
Vivat!
Löffler: Ein
Hoch den schwedischen Kavalieren!
Alle: Hoch!
Vivat!
2
Der
schwedische Befehlshaber Sir Patrick Ruthven - ein Engländer in schwedischen
Diensten, der wie alle schwedischen Offiziere fließend deutsch spricht - und
Hauptmann Christoph Kapfer kommen hinzu, beide nach französischer Mode
gekleidet.
Jenisch: Ein
Hoch den schwedischen Kavalieren! Herr Patrick Ruthven, wie froh sind wir, euch
in unserer Stadt zu sehen.
Löffler: Ungeduldig
haben wir eure Ankunft herbeigesehnt.
Ruthven: Seitdem
wir die Donau überschritten haben, sind wir in keiner Stadt mehr so freudig
empfangen worden. Nicht einmal in Memmingen war der Empfang so herzlich.
Jenisch: Die
Memminger haben unter der kaiserlichen Einquartierung auch nicht so gelitten
wie wir.
Ruthven: Damit
hat’s jetzt ein Ende! Von jetzt ab steht die Stadt unter dem Schutz und Schirm
seiner königlichen Majestät Gustav Adolf.
Jenisch: Herr
Ruthven, wie wollt ihr mit dem Stift verfahren?
Ruthven: Das
werden wir nach Kriegsrecht gebührend plündern und dort unser Quartier
aufschlagen. Die widerspenstigen stiftischen Bauern haben wir gestern noch ganz
manierlich zu Paaren getrieben. ‘s ging nicht ganz ohne Blessuren ab, aber ‘s
nächste Mal werden die Bäuerlein parieren. Herr Bürgermeister, der König legt
großen Wert darauf, daß die öffentliche Moral und Ordnung auch in Kriegszeiten
erhalten bleibt; wenn möglich sollten sich die Bürger eurer Stadt nicht an der
Plünderung des Stiftes beteiligen, zumal der König sich dahingehend geäußert
hat, eurer Stadt das Stift zu übereignen.
Löffler: Das
Stift gehört vom Erdboden getilgt!
Ruthven: Wenn
‘s euch erst gehört vermögt ihr damit zu verfahren, wie’s euch beliebt. Ihr
würdet aber nur euren eigen Besitz verderben; klüger wär’s, das Kloster in die
Mauern eurer Stadt einzubeziehen.
Was
die Verpflegung und Einquartierung meiner Leute anbelangt, so seid ihr
natürlich frei von allen Lasten und Abgaben; das katholische Stift hat für
alles aufzukommen. Auch hat der König aufgetragen, daß der Fürstabt und seine
Untertanen euch alles, was ihr durch kaiserliche Kontribution und
Einquartierung verloren habt, erstatten müssen. Zuvörderst müssen die
stiftischen Untertanen erst einmal entwaffnet werden.
Löffler: Ein
Hoch auf den König und seine tapferen Krieger!
Jenisch: Herr
Ruthven, laßt euch zur festlichen Tafel geleiten, die wir euch zur Reputation
und zur Verehrung hergerichtet haben.
Löffler: Ein
Hoch den schwedischen Kavalieren!
Jenisch: Und
ein Hoch auf des glorreichen Schwedenkönigs zukünftiges Regiment! Vivat! (alle
ab)
3
Auf
dem Sankt Mang Platz in der Reichsstadt. Zwei Bürgerinnen, die Gattinnen
arbeitsloser Weber - Weberin und Müllerin - im Gespräch.
Weberin: Hast
du die Schweden gesehen?
Müllerin: Bei
denen wußt man nicht so recht, ob einer Manns oder Weibs war: lange Haar und
Zöpf und die Bärt so elendiglich zugericht, daß zwischen Maul und Nasen und am
Kinn bloß noch ein paar Stoppeln hängen und dazu noch so weite Hosen, daß nicht
zwischen Weiberröcken und Mannshosen zu unterscheiden war.
Weberin: Das
sei jetzt nach französischer Mode, sagt man.
Müllerin: Ein
ehrliches Mannsbild wird sich doch niemals seinen Bart so jämmerlich versauen
lassen. Sogar die Ziegenböck gehen aus lauter Schamhaftigkeit keinen Tritt mehr
unter fremde Herden, wenn man ihnen die Bärt stutzt.
(ein
Ratsdiener hängt an einer Wand die Proklamation des Stadtrates auf)
Müllerin: Was
hängt der da auf?
Weberin: ‘s
ist bestimmt eine Verlautbarung vom Stadtrat.
Müllerin: Kannst
du lesen?
Weberin: Ein
bischen....(beginnt zu lesen)
Müllerin: Wenn’s
was wichtiges ist lassen sie’s noch ausrufen. Adam! Adam!
(ihr
Mann kommt hinzu)
Müllerin: Adam,
kannst du das lesen?
Müller: Was
schreist du so?
Müllerin: Ob
du das lesen kannst?
Müller: Was?
Müllerin: Na
das da! (zeigt auf den Aushang)
Müller: Das
da? Du weißt doch, ich seh nicht recht. Meyer! He Meyer!
(der
Meyer kommt hinzu - sein Lehrling Hans hinter ihm)
Müller: He
Meyer, dein Lehrbub kann doch lesen.
Meyer: Du?
Kannst du das lesen?
(Hans
stellt sich vor den Anschlag und versucht zu lesen)
Müllerin: Der
Kerl kann doch gar nicht lesen!
Meyer: Sakramet!
Zu nichts taugt der! Keine Arbeit haben wir und der frißt uns die Haar vom
Kopf!
Weberin: Ich
weiß, was da steht.
Müllerin: Na
sag schon!
Weberin: Der
Stadtrat verkündet, wir dürfen uns nicht an der Plünderung des Stifts
beteiligen.
Müller: Was?
‘s wird schon geplündert?
Meyer: Uns
sagt man wieder nichts!
Müllerin: Wir
dürfen uns nicht an der Plünderung beteiligen, damit die fetten Herren allein
die Beut machen können!
Müller: Die
hinterfotzige verfressene Bande im Stadtrat will ihr Spiel wieder einmal ohne
die Zünfte treiben.
Meyer: Das
lassen wir uns nicht gefallen! Wer hat denn die Hauptlast der Einquartierung
tragen müssen? Keiner von uns hat mehr Arbeit und jetzt sollen wir um unseren
verdienten Lohn kommen! Hans! Trommel alle Mitglieder der Weberszunft zusammen!
Mit klingendem Spiel ziehen wir zum Stift und schlagen alles kurz und klein!
Weberin: Ja!
Vor allem die stiftischen Webstühle laßt uns zu Brennholz machen!
Meyer: Seht
was ich mit der Verlautbarung des Stadtrats mache!
(reißt
die Proklamation von der Wand und zerreißt sie in Stücke)
Meyer: Nieder
mit der papistischen Hur! Tod dem Fürstabt! Auf zum Stift!
Alle: Nieder
mit dem Stift! Nieder mit der papistischen Hur! Tod dem Fürstabt und seinen
Knechten! Auf zum Stift! (alle ab -
mit klingendem Spiel)
4
Zwei Stadträte - Martin Geiger und Caspar
Löffler - kommen hinzu.
Geiger: Löffler,
was war das für Geschrei?
Löffler: Bürgersvolk,
das sich zusammenrottet. Seht Herr Geiger, die Proklamation des Stadtrates in
Fetzen.
Geiger: Sie
wissen nicht, was sie da tun.
Löffler: Ich
kann’s ihnen nicht verübeln. Ich hab’s dem Jenisch gesagt! Ich hab ihm gesagt,
‘s hat keinen Wert. Auch wenn’s dem Schweden zum Contentament ist. Volkeswut
läßt sich nicht lange im Zaume halten, irgendwann macht sie sich Luft. Und
Recht haben sie!
(Hans
kommt hinzu)
Geiger: He
du! Bursche!
Hans: Ja
Herr?
Löffler: Was
ist hier los?
Hans: Sie
sind ins Stift gezogen! Den Fürstabt wollen sie erschlagen. (Hans ab)
Geiger: Sie
können nicht viel ausrichten. Der Fürstabt ist längst geflohen und hat das
seinige ins Tirol gebracht, die Beamten sind geflohen und Mauern werden sie ja
keine einreißen wollen. Hoffen wir, daß sie keine Gewalttätigkeiten gegen das
katholische Volk und die Geistlichkeit anfangen und sonst auch kein Sakrilegium
begehen.
Löffler: Und
wenn schon? Wer hat uns in Pardon genommen?
(beide
ab)
5
Nacht.
Am Klostertor. Die Weber kehren lachend und feiernd mit Musik in die Stadt
zurück. Sie sind mit katholischem Meßgewändern bekleidet und tragen die katholischen
Kirchenfahnen mit sich. Der Müller trägt eine Monstranz vor sich her.
Weberin: He
Müller, was hast du da für einen goldenen Kelch?
Müllerin: Gelt?
Da wirst du neidisch.
Müller: Der
Messner wollt sich grad damit davon machen, dabei ist ‘r mir gradwegs in die
Finger gelaufen.
Weberin: Der
Müller hat reiche Beuten gemacht!
Müller: Das,
hat der Messner gesagt, das sei ein Mondings eine Mons-stranz und alle
papistischen Götzen und Heiligen täten sich an mir vergreifen, wenn ich das
mitnehm, darauf hab ich ihn tüchtig gedrillt! Meint ihr, ich bin dumm?
Weberin: Ja.
Schau doch! Da hat’s noch einen Deckel drauf.
Müllerin: Ist
vielleicht noch was wertvolles drin? (nimmt
den Deckel ab)
Meyer: Seht
ihr? Darin verwahren die Papistischen ihre Götzen! Da! (nimmt eine Hostie
heraus) Das ist der Katholiken falsch Meßopfer! Da, schau, was ich mit dem
papistischen Götzen anstell!
Weberin: Nicht!
Wer weiß, ob’s nicht wirklich Unglück bringt.
Meyer: Weberin!
Bist du insgeheim etwa auch eine Papistische?
Weberin: Nein!
Meyer: Siehst
du Weberin, soviele Blättchen in dem Kelch liegen, soviele Götzen haben die
Papistischen. Da! (zerbröselt die
Hostie)
Müller: So
ein Götzlein gäb bestimmt eine artliche Hutzier ab. (Steckt sich eine Hostie an
den Hut) Wie steht mir das? Das paßt doch gut zu meinem neuen Arbeitskittel.
Müllerin: Du
siehst aus wie ein Hofnarr!
Weberin: Und
dumm bist du Müller! So ein gutes Gewand nimmt man doch nicht zur Arbeit an, so
was bringt ein Schlauer doch zum Trödler. Schau dir die Spitzen an und die Goldborten
und die Stickereien.
Meyer: Auf’s
Feuer gehört der Tand!
Müllerin: Aber
Meyer, ‘s wär doch schad drum.
Meyer: Das
ist sündhafter Götzentand! Auf’s Feuer damit!
Müller: He
Meyer, du kannst ja deine Beuten verbrennen, meine werd ich rechtschaffen versilbern.
Müllerin: Ja.
Die Beuten steht uns zu!
Meyer: Aber
wenigstens die Fahnen mit den Götzenbildern drauf, laßt uns wenigstens die
verbrennen!
Müller: Die
Fahnen steck ich mir daheim auf den Misthaufen, damit jeder sieht, daß ich mit
dabei war, als wir’s Stift brav ausgeräumt haben!
Müllerin: Und
morgen gehen wir wieder ins Stift! Nichts soll mehr heil bleiben!
(sie
zeihen weiter)
Weberin: Um
die Fahnen wär’s auch schad, da sind Goldfäden mit drin!
Meyer: (ruft
ihnen nach) Wir wollen’s auf den Marktplatz bringen, vor’s Rathaus und da dann
alles anzünden! So wartet doch! (Meyer ab)
6
Stube auf dem
Schweglerhof. Hinter einer großen Truhe versteckt kauern Anne und Isabell.
Heinrich kommt hinzu.
Heinrich: He!
Ist denn da niemand mehr? Wo seid ihr alle?
Anne: Heinrich!
Du bist’s! (springt auf und umarmt ihn)
Heinrich: Liebes,
was ist passiert? Mann könnt meinen, euer Hof sei ausgestorben.
Anne: Schwedische
Reiter waren hier und haben alles mitgenommen.
Heinrich: Ich
versteh nicht.
Isabell: ‘s
waren an die fünfzehn Reiter. Ich hab sie grad noch gesehen, wie sie auf den
Hof zugeritten sind.
Anne: Vater
hat uns schnell noch im Heustadel versteckt.
Heinrich: Haben
sie euch was angetan?
Anne: Uns
beide haben sie nicht gefunden. Aber sonst haben sie alles mitgenommen. Das
ganze Vieh, alle Hühner, Sauen und die Küh, den ganzen Vorrat, Butter, Schmalz,
Korn, Würste und das Geräucherte. Nichts ist mehr da. Die Geldtruhe und den
Schmuck hat der Vater noch vergraben können.
Heinrich: Wo
sind eure Eltern?
Isabell: Die
haben sie auch mitgenommen, ihre Beut wegtragen. Hoffentlich geschieht ihnen
nichts.
Anne: Heinrich,
die Leut erzählen so viel Schlimmes. Ganz Reicholzried hat der Schwed
niedergebrannt. Die Bauern haben sie in die Kirchen gesperrt, die Türen
verriegelt und dann Feuer gelegt. Alle Leut haben drinnen lebendigen Leibes
elend verbrennen müssen. Den Pfarrer haben sie in Stücke gehauen. ‘s heißt,
auch viele andere Dörfer seien bis auf’s letzte Haus abgebrannt. Das Kloster,
sagt man, sei ganz verdorben und am meisten hätten sich die Reichsstädter dabei
hervorgetan. Bauern, die das ihrige versteckt haben, heißt’s, haben sie Gülle
und Unrat ins Maul geschüttet, solang bis die Bäuch ganz aufgebläht waren, dann
sind sie drauf rumgesprungen, bis die armen Kerl all das ihrige hergegeben
haben oder ihre Bäuch geplatz sind. Man könnt meinen, die Höll hätt sich auf
auftan und alle Teufel seinen herauskommen.
Heinrich: Mir
scheint, der Schwed ist nicht nur um des Evangeliums Willen ins Allgäu
gekommen.
Anne: Der
Vater hat noch gesagt, daß wir uns mit all unserer Habe im Wirlinger Wald
verstecken müßten, aber die Mutter hat g’meint, wenn man der Aufforderung folge
leistet und alle Waffen im Zeughaus abliefert und sich sonst wie brave
Untertanen aufführt, passiert einem schon nichts.
Heinrich: Ich
geh heute noch zu den schwedischen Obersten und sag ihnen, daß die Tochter vom
Schweglerhof eines reichsstädtischen Bürgers Braut ist und sie euch in Ruhe
lassen sollen. Oder besser noch, du kommt mit mir in die Stadt, die Isabell nehmen
wir auch mit. In der Stadt seid ihr sicher. Dort herrscht Recht und Ordnung.
Anne: Das
werden die Eltern nicht erlauben.
Heinrich: Das
gilt mir gleich! Ich will nicht, daß dir was zustößt!
7
Elisabeth Schwegler kommt hinzu - die
Mistgabel in der Hand.
Isabell: Mutter!
Schweglerin: Da ist ja einer von den gemeinen, verstohlenen Erzschelmen! Du
kommst mir nicht lebend vom Fleck! Du Saukerl!
(Anne
stellt sich schützend vor Heinrich)
Anne: Mutter!
Was tust du? Das ist doch der Heinrich!
Schweglerin: Meinst du ich bin blind? Ich seh schon recht gut, wer das ist.
Der hält doch nur Kundschaft, ob’s bei uns noch was zu holen gibt.
Heinrich: Aber
Frau Bäuerin, wo denkt ihr hin? Was hab ich euch getan?
Anne: Mutter!
Leg die Mistgabel weg!
Schweglerin: Einer von denen hat die Schweden auf den Hof geführt. Ich
hab’s ganz genau gesehen. Sein Gesicht hat’r unter einer weiten Kapp versteckt.
Trotzdem hab ich ihn erkannt. ‘s war einer von den Metzgern aus der
Reichsstadt! Der Gschwender war’s der Dreckskerl! Diese dreckigen verlausten
Ketzer! Der Gschwender wird schon von dem da g’wußt haben, daß ‘s bei uns was
zu holen gibt!
Heinrich: Ich
schwör’s euch! Ich bin unschuldig!
Anne: Mutter
nimm die Gabel weg! Heinrich hat nichts getan!
(die
Schweglerin nimmt die Mistgabel herunter)
Schweglerin: So? Jetzt ist mein eigen Fleisch und Blut auch eine von denen.
Meinst du, ich hab nicht g’merkt, daß du mit dem Ketzer rumbuhlst? Schändliches
Frauenzimmer du!
Heinrich: Frau
Schwegler, ihr solltet nicht alles über einen Kamm scheren. Auch unter den
Städtern und unter den Evangelischen gibt’s solche und solche!
Schweglerin: Und wer sagt mir, was für einer ihr seid?
Heinrich: Ich
hab mir nichts unrechtes zuschulden kommen lassen.
Schweglerin: Ach, ihr lutherischen Ketzer seid doch alle gleich!
Heinrich: Frau
Bäuerin, ich nehm die Anne mit in die Stadt.
Schweglerin: Was? Was wollt ihr? (bedroht ihn wieder mit der Mistgabel)
Meine Tochter willst du entführen? Saukerl! Erzkujon! Nur über meine Leiche!
Heinrich: Seid
doch nicht dumm! In der Stadt ist eure Tochter wohl in Sicherheit. Kein Schwede
oder sonst wer wird ihr dort zu nahe kommen. Wollt ihr, daß die Soldaten ihr
weiß Gott was antun?
Schweglerin: Da kommt ihr mir grad recht! Nur über meine Leiche! Seht nur
zu, daß ihr fortkommt. Wenn mein Mann kommt, erschlägt er euch! Ketzermensch!
Heinrich: Kommt
doch zur Vernunft!
Anne: Mutter
ich geh mit ihm!
Schweglerin: Du Metze! (ohrfeigt sie) Du bist meine Tochter nicht mehr
länger! Geh nur mit ihm! Geh nur! Komm mir nie wieder unter die Augen! Du
Hurenmensch! Schande über dich!
Heinrich: Wenn
ihr wollt....wenn ich möchtet, nehm ich euch und euren Mann auch mit in die
Stadt, dort kann euch kein Schwede was anhaben. Die Schweden sind unsere
Bundesgenossen; nehmt all eure Habe mit euch; ich will in der Stadt schon für
euch einstehen.
Schweglerin: Wie stellt ihr euch das vor? Sollen wir Haus und Hof im Stich
lassen? Anne, wenn du mit ihm gehst, brauchst du erst gar nicht wieder
zurückkommen. Unter meinem Dach hast du dann nichts mehr verloren.
Heinrich: Frau
Bäuerin, seid doch nicht so stur! Überlegt ’s euch. Mein Angebot steht. Komm
Anne, pack deine Sachen zusammen!
(Heinrich
und Anne ab)
Schweglerin: (ruft ihnen nach) Du Hurenmensch!
Isabell: Mutter,
der Heinrich ist schon ein rechter Kerl.
Schweglerin: Das mag ja sein, aber er ist ein Städter und ein
Evangelischer. Die haben doch den Schweden ins Land geholt.
Isabell: Mutter,
warum gehen wir nicht auch in die Stadt? Bis der Schwede weg ist? Da hat der
Heinrich doch recht.
Schweglerin: ‘s mag ja sein, daß der Kerl recht hat. Aber was soll aus dem
Hof werden? Soll sich hier der Schwede oder loses Landstreicherpack einnisten?
Soll alles verwahrlosen und dem Feuer anheimfallen?
Isabell: Und
wenn uns der Schwede ‘s nächste mal alle zusammen totschlägt?
(die
Schweglerin wird nachdenklich)
Schweglerin: Ich und der Vater, wir müssen hier bleiben. Aber ‘s ist schon
recht Isabell, du gehst auch in die Stadt, der Schwede hat’s auf brave Jungfern
abgesehen. Komm Isabell, schnür dein Bündel und geh der Anne nach; bevor der
Vater kommt, der würd’s nie erlauben.
Isabell: Du
schickst mich in die Stadt?
Schweglerin: Aber paß auf dich auf! Bei den Städtern bist du nicht wohl
gelitten. Sprich nichts mit den Leuten! Und versprich mir, daß du jeden Sonntag
zur Messe gehst. Und tu, was die Anne dir sagt.
Isabell: Ja
Mutter. Willst du nicht mitkommen?
Schweglerin: Ich muß hier bleiben. Paß auf dich auf, Isabell.
Isabell: Leb
wohl Mutter. (sie umarmen sich zum Abschied - Isabell ab)
Schweglerin: Gib gut auf dich acht! (Schweglerin ab)
8
Im
Rathaus der Reichsstadt. Eine Besprechung zwischen Ruthven und Jenisch.
Ruthven: Herr
Jenisch, die stiftischen Bauern weigern sich, uns freiwillig Proviant zu
liefern. Alles müssen wir gewaltsam requirieren. Ich bin des Requirierens und
Furagierens müde; auch seine Majestät der König sieht nicht gern, wenn seine
Soldaten plündernd durchs Land ziehen. Ich habe deshalb der Reichsstadt
Kaufbeuren Befehl gegeben, uns wenigstens einen Teil des benötigten Proviants
zu liefern. Die Kaufbeurer haben die Evangelische Sache schließlich erbärmlich
im Stich gelassen.
Jenisch: Meint
ihr nicht, Herr Ruthven, daß die Kaufbeurer damit zu glimpflich davon kommen?
Schließlich haben sich die Kaufbeurer arg gegen ihre evangelischen Mitbürger
versündigt. Wär’s nicht gerecht, wenn euch die Kaufbeurer neben der fälligen
Kontribution auch eure gesamte Furage und sämtlichen Aufenthalt besorgen
müssen?
Ruthven: Denkt
ihr, bei den Kaufbeurern gäb’s noch mehr zu holen?
Jenisch: Die
Kaufbeurer waren den Kaiserlichen und deren Jesuiten in allem zu willen und
wurden deshalb weitgehend von Kontribution und Einquartierung verschont. Die
Kaufbeurer haben drum noch volle Geldtruhen. Und, Herr Ruthven, ist’s für eure
Kompanien nicht besser, wenn die Kaufbeurer alles brav liefern und sich eure
Leute in wohlverdienter Ruhe erholen können, statt sich täglich aufs neue mit
den störrischen Bauern herumzuschlagen?
Ruthven: Da
habt ihr sicherlich recht.
Jenisch: Und
schließlich bringt es nur böses Blut mit sich, wenn die stiftischen Bauern all
zu hart vexiert werden.
Ruthven: Gut,
wir befehlen den Kaufbeurern, uns die gesamte Furage zu liefern. Herr Jenisch,
häufiger schon sind des nachts Bürger eurer Stadt ins Stift gezogen, haben dort
Türen und Fenster eingeschlagen und auch sonst recht vandalisch gehaust.
Gestern Nacht sind dort drei Häuser in Flammen aufgegangen. Seht zu, daß dieses
Treiben aufhört.
Jenisch: Herr
Ruthven, wir haben durch den Geheimschreiber seiner Majestät, dem Philipp
Sattler, der ein Sohn unserer Stadt ist, den König bereits um die Erlaubnis
gebeten, das Stift gänzlich zu exekutieren.
Ruthven: Dann
wartet doch wenigstens, bis ihr die Erlaubnis dazu habt. Noch eins Herr
Jenisch, die schwedischen Kompanien werden bald aus Kempten abziehen.
Jenisch: Herr
Ruthven, ist das euer ernst?
Ruthven: Der
Wallenstein hat ein neues kaiserliches Heer aufgestellt. An die 50.000 Mann
stark. Seine Majestät der König beabsichtigt, bei Nürnberg Wallensteins Angriff
abzuwarten und ihm eine rechte Battalie zu liefern. Aber seid unbesorgt, Kapfer
bleibt mit einer ausreichenden Salvaguardia in eurer Stadt.
(beide
ab)
9
Straße in der Reichsstadt. Die Müllerin -
aufgeregt.
Müllerin: Weberin!
Weberin! Hast du’s schon gehört?
(kommt
hinzu)
Weberin: Was
ist denn?
Müllerin: Ich
komm grad vom Rathaus.
Weberin: Und?
Müllerin: Im
Rathaus sind sie alle außer Rand und Band. Der Schwedenkönig hat uns erlaubt,
das Stift ganz und gar wegzuräumen und zu demolieren.
Weberin: Das
Stift? Wegräumen und demolieren?
Müllerin: Der
Stadtrat hat beschlossen, daß alles angezündet werden soll. Das ganze Kloster
mit allen Kirchen, Häusern und Stadeln.
Weberin: Das
gibt ein mords Feuerchen!
Müllerin: Adam!
Adam! Hör zu schaffen auf!
Weberin: Ja,
jetzt haben wir wieder was zu schaffen, seit der Schwed da ist. Der Schwed
braucht viel Tuch und zahlt gut!
Müllerin: Komm
Adam! ‘s gibt ein großes Feuer, das mußt du dir anschauen!
(Müller
kommt eilig herbei)
Müller: Was
ein Feuer?
Weberin: Ein
Freudenfeuer! Das Stift wird angezündet!
Müller: Das
gibt wahrlich ein Freudenfeuer! Schnell, wir müssen Fackeln und Zunder
herrichten. Bei der Verrichtung will ich nicht untätig zusehen.
(der
Meyer kommt hinzu)
Meyer: Nein!
Keine Fackeln und keinen Zunder.
Weberin: Was?
Wird’s doch nicht angezündet?
Meyer: Der
Stadtrat meint, wenn ‘s Stift abbrennt, könnt ‘s Feuer auf die Stadt übergehen.
Müllerin: Da
haben sie recht.
Meyer: Man
hat jetzt beschlossen, das Stift Stein für Stein abzubrechen! (ruft) Hans!
Hans!
Hans: (von
draußen) Was?
Meyer: Kerl,
bring’s schwere Werkzeug! Die Beil und Pickel!
Hans: Ja
Meister.
Müller: Das
gibt aber ein tüchtiges Stück Arbeit!
Meyer: Ach
was! Anständig Schießpulver ins Münster und die Lorenzkirchen gepackt, puff,
und weg ist’s. Den Rest einzureißen ist ein leichtes.
(Hans
kommt mit Äxten und Spitzhacken hinzu)
Hans: Hier
Meister, das Werkzeug.
Meyer: Müller,
da, nimm einen Pickel und auf geht’s! Kerl, du kommt auch mit.
Hans: Freilich,
das wird ein Gaudium.
Meyer: Wir
werden nicht ruhen, bis auf dem ganzen Platz die Heidelbeer wachsen, bis alles
zu einem lauteren Steinhaufen geworden ist! Und nichts mehr von diesem
papistischen Tempel kündet! Kommt! Alle Bürger treffen sich auf dem
Rathausplatz! (alle
ab)
Pause
dritter
Akt
1
Haus
des Metzgers Schwenk in der Reichsstadt. Anne schrubbt den Fußboden. Heinrich
kommt hinzu; auf dem Rücken hält er ein Bündel versteckt.
Heinrich: Anne,
was machst du da?
Anne: Dein
Vater hat g’meint, wenn er schon mich und die Isabell durchfüttern muß, sollen
wir auch die Hausarbeit verrichten.
Heinrich: Liebes,
wenn der Alte meint, er muß dich schikanieren, sagst du’s mir. Für dich und die
Isabell komm schließlich ich auf.
Anne: Es
ist schon gut. Dein Vater hat ja recht. Schließlich hast du ihm eine
Katholische ins Haus geholt
(zieht
das Bündel hervor)
Heinrich: Anne,
was meinst du, was ich da hab?
Anne: Nein.
Was ist das?
Heinrich: Da
kommst du nie drauf.
Anne: (skeptisch)
Warst du mit den anderen wieder im Stift draußen?
Heinrich: Aber
Anne, ich hab’s dir doch schon erklärt, alle anständigen Bürger müssen
mithelfen, wenn das Stift abgebrochen wird. Und es lohnt sich. Da schau!
(er
öffnet das Bündel)
Anne: Mein
Gott! Das ist ja ein Schatz! Lauter goldene Ring und Ketten! Wie schön das
alles ist. Lauter Edelstein; und wie ‘s glitzert, glänzt und funkelt.
Heinrich: Ja.
Jetzt sind wir reiche Leut! Jetzt brauchst du keinen Boden mehr schrubben,
jetzt sind wir vermögend.
Anne: Heinrich,
wo hast du das her?
Heinrich: Heut
haben wir die Grüft aufgebrochen. Du hättest sehn sollen, was für Kostbarkeit
sie ihren Fürstäbten mit in die Särg gelegt haben. Dir steht so eine güldne
Kette doch viel besser als einer vertrockneten Leich.
(er
will ihr eine Kette umlegen - sie wehrt sich dagegen)
Anne: Ihr
habt die Gräber geschändet?
Heinrich: Aufgebrochen
und geschändet haben’s die anderen, die Grabmäler zerschlagen, die Gewänder
geraubt und Leichen und Knochen auf die Straßen geworfen. ‘s war auch ein
tüchtiges Stück Arbeit, die schweren Zinnsärg aufzubrechen. Der alte Fürstabt,
der letztes Jahr gestorben ist, sah noch recht manierlich aus. Seine
Totengewänder hätt’st du sehen sollen. Die sind bestimmt ein Vermögen wert. Ich
hab mir bloß den Schmuck genommen.
Anne: Du
hast einem Toten die Ring vom Finger gezogen?
Heinrich: Die
städtischen Totengräber machen’s doch auch so, wenn man nicht aufpaßt.
Anne: Bring’s
wieder zurück!
Heinrich: Wie
stellst du dir das vor? Soll’s ein anderer mit heim nehmen?
Anne: Heinrich,
so was bringt doch Unglück!
Heinrich: Glück
wird’s uns bringen. Jetzt sind wir Leut von Stand.
Anne: Heinrich,
wenn du Schlau bist, vergräbst du’s und wenn endlich Friede ist gibst du’s dem
Fürstabt zurück. Das wird dir Ehr und Belohnung einbringen.
(sie
schrubbt weiter den Fußboden)
Heinrich: Freilich
vergrab ich’s. Wenn erst Friede ist, ist’s ja auch mehr wert.
(Heinrich
ab)
2
Isabell kommt hinzu.
Anne: Lauf
mir nicht durch’s frisch geputzte!
Isabell: Anne,
wann dürfen wir endlich wieder heim?
Anne: Gefällt’s
dir denn hier gar nicht?
Isabell: Überall
ist’s eng und dreckig. Wenn du durch die Gassen gehst, mußt du aufpassen, daß
sie dir nicht ihren Scheißdreck auf den Kopf schütten. Weil sie nämlich ihre
Nachttöpf und ihren Unrat bloß aus dem Fester leeren, dabei hätten sie vor
jedem Haus einen Misthaufen. In den Straßen stink ’s so unchristlich, als wenn
einer nie seinen Stall ausmistet und die Viecher bloß in der Gülle stehen! Die
Leut schauen einen immer so an, als ob man ihnen ‘s Brot vom Teller und die
Suppen aus der Schüssel nehmen möchte.
(Anne
ist inzwischen mit Schrubben fertig)
Anne: Du
weißt doch, der Schwed streift noch übers Land.
Isabell: Ja.
Ich weiß. Die Leut auf dem Markt sagen, der Schwed hätt in Immenstadt alle
Leut, so lebend angetroffen wurden, an die Pferd gebunden und zu Tod
geschleift, bei Ottobeuren haben sie Frauen und Kindern Nasen und Ohren
abgeschnitten.
Anne: Schrecklich!
Diese Mörderbande! Siehst du Isabell, wie froh wir sein müssen, daß wir in der
Stadt bleiben dürfen.
(beide
ab)
3
Vor
dem Stift. Ratsherr Schmelzer und Hauptmann Kapfer. Der Schmelzer sitzt in
einem bequemen Sessel, vor sich ein schönes Glas Wein.
Kapfer: Heute
sind schon wieder weniger Bauern zur Arbeit erschienen. ‘s werden von Tag zu
Tag weniger.
Schmelzer: Die
faulen Hund! ‘s wird Zeit, daß ihr da hart durchgreift!
Kapfer: Eure
Bürger sind auch nur noch mit schwindendem Eifer bei der Arbeit.
(Stadthauptmann
Löffler kommt hinzu)
Löffler: Herr
Schmelzer, ihr habt es euch hier recht kommodierlich gemacht.
Schmelzer: Ja,
Herr Löffler. Wenn ich schon die Abbrucharbeiten am Stift beaufsichtigen muß,
reicht’s ja wenn ich das von einem bequemen Sessel aus tue und mir’s auch sonst
recht wohl sein laß.
Löffler: Und
Schmelzer, wie geht’s vorwärts?
Schmelzer: Zäh.
Reichlich zäh! Zuerst hat man g’meint, man könnt alles an einem einzigen Tag
einbrechen und niederreißen. Aber die Mauern sind zu dick. Wenn man nur mehr
Schießpulver zum Sprengen nehmen könnt.
Kapfer: Schießpulver
ist zu kostbar, das brauchen wir für die Kaiserlichen.
Schmelzer: Die
Bauern, die wir für den Abbruch zur Zwangsarbeit aufgeboten haben, verweigern
auch immer mehr den Dienst. Die Türme und die Residenz einzureißen und die
Lorenzkirchen war noch ein leichtes, aber das Münster ist recht massiv gebaut.
Löffler: Da
müssen gelernte Mauer her. Das geht zu langsam. Das Stift muß weg. Sollten
eines Tages die Kaiserlichen kommen, werden sie’s als Bollwerk gegen uns
verwenden. Nachts streifen sie schon herum, es sind vor der Stadtmauer auch
schon die ersten Bürgerhäuser geplündert worden.
Kapfer: Habt
nur Vertrauen. Die Stadt ist wohl montiert. Laßt die Kaiserlichen nur kommen.
Sollten wir ernstlich in Bedrängnis geraten wird uns der König umgehend Entsatz
schicken.
Löffler: Gleichviel!
‘s Stift muß endlich weg. Was machen die Leute da drüben?
Schmelzer: Wen
meint ihr?
Löffler: Da
drüben! Die Kerle, die da die besten Steine auf die Wagen laden.
Schmelzer: Ach
die meint ihr.
Löffler: Habt
ihr das aufgetragen?
Schmelzer: Ich
laß mir bloß einige Steine auf’s Haubenschloß bringen. Um mein Schloß zu
vergrößern. Meint ihr nicht daß’s schade um das gute Baumaterial wär, wenn man’s
hier verkommen ließe.
Löffler: Ihr
wißt, sämtliches Baumaterial aus dem Stift gehört der Stadt. Damit soll die
Befestigung der Stadt verbessert werden.
Schmelzer: Kommt
Löffler, auf die paar alten Stein wird’s schon nicht ankommen.
Löffler: Mir
scheint, ‘s sind grad die besten Stück, die ihr da auf euer Haubenschloß
bringen laßt.
Schmelzer: Spielt
euch hier doch nicht zum Richter auf, ihr habt doch auch überall zugegriffen,
wo ihr’s konntet.
Löffler: Nichts
für ungut, Schmelzer. Ich bin nur gekommen, euch zu holen. ‘s ist eine
dringende Ratssitzung einberufen worden. Der Jenisch hat eine Botschaft vom
König erhalten, bedeutenden Inhalts, wie er sagt. Kommt also, auf’s Rathaus.
(alle
ab)
4
Rathaus.
Das Gros der Ratsherren hat sind bereits versammelt. Löffler, Schmelzer und
Kapfer kommen hinzu.
Löffler: He
Geiger, wißt ihr schon worum’s geht?
Geiger: Der
Jenisch wird’s gleich verlesen.
Schmelzer: (scherzt)
Vielleicht werden wir alle in Adelsstand erhoben.
Geiger: Da.
Der Bürgermeister.
(Jenisch
kommt hinzu - feierlich trägt er eine Urkunde vor sich her)
Jenisch: Ehrwürdige
Ratsherren, heute ist der bedeutendste Tag in den Analen unserer Stadt seit der
Verleihung der Reichsunmittelbarkeit . Auf immer sollen unsere Nachfahren und
Kindeskinder dieses herrlichen Tages gedenken, an dem unsere Stadt auf
wunderbare Weise und durch des ruhmreichen Schwedenkönigs Gunst erhöht wurde.
Der König sendet uns folgende Urkunde.
(entrollt
die Urkunde und liest vor)
Wir
Gustav Adolf durch die Gnade Gottes König von Schweden übergeben auf ewige Zeit
der Reichsstadt Kempten, ihren Bürgern, deren Kindern und Kindeskindern, die
von uns eroberte und durch Kriegsrecht und Gewalt erlangte Grafschaft Kempten
mit allem was dazugehört zu rechtmäßigem Eigentum als Anerkennung der Verdienste,
die sich die Stadt um die evangelische Sache erworben hat.
(blickt
in die Runde)
Löffler: Habt
ihr gehört? Habt ihr das gehört?
Jenisch: Das
ganze Gebiet des Stiftes gehört von jetzt ab unserer Stadt an.
Schmelzer: Verewigen
wir die Urkunde ins Stein! Laßt uns ein prächtiges Denkmal bauen. Aller
Posterität zum Gedenken.
Löffler: Errichten
wir dem König ein Standbild vor dem Rathaus. Hoch zu Roß.
Schmelzer: Ein
Hoch dem König! Vivat!
Alle: Hoch!
Gustav Adolf lebe! Vivat!
Jenisch: Die
ganze Bürgerschaft soll sich auf dem Rathausplatz versammeln. Die ganze
Bürgerschaft soll diese Botschaft vernehmen.
(Jenisch
ab)
Schmelzer: Prächtig.
Jetzt gilt’s die Ämter des Stifts unter uns aufzuteilen. Jetzt brechen
herrliche Zeiten an.
Löffler: Geiger,
weshalb blickt ihr so finster drein?
Schmelzer: Denk
euch nichts Löffler, der Geiger war schon immer ein Katholikenfreund.
Löffler: Damit
ist’s vorbei, jetzt müssen die Stiftischen alle rechtschaffen Evangelisch
werden. Und wer sich weigert wird tüchtig tribuliert.
(alle
ab)
5
Am Brunnen auf dem Sankt Mang Platz.
Weberin und Müllerin im Gespräch.
Weberin: Jetzt
heißt’s sich ranhalten. Die Räte haben jetzt viel stiftische Posten zu
vergeben. Da fällt für jeden ehrlichen Bürger was ab. Wenn du schlau bist, schaust
du, daß dein Adam auch im Stift unterkommt. Ein fetter Beamtenposten, das ist
doch viel einträglicher als die Weberei.
Müllerin: Wenn
einer einen Posten im Stift will, muß’r doch lesen und schreiben können.
Weberin: Danach
haben sie bisher wohl nicht gefragt; ‘s heißt eher, daß sich’s die sauberen
Ratsherren was kosten lassen.
Müllerin: Ich
hab schon beim Geiger angefragt; der Geiger ist ein Ehrlicher und
Rechtschaffener. Der macht keine holen Hände.
Weberin: Und
was hat der Geiger g’meint?
Müllerin: Eben
daß man als stiftischer Amtsmann wohl lesen und schreiben können muß. Außerdem
hat er g’meint, ‘s hätt sowieso keinen wert, das Stift würd eh nicht lang bei
der Stadt bleiben.
Weberin: Der
König hat’s uns doch für alle Zeit gegeben.
Müllerin: Aber
die Kaiserlichen täten’s bald wieder einsacken, hat der Geiger g’meint.
Weberin: Ach,
was der alte Geiger immer meint! Der Geiger war schon immer ein Schwarzseher.
(Isabell
kommt hinzu, um Wasser zu holen)
Müllerin: Schau,
eine von den Bauersleuten. He du! Geht ihr auch mal wieder heim?
Isabell: Lieber
heut als morgen.
Müllerin: Jetzt
habt ihr euch ja bei uns sattg’fressen.
Isabell: Wir
gehören jetzt auch zur Stadt.
Müllerin: Ja
scho. Als Untertanen aber nicht als Bürger. Was für euch früher euer Fürstabt
war, das sind jetzt wir für euch. Drum kannst du jetzt schon mehr Respekt
zeigen. Schau, daß du wieder zu deiner Schwester, dem Hurenmensch und ihrem
Buhlen kommst.
Weberin: Komm,
laß das Mädchen doch in Ruh.
Isabell: Der
Heinrich wird meine Schwester heiraten.
(sie
schöpft Wasser aus dem Brunnen)
Müllerin: So?
Das will ich sehen. Ein Evangelischer eine Papistische! Wer soll denn den Segen
über so ein Paar sprechen? Wenn ihr wenigstens evangelisch werden wollt.
Weberin: Mädchen,
nimm deinen Krug und geh weiter.
Müllerin: Die
kommen doch bloß in die Stadt damit sie brave Bürgersöhne heimlich zu
Papistischen machen können. Schau doch bloß, wie kokett sich die junge Dirn
gibt und was für Blick ihr die Burschen nachwerfen.
Isabell: Eure
Bürgersöhn sind samt und sonders Dummköpf und Bärenhäuter. Seid nur unbesorgt.
(nimmt
ihren Wasserkrug und geht weiter)
Müllerin: Euch
wird man schon noch austreiben! Mit Schimpf und Schande. Ich sorg scho dafür,
daß sie dich und deine saubere Schwester an den Pranger stellen.
Weberin: Komm.
‘s ist doch recht, wenn die Bauern in Notzeiten in die Stadt kommen. Draußen
geschieht doch so viel Unheil.
Müllerin: Dann
sollen sie auch evangelisch werden und sich ordentlich aufführen.
(beide
ab)
6
Schloß
der Erzherzöge von Tirol zu Innsbruck. Fürstabt Johann Schenk von Kastel trifft
sich zu einer Unterredung mit der Erzherzogin Claudia von Medici - die
Erzherzogin verkörpert alle Grandezza dieses vom Kaufmannsstand in die höchsten
Adelsränge aufgestiegenen Geschlechts. Sie gehen in einer offenen Loggia auf
und ab.
Erzherzogin: Caro Stimatissimo Signore Schenk, aus der Grafschaft Kempten
vernehmen wir nur die aller schrecklichste Kunde von unmenschlichen Greueltaten
und zum Himmel schreiender Gotteslästerung, verübt von des unseligen Schwedenkönigs
Kriegsknechte und verübt von den hochverräterischen Bürgern der Reichsstadt.
Fürstabt: Euer
fürstlichste Durchlaucht vermögen sich gar nicht vorzustellen, wie
gotteslästerlich diese erzmalefikanten Ketzerbuben in meinem geliebten Stift
und meiner Grafschaft gehaust haben.
Erzherzogin: Dem Wallenstein beliebt ’s immer noch nicht, die
rebellischen Reichsstädte zu züchtigen. Ins Sächsische ist er gezogen, satt die
katholischen Lande aus der schwedischen Drangsal zu befreien.
Fürstabt: Der
Wallenstein steckt doch mit den Lutherischen unter einer Decke; dem Wallenstein
gilt’s gleich, ob einer ein braver katholischer Untertan oder ein lutherischer
Rebell ist. Schon in mehr als nur einem
untertänigsten Gesuch haben wir seine kaiserliche Majestät um gnädigen Beistand
ersucht.
Erzherzogin: Si, certamente, der Kaiser klagt, er könne’s dem Wallenstein
nicht befehlen, der Wallenstein habe in allen Kriegsgeschäften freie Hand. Doch
der Wallenstein zaudert, weicht einer Battalie stets aufs neue aus. Dabei wäre
es adesso ein leichtes, die Schweden endgültig aus Schwaben zu weisen. Des
Schwedenkönigs Armada steht fern, die schwedischen Garnisionen sind nur gering
an Zahl und die rebellischen Bürger feige. Der Freiherr von König steht in
Lindau und der Aldringen in Landsberg, gemeinsam könnten sie die Rebellen von
Westen und vom Osten her in die Tenaglia nehmen. Auch wir wollen das unsrige
beitragen und unsere braven Tirolischen Bauern aufbieten; auch an Geld aus
unserer Schatzkammer soll’s dem Wallenstein nicht mangeln.
Fürstabt: Eure
fürstlichste Durchlaucht, wir sind euch zu allergrößtem Dank verpflichtet. Auch
wir haben ‘s dem Wallenstein schon angeboten, zu den Kriegskosten beizusteuern.
Erzherzogin: Mio Caro Schenk, die Occasione wär straordinario günstig.
Fürstabt: Ja,
eure fürstlichste Durchlaucht, die Hauptsache ist doch zuvörderst, Kempten erst
einmal zu erobern; dann gilt es als weiteres Ziel durchzusetzen, daß der große
Kauf des Jahres 1525 für null und nichtig erklärt und der Stift die alten
rechte in der Stadt wieder eingeräumt werden. Dann kann der stiftische Vogt
wieder auf der Burghalde seinen rechtmäßigen Sitz einnehmen und die Kirche
Sankt Mang und die Bürger der Stadt zur Ehre Gottes wieder zum katholischen
Glauben zurückgeführt werden.
Erzherzogin: Certamente, sofern es nicht vorzuziehen ist, die
halsstarrigen Reichsstädter, anderen ungehorsamen Ständen des Reiches zum
abscheulichen Esempio, in genere niederzumachen und tolamente zum Heile vieler
Seelen auszutilgen.
Fürstabt: Überhaupt
wäre es das beste, wenn die Stadt ein für allemal dem Stift übergeben und
einverleibt würde, denn es wird so lange die Welt steht, zwischen Stift und
Stadt kein Friede und Ruhe sein, sondern nur Krieg und Zank.
Erzherzogin: Certamente mio Caro Schenk, doch bedenkt immerhin, daß alles
auch ein gutes hat. Schließlich dürfen sich eure Untertanen molto felice
wähnen, in einer Zeit zu leben, die es ihnen sempre gestattet für den rechten
Glauben und zum höheren Ruhme der heiligen Madonna das Martyrium auf sich zu
nehmen und zu erleiden. La posso pregare?
(beide
ab)
7
Reichsstadt,
Stube im Haus des Bürgermeisters. Jenisch sitzt mit sorgenvoller Mine in einem
Sessel. Hildegard arbeitet an einer Stickerei. Leonore kommt mit einem Becher
Wein hinzu.
Leonore: Euer
Schlaftrunk, Herr Vater, einen Becher warmen Gewürzweins
Jenisch: Danke
mein Kind. Sag dem Knecht, er soll noch mehr Holz hochbringen, ‘s ist kalt in
der Stube und ich spür meine Gicht. Der Fuß tut weh.
Leonore: Ja
Herr Vater.
(Leonore
ab)
Hildegard: Was
ist mit dir Zacharias? Was grübelst du?
Jenisch: ‘s
ist nichts.
Hildegard: Was
für Sorgen plagen dich?
Jenisch: Man
darf’s nicht laut sagen, aber langsam fängt die schwedische Sache an, auf
Saufedern zu stehen.
Hildegard: Meinst
du, der Schwede läßt uns im Stich?
Jenisch: Der
Schwede hat jetzt viel um die Ohren. Der Schwedenkönig ist tot. ‘s hat eine
große Battalie gegen den Wallenstein gegeben, bei Lützen im Sächsischen. Der
König ist bei der Attacke gefallen.
Hildegard: Das
ist schlimm.
Jenisch: Die
Kaiserlichen gewinnen Oberhand.
Hildegard: Zacharias,
‘s ist doch noch nicht zu spät, das schlimmste abzuwenden. Gebietet dem Treiben
doch Einhalt. Hört mit dem Abbruch des Klosters auf. Und es geht doch nicht an,
daß die sauberen Ratsherren alle in ihre eigene Tasche wirtschaften, das Land
aussaugen und die stiftischen Bauern immer mehr gegen sich aufbringen.
Jensich: Die
Räte und die Bürgerschaft werden nicht auf mich hören, unser neuer Stand hat
ihnen ganz den Kopf verdreht. Daß sie sich jetzt Kanzler und Amtsmänner der Grafschaft
Kempten nennen dürfen, ist ihnen ins Hirn gestiegen. Dabei kann sich keiner von
ihnen mehr bei den Bauern zeigen. Totschlagen würden sie die sauberen Herren.
Ich kann’s ihnen nicht verdenken, der Schmelzer baut sich von seiner Beuten das
Haubenschloß und sein sauberer Bruder plündert derweil die Bauern aus.
Hildegard: Zacharias,
dann wird’s ein bös Strafgericht geben, wenn erst die Kaiserlichen kommen. Gott
steh uns bei.
Jensich: Mach
dir keine Sorgen Frau, so leicht steckt man uns nicht in den Sack. Die Stadt
ist stark und wir werden uns schon zu wehren wissen. Gott ist mit uns.
(Licht
aus beide ab)
8
Vor dem Stift. Löffler und Schmelzer auf
bequemen Stühlen und in Pelzmänteln.
Schmelzer: Kalt
ist’s Löffler.
Löffler: Das
Wetter ist zu schlecht. Wir werden die Abbrucharbeiten bald einstellen. Bei dem
Wetter hat’s keinen Wert. ‘s gescheiter, wir machen im Frühjahr weiter.
Schmelzer: Da
schaffen jetzt eh nur noch gelernte Mauer im Taglohn, die bräuchten wir
eigentlich gar nicht zu beaufsichtigen.
Löffler: Dumm
waren wir, Schmelzer. Einfach dumm.
Schmelzer: Wie
meint ihr das?
Löffler: Wir
hätten vom König gleich die Herrschaft über das Gebiet von Nesselwang und
Pfronten fordern sollen. Ja, die Herrschaft über das Tirol hätten wir an uns
bringen können.
Schmelzer: Da
habt ihr wohl recht, wir waren zu bescheiden.
Löffler: Dumm
waren wir! Einfach dumm!
Schmelzer: Jetzt
wo der König tot ist, wird sich da wohl nichts mehr machen lassen.
Löffler: Kaum.
Der schwedische Reichskanzler ist ein sturer Hund.
Schmelzer: Saukalt
ist’s, Löffler.
Löffler: Wir
hätten gleich richtig zulangen müssen.
Schmelzer: Kalt
ist’s und bald schon werden die Kaiserlichen kommen.
Löffler: Doch
nicht im Winter! Habt ihr schon mal einen rechten Feldherren gesehen, der einen
Feldzug im Winter eröffnet?
Schmelzer: Meint
ihr, sie warten bis zum Frühjahr?
Löffler: Wie
wollt ihr schwer Geschütz und Artollerei winters durch den Schnee bringen? Wenn
dann kommen die Papistischen erst im Frühjahr und bis dahin haben wir längst
wieder schwedische Kompanien im Quartier.
Schmelzer: Dann
meint ihr nicht, daß es besser ist, einstweilen Frau und Kind in die Schweiz zu
schicken?
Löffler: Aber
Schmelzer! Wo denkt ihr hin? Nirgendwo sind eure Frau und eure Kinder sicherer
als in unserer festen Stadt. Kommt, gehen wir uns aufwärmen.
(beide
ab)
9
Quartier
des kaiserlichen Oberst Freiherr Peter von König in Lindau. König kniet vor
seinem Beichtvater, der ihm gerade die Beichte abgenommen hat; sie beten
gemeinsam; der Pater laut, König leise. Als Widerpart zu Bürgermeister Jenisch
ist König ebenfalls streng spanisch gekleidet.
Pater: Laudate
Dominum omnes gentes, collaudate eum, omnes populi.
Quoniam
confirmata est super nos misericordia ejus, et veritas Domini manet in
aeternum.
Gloria
Patri et Filio, et....
(ein
Leutnant kommt hinzu)
Leutnant: Herr
Oberst von König....
(König
gibt dem Leutnant ein Zeichen, worauf dieser schweigt)
Pater .....et
Spiritui Sancto.
Sicut
erat in principio, et nunc et semper,
et
in saecula saeculorum. Amen.
König: Amen.
(steht auf) Kerl, was gibt?
Leutnant: Eine
Order vom Generalissimus und ein Schreiben von der Erzherzogin.
(übergibt
ihm zwei Schreiben; König liest)
König: Soso,
der Wallenstein erteilt uns die Genehmigung zum schwäbischen Feldzug. Jetzt
mitten im Winter; hätt er’s uns nicht schon vor einem Monat erlauben können? Da
war’s Wetter noch besser. Der Erzherzogin bittet uns, sogleich gegen Kempten zu
ziehen und die dortige Ketzerei mit Stumpf und Stil auszurotten.
Pater: Dem
Herrn sein Dank.
König: Gemach
Pater, wir gewinnen nur die Stadt dem Reich zurück. Das mit den Ketzern dürft
ihr hernach besorgen.
Pater: Vergeßt
nicht Herr Oberst, daß ihr eure Waffen der heiligen Jungfrau geweiht habt und
das Bild der Muttergottes in eurem Banner führt.
Leutnant: Herr
Oberst, die Straße von Lindau nach Kempten ist wegen der starken Schneefälle
fast unpassierbar.
König: Einen
regelrechten Feldzug wird’s nicht brauchen. Die Reichsstädter sind ja nicht
dumm. Wir werden sie gütlich unter annehmbaren Bedingungen zur Übergabe auffordern.
Pater: Das
wird nicht im Sinne seiner fürstlichsten Durchlaucht, der Erzherzogin, und auch
nicht im Sinne seiner fürstlichen Gnaden, des Fürstabtes, sein.
König: Pater,
die Religion ist eine, das Kriegshandwerk eine andre Sache. Wenn die Spitzköpf und
Siemänner in Trutz verharren, nutzen wir die Überraschung und nehmen die Stadt
im Handstreich. Der Schwed hat nur eine schwache Salvaguardia zurückgelassen.
Für diese Battalie braucht’s keine besonderen Strategemata. Eine Cavalcada und
leichte Artollerei genügen. Leutnant, wir brechen noch heute auf.
(alle
ab)
vierter
Akt
1
Auf
der Stadtmauer der Reichsstadt. Jenisch und Kapfer. Es schneit. Kapfer
beobachtet mit einem Fernrohr durch das Scheegestöber den Aufmarsch der Kaiserlichen
Kapfer: Herr
Jenisch, es ist wie ich’s euch sagte, ihr dürft unbesorgt sein. Der Peter von
König hat nur eine Handvoll Reuter bei sich.
Jenisch: Auf
wieviel Mann hoch schätzt ihr die Kaiserlichen?
Kapfer: Vor
der Stadt dürften’s grad ein paar hundert Dragoner sein. Vom Buchenberg herab
ziehen weitere Kolonnen. Musketierer und wieder Dragoner. Insgesamt höchstens
tausend bis zweitausend Mann.
Jenisch: Mit
den paar Leuten will der von König unsere Stadt erobern?
Kapfer: Ich
sag’s euch ja, ‘s gilt nichts zu befürchten.
Jenisch: Seht
ihr auch Geschütz?
Kapfer: Viel
hat der von König nicht durch den Schnee gebracht. Das da vorn dürften nur zwei
halbe Kartaunen sein und dahinten seh ich noch zwei Falkonettlein, nein, da ist
noch eins, drei Falkonettlein sind’s. Sonst weit und breit nichts.
Jenisch: Ist
das schweres Geschütz?
Kapfer: Nein,
das sind nur leichtere Stücke.
Jenisch: Dann
sind wir dem König ja haushoch überlegen! Wir haben auf unseren Mauern an die
sechzig Geschütz, darunter sogar ein Orgelgeschütz und noch zahlreiche
Granaten. Und an Volk sind wir mindestens ebenso stark.
Kapfer: Ich
sag’s ja, seid guten Mutes. Auch wenn die Kaiserlichen in den nächsten Tagen
noch Zuzug und Verstärkung erhalten, vom Breisgau her naht der General Horn mit
einer noch gesagt, daß wir uns mit all unserer Habe im Wirlinger Wald
verstecken müßten, aber die Mutter hat g’meint, wenn man der Aufforderung folge
leistet und alle Waffen im Zeughaus abliefert und sich sonst wie brave
Untertanen aufführt, passiert einem schon nichts.
Heinrich: Ich
geh heute noch zu den schwedischen Obersten und sag ihnen, daß die Tochter vom
Schweglerhof eines reichsstädtischen Bürgers Braut ist und sie euch in Ruhe
lassen sollen. Oder besser noch, du kommt mit mir in die Stadt, die Isabell nig
doch noch ein glücklicher Handstreich gelingt.
(beide
ab)
2
Straße
in der Stadt. Stadthauptmann Löffler geht durch die Stadt, um die Bürger
persönlich zu den Waffen zu rufen. Weitere Bürger kommen hinzu, darunter
Weberin, Müllerin und Hans.
Löffler: Bürger!
Kommt alle zum Zeughaus! Die Waffen werden ausgegeben. Alle rechtschaffenen
Männer zum Zeughaus!
Müllerin: Mein
Mann ist schon im Zeughaus. Er will auch mit vorn sein, wenn’s für die
Kaiserlichen Bastonaden setzt.
Weberin: Herr
Rat, meint ihr das ist gescheit? Unsere Männer sind doch keine Kriegsleute
nicht.
Löffler: Frau,
eure Männer haben jeden Sonntag brav auf dem Schießplatz am Pfeilergraben
geübt. Die nehmen’s mit jedem Musketierer auf. Das ist das wenigste, was man
von einem freien Bürger verlangen kann, daß er sein Weib, seine Kinder und sein
Haus beschützen kann.
Müllerin: Was
wollen die Kaiserlichen denn mit einer lumpigen Handvoll ausrichten.
Löffler: Und
wenn’s auch mehr werden. Wie zu der alten Römers Zeiten wollen wir als freie
Männer unsere Freiheit gegen die Tyrannen verteidigen.
Müllerin: Bis
zum letzen Mann wollen wir uns wehren!
Löffler: (zu
Hans) Komm Bursche! Auf mit dir zum Zeughaus! Laß dir einen ordentlichen Degen
geben!
Weberin: Der
Hans ist doch noch zu jung für den Krieg.
Müllerin: Ach
woher. Der Junge gibt einen vortrefflichen Trommler oder Regimentspfeifer ab.
Hans: Freilich
komm ich mit.
Löffler: Bursche,
du gefällst mir. Bürgerinnen, unsere einzige Sorge ist, daß der Horn mit dem
Entsatz eintrifft, bevor wir die Kaiserlichen besiegt haben und uns die Ehr
nimmt.
Müllerin: Der
Kapfer soll doch gleich heut noch die unsrigen zum Ausfall gegen die
kaiserlichen Knecht führen. Denen wollen wir’s schon recht einheizen.
Löffler:: Bürgerinnen,
das da draußen sind nur gemietete Söldlinge und Kriegsgurgeln, während wir
freie Bürger sind. Wir streiten für Haus und Herd, für unsere Freiheit und für
unseren Glauben! Auf für die evangelische Sache! Und auch ihr Frauen sollt
Anteil an unserem Sieg haben. Ihr kümmert euch um die Verwundeten und steht
euren Männern im Kampf bei!
Müllerin: Auf
zum Zeughaus!
Löffler: Kommt!
Alle Bürger zu den Waffen! (alle
ab)
3
Oberst
von König hält auf dem Buchenberg Kriegsrat; Grafenegg - als Gesandter und
Beobachter des Fürstabtes - und der Leutnant. König betrachtet mit einem
Fernglas die Reichsstadt.
Leutnant: Herr
Oberst von König, ein erster Handstreich ist fehlgeschlagen. Als wir vor der
Stadt ankamen waren sämtliche Tore bereits wohl verschlossen, die Wehrgänge
besetzt und die Gartenhäuser vor dem Fischertor und dem Pfeilertor
niedergebrannt, so daß wir keine Deckung hatten.
König: Da.
Die Ruinen des Klosters werden eine vortreffliche Deckung für unser Geschütz
abgeben. Von dort werden wir tüchtig Granaten in die Stadt schicken.
Grafenegg: Alle
bisherigen Verhandlungen waren zwecklos. Unser Spion hat berichtet, die
Bürgerschaft wolle sich bis auf den letzten Mann verteidigen, die Bürgerschaft
spräche von nichts anderem.
König: Diese
Redensarten kennt man doch. Wenn’s dann ernst wird, haben die Spitzköpf und
Pfeffersäck noch immer klein bei gegeben.
Leutnant: Auf
den Maueren haben wir an die sechzig Geschütz gezählt.
König: Hat
er sich das Geschütz durch’s Fernglas besehen? Da! Blick er durch!
(reicht
dem Leutnant das Fernglas)
König: Seh
er sich’s genau an! Die Stück stammen samt und sonders noch aus des seligen
alten Kaisers Maximilian Zeiten. Die sind grad noch recht für’s Salutieren.
Kaliber sind’s, die alle noch für Steinskugeln berechnet sind. Mit solchem
Geschütz werden die nicht viel ausrichten können.
Leutnant: Für’s
Kartätschen schießen reicht’s allemal.
König: Wenn
er mit solchen Stück Kartätschen oder Granaten feuern will, werden ihm die
alten Hund rechtschaffen krepieren und ihm zum Schaden um die Ohren fliegen.
(von
ferne hört man Geschützdonner)
Graffenegg: Herr Oberst, hört ihr das?
Leutnant: ‘s
klingt nach schwerem Geschütz.
König: Jaja.
Ich hör’s wohl. Das ist der Aldringen vor Memmingen. Dort wird jetzt ordentlich
geschossen. Lang werden die Memminger nicht standhalten. Nun werden sie’s auch
in Kempten drunten hören, jetzt werden sie schon sehen, daß ernst gemacht wird
und sich bald eines besseren besinnen. Leutnant, wir schicken ihn als
Parlamentär mit der weißen Fahnen hinunter und fordern die Spitzköpf auf Gnade
oder Ungnade zur Übergabe auf.
Grafenegg: Herr
König, seine fürstliche Gnaden, Fürstabt Schenk von Kastel, hofft aber
inständig drauf, daß die Stadt exekutiert wird. Auch unsere Soldaten hoffen auf
tüchtigen Widerstand und anschließende Plünderung der Stadt, schließlich rechneebes,
wenn der Alte meint, er muß dich schikanieren, sagst du’s mir. Für dich und die
Isabell komm schließlich ich auf.
Anne: Es
ist schon gut. Dein Vater hat ja recht. Schließlich hast du ihm eine Katholische ins Haus
geholt
(zieht
das Bündel hervor)
Heinrich: Anne,
was meinst du, was ich da hab?
Anne: Nein.
Was ist das?
Heinrich: Da
kommst du nie drauf.
Anne: (skeptisch)
Warst du mit den anderen wieder im Stift draußen?
Heinrich: Aber
Anne, ich hab’s dir doch schon erklärt, alle anständigen Bürger müssen’s
dreitausend, heute sind’s schon zehntausend.
Löffler: Und
wenn schon. Wir sind auch nicht von Pappe.
Schmelzer: Hat
ihr gesehen, was für Mannschaft der König hat? Die wenigsten sind reguläre
Landsknechte, die meisten nur bewaffnete Bauern.
Löffler: Ein
bunt zusammen gewürfelter Haufen Landstreicher ist das.
Jenisch: Bald
schon wird der Horn mit seiner Armada hier sein. ‘s kann sich bloß noch um Tage
handeln.
Geiger: Wär’s
dann nicht besser, den König mit Verhandlungen hinzuhalten, bis der Horn da
ist?
Löffler: Nichts
da! Mit den Kaiserlichen wird nicht verhandelt!
(der
Leutnant kommt hinzu)
Leutnant: Meine
Herren, des Kaisers Obrist, Freiherr Peter von König fordert die Stadt zur
Übergabe auf Gnade oder Ungnade auf.
(außer
Geiger reagieren die Räte auf dieses Angebot sehr amüsiert)
Schmelzer: Habt
ihr das gehört?
Löffler: (lacht)
Für was haltet uns euer Oberst?
Geiger: Läßt
der König über die Bedingungen für die Übergabe mit sich verhandeln?
Leutnant: Auf
Gnade oder Ungnade!
Jenisch: Herr
Parlamentär, bestellt dem König einen schönen Gruß, er mag ruhig kommen. Wir
haben schon alles zu seinem Empfang hergerichtet. Wir freuen uns, wenn wir ihn
recht bald mit Pulver und Blei bewirten können.
Löffler: Er
darf versichert sein, daß wir ihn auf’s beste bedienen werden!
Schmelzer: Worauf
ihr euch verlassen könnt!
Leutnant: Ist
das euer letztes Wort?
Löffler: Worauf
ihr euren Arsch verwetten könnt!
Jenisch: Geleitet
den Herrn Parlamentär zum Klostertor!
(Leutnant
ab)
Geiger: Wenn
das nur nicht unklug war.
Kapfer: Wir
sind den Kaiserlichen überlegen.
Jenisch: Noch
ein, zwei Tage der Prüfung, dann wird der Horn hier sein und uns unsere
Standhaftigkeit reichlich vergelten. (alle
ab)
5
Lager
Oberst Königs in den Ruinen des Stiftes. König, Grafenegg und Leutnant halten
Kriegsrat. Von draußen hört man den Donner der Belagerungsgeschütze.
König: Dreimal
schon haben die störrischen Spitzköpf die Aufforderung zur Übergabe hochmütig
abgelehnt. Ich hab’s im Guten versucht, ich wasche meine Hände in Unschuld. Mir
ist nichts vorzuwerfen. Morgen wird das Unheil seinen Lauf nehmen, morgen wird
gestürmt. Gott steh ihnen bei.
Grafenegg: (spöttisch)
Die Städter hoffen auf Entsatz durch den Horn.
König: Diese
verblendeten Narren! Der Horn hat wegen des schlechten Wetters bei Leutkirch
festes Winterquartier bezogen. Die Zeit ist reif und wir sind wohl montiert.
Die Memminger haben inzwischen kapituliert. Vom Aldringen haben wir fünftausend
Mann Verstärkung und zwanzig Geschütz erhalten. Aus Lindau sind heute Mittag
noch Feuermörser und vier Wagen Munition eingetroffen. Damit haben wir an die
zwanzigtausend Mann und vierzig Geschütz unter unserem Kommando. Dieser
Streitmacht werden die Kujone nicht lang standzuhalten vermögen. Wie ist die
Stimmung im Lager?
Leutnant: Die
letzten Tage schlecht, aber seit uns die Erzherzogin gestern die Wagenladung
Wein spendiert hat, sind wieder alle recht lustig und guten Mutes, hofft ein
jeder doch auf rechtschaffene Beut, wenn’s erst tüchtig ans Plündern geht.
Grafenegg: Die
hölzernen Wasserleitungen sind inzwischen alle zerschlagen, bald bekommen die
Ketzer trockene Mäuler und Kehlen.
König: In
drei Sturmkolonnen werden wir gegen die Stadt stürmen. Die erste Kolonne rückt
gegen die Illervorstadt, die zweite gegen den Pfeilergraben an der Iller, dort
sind Mauern schwach. Den Hauptangriff richten wir gegen das Klostertor.
Leutnant: Das
Klostertor haben wir bereits in Trümmer geschossen.
König: Gut.
Dort massieren wir die ganze Artollerei, bis die Mauern ganz zerschossen und
zerborsten sind.
Leutnant: Die
Stadt wird doch dann zur Plünderung freigegeben?
König: Es
soll alles so geschehen, wie’s nach Kriegsbrauch und Recht gebührt! Nach
erfolgtem Sturm wird geplündert.
Leutnant: Das
wird den Eifer unserer Mannschaften beflügeln.
Grafenegg: Dann
sind die Gebete meines Herrn, des Fürstabtes, endlich erhört worden. Auch seine
durchlauchtigste Gnaden, die Erzherzogin, wird mit diesem sehnlichst erwarteten
Entschluß hochzufrieden sein.
Leutnant: Die
Städter werden sehen, was es heißt, sich gegen den Kaiser zu stellen.
König: Leutnant,
morgen Früh um sechs Uhr haben alle Regimenter zum gemeinsamen Gottesdienst
anzutreten. Um acht Uhr beginnen wir mit der Kanonade am Klostertor, dann
nehmen die Schützen die Wehrgänge unter Feuer; ab Mittag wird dann gestürmt.
Leutnant: Zu
Befehl.
(Leutnant
ab)
König: Herr
von Grafenegg, welchen Tag haben wir morgen?
Grafenegg: Morgen?
Morgen ist Sankt Veronika.
König: Sankt
Veronika. Das wird für die Reichsstadt eine blutige Nacht der heiligen Veronika
geben.
Grafebegg: Die
Reichsstadt hat ihr Strafgericht wohl verdient.
(Grafenegg
ab)
König: Jetzt
liegt alles in Gottes Hand.
(kniet
zum Gebet nieder)
König: Pater
noster, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum;
adveniat
regnum tuum; fiat voluntas tua,
sicut
in caelo, et in terra.... (König
ab)
6
Vor
dem Haus des Metzgers Schwenk in der Reichsstadt. Man hört lauten
Geschützdonner. Anne und Heinrich. Bürger eilen an ihnen hastig vorbei.
Heinrich: Schnell
Anne, sie rufen zu den Waffen! Draußen wird zum Sturm aufgeblasen!
Anne: Warte
Heinrich! Dein Schwert!
(gürtet
ihm sein Schwert um)
Heinrich: Endlich
ist’s so weit! Heute werden die Kaiserlichen tüchtig zerkarbeitscht! Denen
werden wir’s zeigen.
Anne: Da.
Deine Pistole. Hast du das Blei? Und das Pulverhorn? Hast du das Pulverhorn?
Heinrich: Da
schau. Das Blei und das Pulverhorn.
Anne: Heinrich,
geh noch zum Zeughaus, ob sie für dich nicht auch Helm und Harnisch haben.
Heinrich: Dafür
hat’s jetzt keine Zeit mehr.
Anne: Heinrich,
dort auf der mauer ist’s gefährlich! Wenn du Helm und Harnisch hast, ist’s
sicherer.
Heinrich: Anne,
es eilt! Die Kaiserlichen greifen an!
Anne: Wie
schnell ist einer verwundet, wenn er weder Harnisch noch Helm trägt.
Heinrich: Ich
paß schon auf.
Anne: Versprichst
du mir das?
Heinrich: Ich
versprech’s dir.
Anne: Du
mußt auch keinen Helden abgeben. Geh nicht ganz nach vorn. Überlaß das den
schwedischen Soldaten!
Heinrich: Meinst
du ich laß mich auslachen?
Anne: Paß
auf dich auf! Heinrich. (umarmt ihn) Ich lieb dich!
Heinrich: Ich
lieb dich auch.
Anne: Komm
heil zu mir zurück!
Heinrich: Jaja,
ich paß ja auf. Aber Anne, ganz gleich was auch passiert, du versteckst dich im
Keller, ganz unten, im hintersten Loch. Hast du gehört! Du versteckst dich!
Anne: Ja
Heinrich.
Heinrich: Das
mußt du mir versprechen!
Anne: Ja
gut, ich versteck mich.
Heinrich: Im
Keller! Ganz hinten!
Anne: Ja,
das tu ich.
Heinrich: Leb
wohl Anne. Und tu was ich dir gesagt habe! (Heinrich
ab)
Anne: Heinrich!
Ich lieb dich! (Anne ab)
7
An
der Stadtmauer beim Klostertor. Kampfpause nach dem zweiten Sturm. Heinrich ist
an der rechten Schulter verwundet und wird von der Weberin verbunden. Von ganz
nahe Geschützdonner und Schüsse von Musketen.
Weberin: ‘s
ist nur eine Fleischwunde. ‘s blutet stark, aber der Barbier wird’s schon nähen
können. Die Knochen sind heil.
Heinrich: Wir
haben sie zum zweiten mal in die Flucht geschlagen! Wir haben gesiegt!
(Jenisch
und Geiger kommen hinzu, hinter ihnen Hans mit der Trommel)
Jenisch: Bursche,
bist du verletzt?
Heinrich: Nur
ein Kratzer.
Jenisch: Du
hast dich wacker geschlagen. Alle haben sich wacker geschlagen. Die Victorie
ist unser!
Geiger: Jenisch,
wir haben sie zweimal zurückgeschlagen. Aber die Mauern hier liegen in Trümmer.
Unsere Leute sind erschöpft. Wenn sie ein drittes mal angreifen, wird sie niemand
mehr aufhalten können.
Jenisch: Frau,
wenn ihr den verbunden habt, dann geht zu den anderen! Bringt Öl zu sieden!
Wenn sie nochmals angreifen, gießt es von der Mauer auf den Feind. Und Steine!
Steine müssen her, damit wir die Bresche ausfüllen können.
Geiger: Jenisch,
laßt mich mit der weißen Fahnen vor das Tor gehen und ihnen die Stadt auf Gnade
oder Ungnade übergeben.
Jenisch: Geiger!
Seid ihr von Sinnen! Wir haben eine große Victorie errungen. Wenn sie nochmals
angreifen, werden wir sie eben nochmals zurückschlagen. Jetzt wo wir die
Kaiserlichen geschlagen haben, wollt ihr die Stadt übergeben?
Geiger: Jenisch!
Wißt ihr was geschieht, wenn die Kaiserlichen erst in der Stadt sind? Um des
Lebens eurer Frau und eurer Tochter willen, laßt mich die Stadt übergeben! Hört
ihr? Die Kanonade hat aufgehört?
Jenisch: Ja.
Da habt ihr’s! Sie zeihen ab. Der Sturm ist zuende.
Geiger: Jenisch,
hört ihr nicht? ‘s ist blankes Eisen und Schlachtgeschrei. Sie stürmen zum
dritten mal!
Jensich: Junge
schlag die Trommel! Auf ins Gefecht! Für’s Evangelium! Für Gott und Freiheit! (die Müllerin kommt hinzu)
Müllerin: Flieht!
Flieht! Sie sind in der Stadt!
(Jenisch
hält sie fest, Heinrich steht auf)
Jensich: Weib!
Was ist?
Müllerin: Sie
sind in der Stadt! (sie flieht)
Geiger: Kommt
auf die Burghalde! Rettet euch auf die Burghalde!
Heinrich: Nein!
Wir werfen sie wieder hinaus!
Geiger: Narr!
Auf die Burghalde! (alle außer
Heinrich flüchten)
Weberin: Komm!
Du bist doch verwundet!
Heinrich: Wir
werfen sie hinaus wie sie hereingekommen sind.
(kaiserliche
Soldaten kommen hinzu - Heinrich zieht sein Schwert)
Heinrich: Kommt
nur her, wenn ihr Courage habt!
Soldat 1: Ab
in die Höll mit dir!
(Soldat
1 schieß auf Heinrich - Heinrich ist getroffen und fällt)
Soldat 2: Der
ist hin! (der Leutnant kommt hinzu)
Leutnant: Kommt!
Wir brauchen Beil und Äxt, damit wir Häuser und Türen aufbrechen können. Hier
haben wir gute Schappweid!
Soldat 2: Auf
geht’s! jetzt gilt’s eine gute Beuten zu machen!
8
Stube
im Haus des Bürgermeisters. Hildegard und Leonore drücken sich ängstlich in
eine Ecke des Raums.
Hildegard: Zacharias,
stimmt es? Die Kaiserlichen sind schon in der Stadt?
Jenisch: Kommt!
Wir müssen auf die Burghalde! Das Leben gilt’s!
Hildegard: Die
Geldtruhe müssen wir mitnehmen.
Jenisch: Kommt!
Schell! (nimmt sie an der Hand)
Hildegard: Wenigstens
‘s Geld müssen wir retten. (hält inne) Hörst du das? Zacharias, sie schlagen
die Tür ein!
Jenisch: Dann
ist alles zu spät!
Hildegard: Zacharias!
Jetzt sind sie im Treppenhaus!
Jenisch: Bleibt
immer dicht hinter mir! Mit denen wird man schon reden können.
(der
Leutnant, Soldat 1 und Soldat 2 kommen hinzu)
Leutnant: Schau
an! Der geehrte Herr Bürgermeister!
Soldat 1: Da
sind wir richtig!
Soldat 2: Ein
reiches Peffersäcklein!
Leutnant: Euch
wollen wir jetzt die rechte Tractation angedeihen lassen
(Jenisch
geht auf die Knie)
Jenisch: Meine
edlen Herren, ich bitte euch um Christus willen um Pardon! Alles was mein ist,
ist euer. Komm Hilde, einen Trunk für des Kaisers edle Krieger.
Soldat 2: Will
er uns auf schwäbisch mästen? Laß er eine fürstliche Mahlzeit auftragen!
(Hildegard
holt Wein und Gläser und schenkt zitternd ein)
Leutnant: Du
Sauhund! Geld, Schmuck, Edelstein, Silberbesteck und Geschirr. Raus damit, wenn
dir ‘s Leben lieb ist. (er
ohrfeigt Jenisch)
Soldat 1: Das
Fell werden wir dir lebedigen Leibes über die Ohren ziehen!
Jensich: Die
Geldtruhe ist in der Schlafkammer. Komm Leonore, hol’s den Herren!
Leutnant: Nichts
da! Die junge Hur bleibt da!
(nickt
Soldat 1 zu - Soldat 1 ab - der Leutnant zieht Leonore zu sich her)
Leutnant: Ein
hübsches Luder! Für dich wird’s heut noch eine lange Nacht werden!
Jenisch: Ich
bitt euch, nehmt euch alles, was ihr begehrt, doch verschont meine Tochter.
(Soldat
1 kommt mit einer schweren Kiste zurück - der Leutnant öffnet sie)
Leutnant: Prächtig!
Na, Bürgermeister, wo habt ihr den Rest versteckt? Wir werden dich und deine
Weibspersonen solang vexieren bis du alles herausgerückt hast!
Jenisch: Gnade
Herr Leutnant! Das ist alles!
Leutnant: Los!
Alles durchsuchen! Schlagt alles kurz und klein!
(die
beiden Soldaten ab)
Jenisch: Hier
Herr Leutnant, trinkt auf euren Sieg! (bietet
ihm einen Becher Wein an)
Leutnant: Trinkt
mit mir! Auf des Kaisers Wohl!
Jenisch: Herr
Leutnant, auf des Kaisers wohl!
(Jenisch
trinkt; der Leutnant stößt ihm den Degen in den Unterleib - Jenisch röchelt und
geht zu Boden)
Leonore: Vater!
Hildegard: Was
tut ihr? Zacharias! Zacharias!
(Hildegard
und Leonore neigen sich entsetzt über den schwerverletzten Zacharias - der
Leutnant zieht Hildegard an den Haaren hoch)
Leutnant: Komm
alte Metze! Her mit deinem Schmuck!
(reißt
ihr die Kette vom Hals und stößt ihr den Degen in die Brust)
Leonore: Mutter!
Mutter!
Leutnant: So!
Und du kommst jetzt mit! In deine Kammer!
Leonore: Nein!
Laßt mich! Mutter! Mutter!
Leutnant: Komm
nur mit mir mein schönes Kind.
(der
Leutnant zerrt die schreiende Leonore hinaus)
9
Auf
einer Straße der Reichsstadt. Die beiden Soldaten und der Leutnant kommen
hinzu, mit Beute beladen, Weinflaschen in der Hand und bereits angetrunken.
Leutnant: Auf
euer Wohl ihr Erzschufte!
Soldat 2: Leutnant!
Zum Wohl!
Soldat 1: Auf
euer Wohl! Alte Bärenhäuter! Sauft bis das die Welt sich dreht!
(sie
trinken)
Leutnant: Potzteufel!
Der Bürgermeister hat einen guten Weinkeller!
Soldat 1: Lebt
die junge Dirn noch?
Leutnant: Nachdem
die Kammeraden alle mit ihr fertig waren, hab ich ihr aus reiner christlicher
Nächstenliebe rechtschaffen die Augen ausgestochen, damit die Hur den Jammer
nicht mehr länger mit ansehen muß und sie aus dem Fenster geworfen.
Soldat 1: Schade,
wir hätten sie im Quartier den anderen zum Kauf anbieten können.
Soldat 2: Komm,
wir haben doch schon fette Beuten erschnappt.
Soldat 1: Komisch,
‘s riecht verbrannt.
Leutnant: Eine
Plünderung geht nie ohne ein tüchtiges Feuerchen ab. Damit ist den Ketzerbuben
ordentlich vergolten, was sie mit dem Stift gemacht haben!
(Weberin,
Müllerin und Hans kommen hinzu)
Müllerin: Gnade!
Ihr Herren Soldaten! Wir bitten euch um Gnade! Die Stadt brennt, laßt uns doch
unsere Häuser löschen.
Soldat 1: Die
kommen grade recht!
Müllerin: Gnade
Herr Soldat. Wir wollen nur das Feuer löschen.
Leutnant: Nichts
wird da gelöscht! Bursche! Du trägst unsere Beuten ins Lager! Da!
(sie
laden ihm ihre Beute auf)
Soldat 2: So
Weib! Du kommst mit! (zieht die Müllerin mit
sich fort)
Müllerin: Nein!
Gnade! Verschont mich! Ich tu ja alles was ihr wollt.
Weberin: (kniet
nieder) Gnade! Ihr edlen Herren, laßt mich laufen!
Leutnant: Frau,
ich will dir Pardon geben und dich laufen lassen wohin du willst, wenn du mir
nur Gott und alle Heiligen verleugnen willst.
Weberin: Ich
kenne keine Heiligen. Ich bin recht evangelisch.
Leutnant: Dann
schwöre, daß du’s Evangelium nicht kennst und Gott nicht fürchtest.
Weberin: Gut
Herr, ich schwöre noch nie was vom Evangelium gehört zu haben und daß ich Gott
nicht fürchte.
Leutnant: Schwöre
noch, daß du niemals Anteil am Gottes Reich begehrst und lieber in die Höll zu
gehen wünschtest.
Weberin: Ja
Herr, wie ihr wollt. Ich schwöre, keinen Anteil an Gottes Reich zu begehren und
lieber in die Höll zu gehen. Laßt mich doch laufen!
Leutnant: Gut
Weib! Dann halte ich mein versprechen. Da du also nicht in den Himmel willst,
schick ich dich in die Höll!
(erschießt
sie mit seiner Pistole)
Leutnant: Ihr
Schnapphahnen! So muß man mit den Schuften verfahren und sie auf alle Ewigkeit
bestrafen!
Soldat 1: Die
Rauchschwaden werden immer dichter. Bringen wir lieber die Beuten ins Quartier.
Leutnant: Aber
dann kommen wir zurück und verriegeln die Bürgerhäuser, damit die Spitzköpf
darin mit Weib und Kind ordentlich verbrennen müssen! Komm Bursche! Sonst
setzt’s was! (alle
ab)
10
Auf
dem Reichelsberg vor der Stadt. König und Grafenegg betrachten das Geschehen in
der Stadt. König ist verwundet, trägt einen Kopfverband und den linken Arm in
einer Schlinge, Grafenegg ist bleich vor Entsetzten.
Grafenegg: Alles
wird niedergehauen! Gott verleihe uns weiter seine Gnade.
König: Nun
Grafenegg? Seid ihr jetzt endlich zufrieden? Habt ihr euch so euer Strafgericht
vorgestellt? Jetzt könnt ihr eurem Herrn melden, daß alles nach seinem Wusch
geschehen ist. Bald kann er in der evangelischen Sankt Mang Kirche ein
feierliches Te Deum singen! Er muß sich bloß beeilen, bevor die Luft vom
Gestank der Verwesung verpestet ist.
Grafenegg: Die
Stadt brennt. Alles steht in Flammen. Herr von König könnt ihr dem nicht
Einhalt gebieten?
König: Wie
sollte ich, Grafenegg? Das ist Kriegsrecht! Nach dem Sturm wird geplündert und
alles erschlagen. Alles gehört auf Gnad oder Ungnad dem Sieger. Ich war bei der
Erstürmung Magdeburgs zugegen; von 30.000 Bürgern haben wir 25.000 erschlagen;
nachher die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Man sollt meinen, das hätt allen
trutzigen Städten als blutiges Exempel dienen müssen, aber die Kemptener
haben’s besser wissen wollen. Schaut euch doch das einfache Kriegsvolk an. Das
sind alles Schapphahnen, Diebe, Schelme und Mörder. Bis morgen Früh gehört die
Stadt ihnen.
Grafenegg: Könnt
ihr nicht wenigstens den Brand löschen lassen? ‘s ist inzwischen schließlich
des Kaisers Stadt, die da zugrunde geht.
König: Ich
gab bereits Order an die Bürgerschaft, den Brand zu löschen, aber ihr seht ja,
wie’s in der Stadt zu geht; weit schlimmer als in Dantes Hölleninferno! Und wer
weiß schon, ob die unseren das Feuer gelegt haben oder der Schwed oder gar die
Bürger selbst, damit die Stadt nicht in unsere Hände fallen soll. Morgen wird
sich zeigen, was von der Stadt übrig bleibt. Kommt Grafenegg! Die Erzherzogin
erwartet schon ungeduldig meinen Bericht, und sicherlich wird auch euer Herr,
der Fürstabt, der frohen Kunde harren. (beide ab)
11
An
der Mauer beim Klostertor. Dichte Rauchschwaden, die Stadt steht in Flammen.
Anna; unter den herumliegenden Toten sucht sie nach Heinrich, bis sie vor der
Leiche Heinrichs steht.
Anne: (schreit
auf) Heinrich! Heinrich! Sag doch was!
(schließt
ihn in ihre Arme)
Heinrich!
Ich hab doch gesagt, du mußt auf dich aufpassen!
(bedeckt
das Gesicht des Toten mit Küssen und Tränen)
Heinrich!
Mein Geliebter! Mein Leben! Wach doch wieder auf! Heinrich, komm zu mir zurück!
(reißt
ein Stück aus ihrem Unterrock und versucht seine Wunde zu verbinden)
Ich
verbinde deine Wunden, dann wird wieder alles gut. Ich weiß, mein Geliebter, du
bist wütend, weil ich nicht in meinem Versteck geblieben bin. Aber jetzt wird
alles wieder gut. Heinrich! Sag doch was! Heinrich, bleib bei mir!
(sie
erkennt, daß er tot ist und drückt ihn an sich, dann legt sie seinen Kopf
zärtlich auf den Boden)
Leb
wohl mein Geliebter.
(küßt
ihn nochmals)
Weh
mir, weh! Warum nur mußte ich dich so finden? Konnten mich nicht vorher die
kaiserlichen Mordbrenner erschlagen? Warum kann sich nicht die Erde auftun und
mich verschlingen? Heinrich, ach Heinrich, Ich versprech dir, dieses Lebwohl
gilt nicht für immer. Bald schon, bald will ich bei dir sein. (sie
steht auf)
Die
Iller führt Hochwasser. Ihr Wasser ist heut tief und eisig. In ihre eisige Flut
will ich meinen Gram auf immer versenken. Ihr Wasser soll mein Grab sein.
Heinrich, bald schon will ich bei dir sein. Warte Heinrich, warte auf mich.
(Anne
ab)
Epilog
Ein gebeugter, alter bärtiger Mann tritt
auf, Tempo - Personifikation der Zeit
Tempo: Von
den einstmals 6000 Bürgern der freien Reichsstadt Kempten waren nach der
Erstürmung der Stadt nur noch 900 am Leben. Der Krieg im Allgäu währte zwei
Jahre. Danach folgten Hungersnot und die schlimmste Pestepedemie, die das
Allgäu seit Menschengedenken heimgesucht hatte. Weite Landstriche lagen brach
und wurden nicht mehr bebaut, Gehöfte, Dörfer und Städte waren entvölkert. Es
war überall ein großes Sterben. Dreiviertel der Bevölkerung wurden hinweg
gerafft. Kurz vor dem Friedensschluß kehrte der Krieg nochmals mit all seinem
Entsetzen, mit Tod und Verzweiflung ins Allgäu zurück. Es dauerte Jahrhunderte,
bis sich das Land von den Schrecken des Krieges erholt hatte. Die tiefe
Feindschaft zwischen Reichsstadt und Stiftstadt währte bis zu Beginn eures
Jahrhunderts, ihr glücklichen später Geborenen.
(Tempo
ab)
Ende
Textalternativen
1
Es entfallen die Rollen des Stadtrates
Schmelzer und des schwedischen Hauptmanns Kapfer.
zweiter
Akt
1
Im
Rathaus der Reichsstadt. Zur Feier des Einzugs der Schweden in Kempten findet
im Rathaus ein feierlicher Umtrunk statt, an dem die Stadträte mit ihren Frauen
und die schwedischen Offiziere teilnehmen; am Rande dieses Festes ein Gespräch
zwischen Jenisch, Löffler und dem schwedischen Befehlshaber Sir Patrick
Ruthven, der nach französischer Mode gekleidet ist.
Jenisch: Herr
Patrick Ruthven, ihr glaubt gar nicht,
wie froh sind wir, euch in unserer Stadt zu sehen.
Löffler: Ungeduldig
haben wir eure Ankunft herbeigesehnt.
Ruthven: Seitdem
wir die Donau überschritten haben, sind wir in keiner Stadt mehr so freudig
empfangen worden. Nicht einmal in Memmingen war der Empfang so herzlich.
Jenisch: Die
Memminger haben unter der kaiserlichen Einquartierung auch nicht so gelitten
wie wir.
Ruthven: Damit
hat’s jetzt ein Ende! Von jetzt ab steht die Stadt unter dem Schutz und Schirm
seiner königlichen Majestät Gustav Adolf.
Jenisch: Sagt,
Herr Ruthven, wie wollt ihr mit dem Stift verfahren?
Ruthven: Das
werden wir nach Kriegsrecht gebührend plündern und dort unser Quartier
aufschlagen. Die widerspenstigen stiftischen Bauern haben wir gestern noch ganz
manierlich zu Paaren getrieben. ‘s ging nicht ganz ohne Blessuren ab, aber ‘s
nächste Mal werden die Bäuerlein parieren. Herr Bürgermeister, der König legt
großen Wert darauf, daß die öffentliche Moral und Ordnung auch in Kriegszeiten
erhalten bleibt; wenn möglich sollten sich die Bürger eurer Stadt nicht an der
Plünderung des Stiftes beteiligen, zumal der König sich dahingehend geäußert
hat, eurer Stadt das Stift zu übereignen.
Löffler: Das
Stift gehört vom Erdboden getilgt!
Ruthven: Wenn
‘s euch erst gehört vermögt ihr damit zu verfahren, wie’s euch beliebt. Ihr
würdet aber nur euren eigen Besitz verderben; klüger wär’s, das Kloster in die
Mauern eurer Stadt einzubeziehen.
Was
die Verpflegung und Einquartierung meiner Leute anbelangt, so seid ihr
natürlich frei von allen Lasten und Abgaben; das katholische Stift hat für
alles aufzukommen. Auch hat der König aufgetragen, daß der Fürstabt und seine
Untertanen euch alles, was ihr durch kaiserliche Kontribution und
Einquartierung verloren habt, erstatten müssen.
Löffler: Ein
Hoch auf des Schwedenkönigs tapfere Krieger!
(Frau
Jenisch kommt hinzu)
Hildegard: Sieh
an, die Herren diskurrieren wieder über die Staatsgeschäfte. Drinnen wird zum
Tanz aufgespielt.
Löffler: Das,
Frau Bürgermeister, sind eben der Männer leidige Geschäfte.
Hildegard: Und,
Herr Löffler, ihr glaubt, das wir Frauen davon nichts verstehen, nicht wahr?
Aber seid gewiß, wir tun nur so als ob wir davon nichts verstünden, um vor euch
Männern zu verbergen, daß ihr in Wahrheit nur unsere Ratschlüsse ausführt.
Ruthven: Frau
Jenisch, gewährt mir einen Tanz mit einer klugen Frau.
Hildegard: Mit
Freuden Herr Kavalier.
2
Sir
Patrick Ruthven und Frau Jenisch ab.
Jenisch: Löffler,
von heute an sind wir endlich Bundesgenossen des schwedischen Königs; jetzt hat
alle Not ein Ende.
(Geiger
kommt hinzu)
Löffler: Jetzt
zeigen wir dem Kaiser und der papistischen Hur wer wir sind!
Geiger: Langsam
meine Herren, noch ist der Schwede nicht Herr im Reich und wer weiß ob’s uns
unter der Schweden Herrschaft besser ergehen wird.
Jenisch: Und
ob, Herr Geiger. Und ob! Lange genug haben wir unter der kaiserlichen
Knechtschaft ausgehalten; lange genug haben wir um der evangelischen Sache
willen gelitten. Wir waren allzeit standhaft; jetzt kommt die Zeit, da wir
unseren gerechten Lohn empfangen werden.
Löffler: Und
wir das unsere von den Papisten zurückholen werden. Wir werden’s den
Katholischen schon recht wiedervergelten.
Geiger: Denkt
an die christliche Barmherzigkeit.
Jenisch: Das
Grobe besorgt schon der Schwede für uns, da können wir uns schon in
christlicher Barmherzigkeit üben. Vorausgesetzt, man gibt uns zurück, was man
uns die Jahre über abgezwackt hat.
Löffler: Das
Stift muß weg! Diese Hochburg des Katholizismus direkt vor unseren Mauern ist
eine Beleidigung für jeden freien evangelischen Bürger., ein Stachel im Fleisch
unserer Stadt. Seht nur zu, Herr Jenisch, daß der Schwede gleich das ganze
Gebiet des Fürstabtes unserer Herrschaft
Jenisch: Ein
Hoch auf den glorreichen Schwedenkönig! Vivat!
Löffler: Ein
Hoch den schwedischen Kavalieren!
(alle
ab)
dritter
Akt
3
Vor
dem Stift. Ratsherr Löffler in einem bequemen Sessel, vor sich ein schönes Glas
Wein. Der Meyer kommt hinzu.
Meyer: Heute
sind schon wieder weniger Bauern zur Arbeit erschienen. ‘s werden von Tag zu
Tag weniger.
Löffler: Die
faulen Hund! ‘s wird Zeit, daß ihr da hart durchgreift!
Meyer: Die
Bürger sind auch nur noch mit schwindendem Eifer bei der Arbeit.
Löffler: Und
Meyer, wie geht’s vorwärts?
Meyer: Zäh.
Reichlich zäh! Zuerst hat man g’meint, man könnt alles an einem einzigen Tag
einbrechen und niederreißen. Aber die Mauern sind zu dick. Wenn man nur mehr
Schießpulver zum Sprengen nehmen könnt.
Löffler: Schießpulver
ist zu kostbar, das brauchen wir noch für die Kaiserlichen.
Meyer: Die
Türme und die Residenz einzureißen und die Lorenzkirchen, das war noch ein
leichtes, aber das Münster ist recht massiv gebaut.
Löffler: Da
müssen gelernte Mauer her. Das geht zu langsam. Das Stift muß weg. Sollten
eines Tages die Kaiserlichen kommen, werden sie’s als Bollwerk gegen uns
verwenden.
Meyer: Und
wenn schon. Die Stadt ist wohl montiert. Laßt die Kaiserlichen nur kommen.
Sollten wir ernstlich in Bedrängnis geraten, wird uns der König schon Entsatz
schicken.
Löffler: Gleichviel!
‘s Stift muß endlich weg. Was machen die Leute da drüben?
Meyer: Wen
meint ihr?
Löffler: Da
drüben! Die Kerle, die da die besten Steine auf die Wagen laden.
Meyer: Ach
die meint ihr.
Löffler: Habt
ihr das aufgetragen?
Meyer: Nein.
Das sind die Leut vom Schmelzer. Er läßt sich die besten Steine auf sein
Haubenschloß bringen, damit er’s prächtig vergrößern kann.
Löffler: Nun
ja, auf die paar alten Stein wird’s schon nicht ankommen.
Meyer: Wie?
Sämtliches Baumaterial aus dem Stift gehört der Stadt. Damit soll die
Befestigung der Stadt verbessert werden. Und ‘s sind grad die besten Stück, die
er da auf sein Haubenschloß bringen laßt.
(Hans
kommt hinzu)
Hans: Ihr
Herren, der Rat versammelt sich und alle Bürger sollen auf den Rathausplatz
kommen!
Löffler: Na
Bursche, was gibt’s?
Hans: Ich
weiß nicht, aber die Herren sollen sich beeilen.
(alle
ab)
4
Auf
dem Rathausplatz der Reichsstadt. Die Bürgerschaft hat sich bereits versammelt.
Jenisch betritt die Treppe zum Rathaus, eine Urkunde in der Hand; hinter ihm
Löffler.
Jenisch: Bürger
der Reichsstadt Kempten, heute ist der bedeutendste Tag in den Analen unserer
Stadt seit der Verleihung der Reichsunmittelbarkeit . Auf immer sollen unsere
Nachfahren und Kindeskinder dieses herrlichen Tages gedenken, an dem unsere
Stadt auf wunderbare Weise und durch des ruhmreichen Schwedenkönigs Gunst
erhöht wurde. Der König sendet uns folgende Urkunde.
(entrollt
die Urkunde und liest vor)
Wir
Gustav Adolf durch die Gnade Gottes König von Schweden übergeben auf ewige Zeit
der Reichsstadt Kempten, ihren Bürgern, deren Kindern und Kindeskindern, die
von uns eroberte und durch Kriegsrecht und Gewalt erlangte Grafschaft Kempten
mit allem was dazugehört zu rechtmäßigem Eigentum als Anerkennung der
Verdienste, die sich die Stadt um die evangelische Sache erworben hat.
Löffler: Habt
ihr gehört? Habt ihr das gehört?
Jenisch: Das
ganze Gebiet des Stiftes gehört von jetzt ab unserer Stadt an.
Löffler: Verewigen
wir die Urkunde ins Stein! Laßt uns ein prächtiges Denkmal bauen. Aller
Posterität zum Gedenken. errichten wir dem König ein Standbild vor dem Rathaus.
Hoch zu Roß.
(Jenisch
rollt die Urkunde feierlich zusammen, beide ab)
8
Weiterhin Stube im Haus des
Bürgermeisters. Caspar Löffler kommt hinzu.
Löffler: Frau
Jenisch, grüß Gott. Bürgermeister.
Hildegard: Herr
Löffler, ich meinte, ihr seid bei den Abbrucharbeiten vor im Stift.
Löffler: Das
Wetter ist zu schlecht. Wir werden die Abbrucharbeiten bald einstellen. Bei dem
Wetter hat’s keinen Wert. ‘s ist gescheiter, wir machen im Frühjahr weiter.
Hildegard: Aber
da schaffen jetzt eh nur noch gelernte Mauer im Taglohn, die braucht ihr doch
gar nicht zu beaufsichtigen.
Löffler: Dumm
waren wir, Jenisch. Einfach dumm.
Jenisch: Wie
meint ihr das?
Löffler: Wir
hätten vom König gleich die Herrschaft über das Gebiet von Nesselwang und
Pfronten fordern sollen. Ja, die Herrschaft über das Tirol hätten wir an uns
bringen können.
Jenisch: Da
habt ihr wohl recht, wir waren zu bescheiden.
Löffler: Dumm
waren wir! Einfach dumm! Jetzt wo der König tot ist, wird sich da nichts mehr
machen lassen. Der schwedische Reichskanzler ist ein sturer Hund. Wir hätten
gleich richtig zulangen müssen.
Hildegard: Bald
schon werden die Kaiserlichen kommen.
Löffler: Doch
nicht im Winter! Wie wollen sie da ihr schwer Geschütz und Artollerei durch den
Schnee bringen? Wenn dann kommen die Papistischen erst im Frühjahr und bis
dahin haben wir längst wieder schwedische Kompanien im Quartier.
Hildegard: Meint
ihr nicht, daß es besser ist, wenn sich Frauen und Kinder in die sichere
Schweiz salvieren würden?
Löffler: Aber
Frau Bürgermeister! Wo denkt ihr hin? Nirgendwo seid ihr sicherer als in
unserer festen Stadt.
Jenisch: Hoffen
wir Löffler, das ihr Recht behalten werdet.
(Licht
aus alle ab)
vierter
Akt
1
Auf
der Stadtmauer der Reichsstadt. Jenisch und Löffler. Es schneit. Löffler
beobachtet mit einem Fernrohr durch das Scheegestöber den Aufmarsch der
Kaiserlichen.
Löffler: Herr
Jenisch, es ist wie ich’s euch sagte, ihr dürft unbesorgt sein. Der Peter von
König hat nur eine Handvoll Reuter bei sich.
Jenisch: Auf
wieviel Mann hoch schätzt ihr die Kaiserlichen?
Löffler: Vor
der Stadt dürften’s grad ein paar hundert Dragoner sein. Vom Buchenberg herab
ziehen weitere Kolonnen. Musketierer und wieder Dragoner. Insgesamt höchstens
tausend bis zweitausend Mann.
Jenisch: Mit
den paar Leuten will der von König unsere Stadt erobern?
Löffler: Ich
sag’s euch ja, ‘s gilt nichts zu befürchten.
Jenisch: Seht
ihr auch Geschütz?
Löffler: Viel
hat der von König nicht durch den Schnee gebracht. Das da vorn dürften nur zwei
halbe Kartaunen sein und dahinten seh ich noch zwei Falkonettlein, nein, da ist
noch eins, drei Falkonettlein sind’s. Sonst weit und breit nichts.
Jenisch: Ist
das schweres Geschütz?
Löffler: Nein,
das sind nur leichtere Stücke.
Jenisch: Dann
sind wir dem König ja haushoch überlegen! Wir haben auf unseren Mauern an die
sechzig Geschütz, darunter sogar ein Orgelgeschütz und noch zahlreiche
Granaten. Und an Volk sind wir mindestens ebenso stark.
Löffler: Ich
sag’s ja, seid guten Mutes. Auch wenn die Kaiserlichen in den nächsten Tagen
noch Zuzug und Verstärkung erhalten, vom Breisgau her naht der General Horn mit
einer schwedischen Armada von zwanzigtausend Mann zum Entsatz, in wenigen Tagen
wird er hier sein und die Kaiserlichen zu Paaren treiben. Zu einer regelrechten
Belagerung wird’s nicht kommen, der Boden ist viel zu fest gefroren, um
Schanzen und Wälle aufzuwerfen. Grad in den Ruinen des Stifts können sie sich
notdürftig verschanzen.
Jenisch: Trotzdem
wird’s nicht verkehrt sein, das Zeughaus zu öffnen und die Bürgerschaft zu
bewaffnen.
Löffler: Ja.
Die Stadt zu verteidigen, ist die Pflicht eines jeden braven Bürgers. Es wäre
jämmerlich, wenn wir dies der schwedischen Garnision allein überlassen würden.
(beide
ab)
4
Ratssaal im Rathaus. Der Stadtrat hat sich
versammelt, um den Leutnant zu empfangen.
Löffler: Es
heißt, der König will uns zur Übergabe auffordern.
Jenisch: Dem
wollen wir tüchtig Bescheid geben.
Geiger: Unterschätzt
mir die Kaiserlichen nicht. Der König bekommt jeden Tag Zuzug und Verstärkung
an Mann und Geschütz. Gestern waren’s dreitausend, heute sind’s schon
zehntausend.
Löffler: Und
wenn schon. Wir sind auch nicht von Pappe.
Jenisch: Hat
ihr gesehen, was für Mannschaft der König hat? Die wenigsten sind reguläre
Landsknechte, die meisten nur bewaffnete Bauern.
Löffler: Ein
bunt zusammen gewürfelter Haufen Landstreicher ist das.
Jenisch: Bald
schon wird der Horn mit seiner Armada hier sein. ‘s kann sich bloß noch um Tage
handeln.
Geiger: Wär’s
dann nicht besser, den König mit Verhandlungen hinzuhalten, bis der Horn da
ist?
Löffler: Nichts
da! Mit den Kaiserlichen wird nicht verhandelt!
(der
Leutnant kommt hinzu)
Leutnant: Meine
Herren, des Kaisers Obrist, Freiherr Peter von König fordert die Stadt zur
Übergabe auf Gnade oder Ungnade auf.
(außer
Geiger reagieren die Räte auf dieses Angebot sehr amüsiert)
Jenisch: Habt
ihr das gehört?
Löffler: (lacht)
Für was haltet uns euer Oberst?
Geiger: Läßt
der König über die Bedingungen für die Übergabe mit sich verhandeln?
Leutnant: Auf
Gnade oder Ungnade!
Jenisch: Herr
Parlamentär, bestellt dem König einen schönen Gruß, er mag ruhig kommen. Wir haben
schon alles zu seinem Empfang hergerichtet. Wir freuen uns, wenn wir ihn recht
bald mit Pulver und Blei bewirten können.
Löffler: Er
darf versichert sein, daß wir ihn auf’s beste bedienen werden!
Jenisch: Worauf
ihr euch verlassen könnt!
Leutnant: Ist
das euer letztes Wort?
Löffler: Worauf
ihr euren Arsch verwetten könnt!
Jenisch: Geleitet
den Herrn Parlamentär zum Klostertor!
(Leutnant
ab)
Geiger: Wenn
das nur nicht unklug war.
Löffler: Wir
sind den Kaiserlichen überlegen.
Jenisch: Noch
ein, zwei Tage der Prüfung, dann wird der Horn hier sein und uns unsere
Standhaftigkeit reichlich vergelten. (alle
ab)
Textalternativen
2
Für die Aufführung von Theater Stupor
Mundi
erster
Akt
3
Im
Rathaus der Reichsstadt Kempten; Bürgermeister Zacharias Jenisch - eine
respektable streng in spanische Mode gekleidete Erscheinung; um die vierzig -
bespricht sich mit dem Stadtammann und Geheimrat Martin Geiger - ein rüstiger
Greis um die siebzig.
Jenisch: Der
Kämmerer hat mir heute seine Abrechnung vorgelegt. Die kaiserliche
Einquartierung allein hat uns bisher an die 166.212 Gulden gekostet, nicht
mitgerechnet die 50.000 Gulden, die der Kaiser als Strafe über uns verhängt hat
und von denen wir noch 18.000 Gulden schuldig sind. Wenn die Kaiserlichen die
Einquartierung fortsetzen, werden wir in Bälde gänzlich ruiniert und
verschuldet sein. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, woher das Geld nehmen; unser
eigenes lassen sie als Falschgeld gelten.
Geiger: Und
wenn wir dem kaiserlichen Edikt nachgeben und die Sankt Mang Kirche den
Katholischen zurückgeben?
Jenisch: Herr
Martin Geiger, was schlagt ihr mir vor? Unsere Kirche sollen wir der
papistischen römischen Hur überlassen? Nie und nimmer! Solange ich Zacharias
Jenisch Bürgermeister unserer Stadt bin, wird’s keine Messe in unserer Kirche
geben.
Geiger: Aber
Herr Jenisch, die Kaiserlichen werden uns mit Einquartierung und Kontribution
solang kujonieren, bis wir nachgeben, oder die Stadt in Grund und Boden
verdorben ist.
Jenisch: Gilt
euch euer Glaube so wenig? Wir, die stolze Reichsstadt Kempten, allein und die
Memminger verteidigen in diesem von den Papistischen verseuchten Land das
Banner des wahren Glaubens und der Freiheit. Und die Prüfung währt nicht mehr
lange. Des großen Schwedenkönigs Armada steht schon im Sächsischen; die
evangelische Sache gewinnt im Reich die Oberhand. Und jetzt wo aller Drangsal
Ende in greifbare Nähe rückt, sollen wir kleinbeigeben?
Geiger: Herr
Bürgermeister, wir wissen doch gar nicht, ob der Schwedenkönig seinen Heerbann
überhaupt ins Allgäu führen wird.
Jenisch: Der
Schwedenkönig hat bereits zugesagt, daß er uns von den Kaiserlichen befreien
will.
Geiger: Das
Kriegsglück ist von launischer Art. Bald hat dieser, tags drauf jener die
Oberhand; heute noch ficht der Schwedenkönig mit fortune, doch morgen schon
können die Kaiserlichen die Oberhand gewinnen. Wenn wir uns erst mit dem
Schweden einlassen, gehen wir der kaiserlichen Gnad auf immer verlustig.
Jenisch: Von
des Kaisers Gnad können wir uns recht wenig kaufen!
Geiger: Dann
Herr Jenisch, schickt doch einen geheimen Gesandten zum Schwedenkönig, der
nochmals eindringlich unsre Bedrängnis schildert. Schickt den Löffler, der
stellt sich für diesen Dienst gern zur Verfügung. Gleichzeitig, Herr Jenisch,
müßt ihr eindringlich mit den Kaiserlichen unterhandeln. Ich mag nicht glauben,
daß die Kaiserlichen nicht der Vernunft zugänglich sind und kein Einsehen haben
sollten.
Jenisch: (skeptisch)
Ich will’s versuchen.
(beide
ab)
6
Haus des Bürgermeisters in der
Reichsstadt.......wie zuvor.
Noelius: Herr
Oberst, leider werde ich seiner kaiserlichen Majestät mitteilen müssen, daß
sich die von euch besetzt Stadt weiterhin rebellisch und störrisch gibt und
sich weiter weigert, dem kaiserlichen Edikt Folge zu leisten.
Pallandt: Seid
getrost Herr...Herr Noelius, ich werde die Reichsstädter schon weich bekommen.
Die werden wir ganz recht bis auf Blut tribulieren! Bis wir mit den
Bärenhäutern und Schleppsäcken fertig sind, weiß von denen keiner mehr, ob er
evangelisch oder katholisch ist.
Noelius: Herr
Oberst, versündigt euch nicht.
Pallandt: Kameraden!
Auf seine kaiserliche Majestät und des Kaisers Feldmarschall Graf Tilly!
Corpes! Brav ausgesoffen!
(sie
stehen auf - erheben ihr Glas und trinken)
Pallandt: Dirn!
Potzfickament! Nachgefüllt!
Corpes: Aber
plötzlich!
(Leonore
füllt ängstlich die Gläser wieder auf)
Noelius: Seht
nur zu, Herr Oberst, daß ihr mir die malifikanten Ketzer nur ordentlich
schikaniert, solang, bis sie mürbe sind, das kaiserliche Edikt annehmen und zum
wahren Glauben zurückkehren.
Pallandt: Herr
Noelius, bestellt seiner kaiserlichen Majestät, daß sich seine kaiserliche
Majestät ganz auf mich verlassen können. Auf die schönen Weiber!
Corpes: Auf
die Buhlerinnen! Brav ausgesoffen!
(sie
stehen wieder auf und trinken ihre Gläser leer - Leonore füllt nach)
Corpes: Die
junge Dirn würd schon auch eine rechte Aphroditen oder Dianen abgeben.
Pallandt: Wahrhaftig
Corpes!
7
Der
Bürgermeister Zacharias Jenisch kommt hinzu und umarmt Frau und Tochter.
Pallandt: Herr
Bürgermeister! Komm er nur her! Seine Gastfreundschaft läßt ganz erheblich zu
wünschen übrig. Ein Erzkujon ist er! Da hat er uns zum Possen Weib und
Töchterlein in ein anderes Haus bringen lassen und uns vorgestellt, beide seien
bei Verwandtschaft auf Besuch. Seine besten Schätze wollt er uns vorenthalten.
Die Jungfer hat uns zukünftig allabendlich zur Zierde unserer Tafel
aufzuwarten, wie sich’s geziemt. Oder meint er gar, daß unsere Gesellschaft
unschicklich für die flinke Dirn sei? Hält er uns gar für ausschweifende
Löffeler und fürchtet um Ehr und Unschuld seiner Frauenzimmer?
(sieht
im streng ins Gesicht)
Jenisch: Verzeiht
Herr Oberst, der Rat bat mich, mich mit euch untertänigst ins Benehmen zu
setzen. Vielleicht findet der Herr Oberst morgen Gelegenheit, mir Gehör zu
schenken.
Pallandt: Bleib
er nur! Setz er sich! Er wird doch wohl ein Glas auf unser Wohl trinken wollen.
Jungfer, bring sie ein volles Glas für ihren Herrn Vater! Aber nicht zu klein
und gut eingeschenkt!
(Jenisch
setzt sich und bekommt einen vollen Humpen)
Pallandt: Dann
kann er auch gleich jetzt sein Anliegen vorbringen. Aber zuerst trinken
wir...auf...auf seine allerkatholischste kaiserliche Majestät und auf die
Mutter Gottes!
(sie
erheben sich - Jenisch zögert)
Pallandt: Was
zögert er? Jetzt wird brav einer gesoffen! Auf die Heilige Jungfrau!
Jenisch: Auf
den Kaiser!
(die
Offiziere trinken aus - Jenisch setzt nach einem Schluck sein Glas ab)
Pallandt: Komm
er nur! Nicht abgestellt! Hier wird brav ausgesoffen!
(die
Offiziere sehen Jenisch erwartungsvoll und drohend an - Jenisch zögert, trinkt
dann aber aus)
Pallandt: Brav!
Das Bürgermeisterlein! Nun, was liegt ihm auf dem Herzen.
Jenisch: Verzeiht,
aber es mag sein, daß dies nicht der passende Zeitpunkt ist.
Pallandt: Mir
paßt es aber gerade.
Jenisch: Der
Rat bat mich, euch untertänigst mitzuteilen, daß unsere Mittel erschöpft sind.
Es ist kein Geld mehr da. Wir haben bereits unser Silber und alle
Wertgegenstände versetzt. Wir können euch und eure Kompanie nicht mehr länger
besolden und verpflegen.
Pallandt: Potzfickament!
Kein Geld habt ihr mehr?
Corpes: Das
sind mir lustige Gesellen!
Jenisch: Keinen
Heller.
Pallandt: Ein
Erzschelm ist er! Die Kemptener sind allesamt miteinander Rebellen, Schelme,
Ketzer du Diebe. Aber gut. Wenn ihr nicht mehr zahlen wollt, laß ich morgen zum
Plündern aufblasen. Corpes, die Kompanie soll morgen auf dem Marktplatz in
Schlachtordnung antreten!
Jenisch: Herr
Oberst, es gibt bei uns nichts mehr zu holen.
Corpes: Das
wird sich ja morgen zeigen.
Noelius: Herr
Bürgermeister, es liegt an euch, der Not ein Ende zu machen. Bekehrt euch zu
braven Untertanen und nehmt das kaiserliche Edikt an. Übergebt die Sankt Mang
Kirche dem katholischen Gottesdienst, und ich will beim Kaiser für euch
einstehen.
(Jenisch
schweigt)
Pallandt: Euch
werden wir schon weichkochen. Es gibt bei euch noch genügend reiche
Pfeffersäck, die das ihrige auf der Seite haben. Hol er’s von denen.
Corpes: Vom
Schmelzer hat man uns zugetragen, daß ‘r noch an die dreitausend Taler wohl
verwahrt in seinem Haus hat.
Pallandt: Also,
überleg er sich’s wohl, wenn nicht mehr gezahlt wird, wird geplündert. Und
jetzt wird noch wacker einer gesoffen! Dirn, ein volles Glas für den Jenisch!
Aber ein großes! Sonst setzt Tribunaden!
(Leonore
überreicht ihrem Vater einen Maßkrug Wein)
Pallandt: Auf
die heilige katholische Kirche! Auf geht’s Bürgermeister! Sauf er nur brav aus.
(Jenisch
setzt an - trinkt und setzt wieder ab)
Pallandt: Wo
denkt er hin! Brav ausgesoffen wird!
(Jenisch
trinkt aus und fällt zu Boden; Leonore und Hildegard eilen zu ihm)
Leonore: Vater!
Hildegard: Zacharias!
Was ist mit dir?
Corpes: Was
soll sein? Die Schleppsäck von Bürger vertragen eben nichts!
Hildegard: Komm
Leonore. Hilf mir! Wir bringen ihn ins Schlafgemach.
Pallandt: Nichts
da! Schmeißt den Erzkujon auf den Misthaufen!
Hildegard: Herr
Oberst! Ich flehe euch an! Seid doch nicht so streng!
(Hildegard
und Leonore bringen Jenisch fort)
Pallandt: Da
hat man’s wieder! Diese hungrigen Reichstädter, nicht mal zum saufen taugen
sie!
zweiter
Akt
1
Im
Rathaus der Reichsstadt. Zur Feier des Einzugs der Schweden in Kempten findet
im Rathaus ein feierlicher Umtrunk statt, an dem die Stadträte mit ihren Frauen
und die schwedischen Offiziere teilnehmen; am Rande dieses Festes ein Gespräch
zwischen Jenisch, und dem schwedischen Befehlshaber Sir Patrick Ruthven, der
nach französischer Mode gekleidet ist. Von draußen hört man Musik.
Jenisch: Herr
Patrick Ruthven, ihr glaubt gar nicht,
wie froh sind wir, euch in unserer Stadt zu sehen. Ungeduldig haben wir
eure Ankunft herbeigesehnt.
Ruthven: Seitdem
wir die Donau überschritten haben, sind wir in keiner Stadt mehr so freudig
empfangen worden. Nicht einmal in Memmingen war der Empfang so herzlich.
Jenisch: Die
Memminger haben unter der kaiserlichen Einquartierung auch nicht so gelitten
wie wir.
Ruthven: Damit
hat’s jetzt ein Ende! Von jetzt ab steht die Stadt unter dem Schutz und Schirm
seiner königlichen Majestät Gustav Adolf.
Jenisch: Sagt,
Herr Ruthven, wie wollt ihr mit dem Stift verfahren?
Ruthven: Das
werden wir nach Kriegsrecht gebührend plündern und dort unser Quartier
aufschlagen. Die widerspenstigen stiftischen Bauern haben wir gestern noch ganz
manierlich zu Paaren getrieben. ‘s ging nicht ganz ohne Blessuren ab, aber ‘s
nächste Mal werden die Bäuerlein parieren. Herr Bürgermeister, der König legt
großen Wert darauf, daß die öffentliche Moral und Ordnung auch in Kriegszeiten
erhalten bleibt; wenn möglich sollten sich die Bürger eurer Stadt nicht an der
Plünderung des Stiftes beteiligen, zumal der König sich dahingehend geäußert
hat, eurer Stadt das Stift zu übereignen.
Jenisch: Die
Bürgerschaft unserer Stadt verlangt, das Stift solle vom Erdboden getilgt
werden!
Ruthven: Wenn
‘s euch erst gehört vermögt ihr damit zu verfahren, wie’s euch beliebt. Klüger
wär’s aber, das Kloster in die Mauern eurer Stadt einzubeziehen. Was die
Verpflegung und Einquartierung meiner Leute anbelangt, so seid ihr natürlich
frei von allen Lasten und Abgaben; das katholische Stift hat für alles
aufzukommen. Auch hat der König aufgetragen, daß der Fürstabt und seine
Untertanen euch alles, was ihr durch kaiserliche Kontribution und
Einquartierung verloren habt, erstatten müssen.
(Frau
Jenisch kommt hinzu)
Hildegard: Sieh
an, die Herren diskurrieren wieder über die Staatsgeschäfte. Drinnen wird zum
Tanz aufgespielt.
Jenisch: Das
sind eben der Männer leidige Geschäfte.
Hildegard: Und,
Herr Ruthven, glaubt ihr auch, daß wir Frauen nichts davon verstehen? Aber seid
gewiß, wir tun nur so als ob wir davon nichts verstünden, um vor den Männern zu
verbergen, daß sie in Wahrheit nur unsere Ratschlüsse ausführen.
Ruthven: Frau
Jenisch, gewährt mir einen Tanz mit einer klugen Frau.
Hildegard: Mit
Freuden Herr Kavalier.
(Ruthven
und Frau Jenisch ab)
2
Von
der anderen Seite kommen Geiger und Meyer, der Obmann der Weberszunft hinzu.
Jenisch: Sieh
an der Meyer, seid ihr zufrieden? Von heute an sind wir endlich Bundesgenossen
des schwedischen Königs; jetzt hat alle Not ein Ende.
Meyer: Hochzufrieden
sind wir, Herr Bürgermeister! Jetzt zeigen wir dem Kaiser und der papistischen
Hur wer wir sind!
Geiger: Langsam
meine Herren, noch ist der Schwede nicht Herr im Reich und wer weiß ob’s uns
unter der Schweden Herrschaft besser ergehen wird.
Jenisch: Und
ob, Herr Geiger. Und ob! Lange genug haben wir unter der kaiserlichen
Knechtschaft ausgehalten; lange genug haben wir um der evangelischen Sache
willen gelitten. Wir waren allzeit standhaft; jetzt kommt die Zeit, da wir
unseren gerechten Lohn empfangen werden.
Meyer: Und
wir das unsere von den Papisten zurückholen werden. Wir werden’s den
Katholischen schon recht wiedervergelten.
Geiger: Denkt
an die christliche Barmherzigkeit.
Jenisch: Das
Grobe besorgt schon der Schwed für uns, da können wir uns schon in christlicher
Barmherzigkeit üben. Vorausgesetzt, man gibt uns zurück, was man uns die Jahre
über abgezwackt hat.
Meyer: Das
Stift muß weg! Diese Hochburg des Katholizismus direkt vor unseren Mauern ist
eine Beleidigung für jeden freien evangelischen Bürger., ein Stachel im Fleisch
unserer Stadt. Seht nur zu, Herr Jenisch, daß der Schwede gleich das ganze
Gebiet des Fürstabtes unserer Herrschaft übergibt.
Jenisch: Ein
Hoch auf den glorreichen Schwedenkönig! Vivat!
Meyer: Ein
Hoch den schwedischen Kavalieren!
(alle
ab)
4
Stadtrat Geiger kommt hinzu.
Geiger: Was
war das für Geschrei? Bürgersvolk, das sich zusammenrottet?
(er
sieht die Proklamation des Stadtrates in Fetzen auf dem Boden liegen)
Die
Proklamation des Stadtrates in Fetzen! Diese Dummköpfe, diese Narren Die wissen
ja nicht, was sie da tun.
(Hans
kommt hinzu)
He
du! Bursche!
Hans: Ja
Herr?
Geiger: Bursche,
was ist hier los?
Hans: Sie
sind ins Stift gezogen, den Fürstabt wollen sie erschlagen.
Geiger: Was?
Bursche, ‘s ist doch dem Schweden zum Contentament! ‘s darf nicht geplündert
werden. Hol sie zurück!
Hans: Ich,
Herr?
Geiger: Ach
schon gut verschwinde! (Hans ab) Ich hab’s befürchtet, Volkeswut läßt sich
nicht lange im Zaume halten, irgendwann macht sie sich Luft. Aber dem Herr
sei’s gedankt, sie können nicht viel ausrichten. Der Fürstabt ist längst entwischt
und hat das seinige ins Tirol gebracht, die Beamten sind geflohen und Mauern
werden sie ja keine einreißen wollen. Bleibt zu hoffen, daß sie keine
Gewalttätigkeiten gegen das katholische Volk und die Geistlichkeit anfangen und
sonst auch kein Sakrilegium begehen.
(Geiger
ab)
8
Im
Rathaus der Reichsstadt. Eine Besprechung zwischen Ruthven und Jenisch.
Ruthven: Herr
Jenisch, die stiftischen Bauern weigern sich, uns freiwillig Proviant zu
liefern. Alles müssen wir gewaltsam requirieren. Ich bin des Requirierens und
Furagierens müde. Ich habe deshalb der Reichsstadt Kaufbeuren Befehl gegeben,
uns wenigstens einen Teil des benötigten Proviants zu liefern. Die Kaufbeurer
haben die Evangelische Sache schließlich erbärmlich im Stich gelassen.
Jenisch: Meint
ihr nicht, Herr Ruthven, daß die Kaufbeurer damit zu glimpflich davon kommen?
Schließlich haben sich die Kaufbeurer arg gegen ihre evangelischen Mitbürger
versündigt. Wär’s nicht gerecht, wenn euch die Kaufbeurer neben der fälligen
Kontribution auch eure gesamte Furage und sämtlichen Aufenthalt besorgen
müssen?
Ruthven: Denkt
ihr, bei den Kaufbeurern gäb’s noch mehr zu holen?
Jenisch: Die
Kaufbeurer waren den Kaiserlichen und deren Jesuiten in allem zu willen und
wurden deshalb weitgehend von Kontribution und Einquartierung verschont. Die
Kaufbeurer haben drum noch volle Geldtruhen. Und, Herr Ruthven, ist’s für eure
Kompanien nicht besser, wenn die Kaufbeurer alles brav liefern und sich eure
Leute in wohlverdienter Ruhe erholen können, statt sich täglich aufs neue mit
den störrischen Bauern herumzuschlagen?
Ruthven: Da
habt ihr sicherlich recht.
Jenisch: Und
schließlich bringt es nur böses Blut mit sich, wenn die stiftischen Bauern all
zu hart vexiert werden.
Ruthven: Gut,
wir befehlen den Kaufbeurern, uns die gesamte Furage zu liefern. Noch eins Herr
Jenisch, die schwedischen Kompanien werden bald aus Kempten abziehen.
Jenisch: Herr
Ruthven, ist das euer ernst?
Ruthven: Der
Wallenstein hat ein neues kaiserliches Heer aufgestellt. An die 50.000 Mann
stark. Seine Majestät der König beabsichtigt, bei Nürnberg Wallensteins Angriff
abzuwarten und ihm eine rechte Battalie zu liefern. Aber seid unbesorgt, Kapfer
bleibt mit einer ausreichenden Salvaguardia in eurer Stadt.
(beide
ab)
dritter
Akt
3
Vor
dem Stift. Die Ratsherren überwachen abwechselnd die Abbrucharbeiten am Stift.
An diesem Tag wurde durch das Los der Stadtrat Geiger zur Aufsicht bestimmt. Er
sitzt in einem bequemen Stuhl, vor sich ein Glas Wein. Der Meyer kommt hinzu.
Meyer: Grußgott
Herr Geiger, führt ihr heute die Aufsicht?
Geiger: Ach,
ich bin dagegen, ganz entschieden gegen den Abbruch. Und jetzt bin ich durchs
Los auch noch zur Aufsicht verpflichtet.
Meyer: Heute
sind schon wieder weniger Bauern zur Arbeit erschienen. ‘s werden von Tag zu Tag
weniger. Die faulen Hund! ‘s wird Zeit, daß ihr da hart durchgreift!
Geiger: Wie
durchgreifen? Wollt ihr sie zwingen? Wollt ihr noch mehr böses Blut machen?
Meyer: Die
Bürger sind auch nur noch mit schwindendem Eifer bei der Arbeit.
Geiger: Ich
seh’s wohl, ‘s geht nicht vorwärts.
Meyer: Ja.
Zuerst hat man g’meint, man könnt alles an einem einzigen Tag einbrechen und
niederreißen. Aber die Mauern sind zu dick. Wenn man nur mehr Schießpulver zum
Sprengen nehmen könnt.
Geiger: Schießpulver
ist zu kostbar, das brauchen wir noch für die Kaiserlichen. Und die
Kaiserlichen werden kommen, seid gewiß.
Meyer: Die
Türme und die Residenz einzureißen und die Lorenzkirchen, das war noch ein
leichtes, aber das Münster ist recht massiv gebaut. Da müssen gelernte Mauer her.
Das geht zu langsam. Das Stift muß weg.
Geiger: Ja.
Jetzt muß es weg, wir sind schon zu weit gegangen. Die Kaiserlichen werden’s
als Bollwerk gegen uns verwenden.
Meyer: Und
wenn schon. Die Stadt ist wohl montiert. Laßt die Kaiserlichen nur kommen. Sollten
wir ernstlich in Bedrängnis geraten, wird uns der schwedische Bundesgenosse
schon Entsatz schicken.
Geiger: Wenn
nicht Gnade uns Gott. Was machen die Leute da drüben?
Meyer: Wen
meint ihr?
Geiger: Da
drüben! Die Kerle, die da die besten Steine auf die Wagen laden.
Meyer: Ach
die meint ihr.
Geiger: Habt
ihr das aufgetragen?
Meyer: Nein.
Das sind die Leut vom Schmelzer. Er läßt sich die besten Steine auf sein
Haubenschloß bringen, damit er’s prächtig vergrößern kann.
Geiger: Nun
ja, auf die paar alten Stein wird’s schon nicht ankommen.
Meyer: Wie?
Sämtliches Baumaterial aus dem Stift gehört der Stadt. Damit soll die
Befestigung der Stadt verbessert werden. Und es sind grad die besten Stück, die
er da auf sein Haubenschloß bringen läßt. (Hans
kommt hinzu)
Hans: Ihr
Herren, der Rat versammelt sich und alle Bürger sollen auf den Rathausplatz
kommen!
Geiger: Na
Bursche, was gibt’s?
Hans: Ich
weiß nicht, aber die Herren sollen sich beeilen. (alle ab)
4
Auf
dem Rathausplatz der Reichsstadt. Die Bürgerschaft hat sich bereits versammelt.
Jenisch betritt die Treppe zum Rathaus, eine Urkunde in der Hand.
Jenisch: Bürger
der Reichsstadt Kempten, heute ist der bedeutendste Tag in den Analen unserer
Stadt seit der Verleihung der Reichsunmittelbarkeit . Auf immer sollen unsere
Nachfahren und Kindeskinder dieses herrlichen Tages gedenken, an dem unsere
Stadt auf wunderbare Weise und durch des ruhmreichen Schwedenkönigs Gunst
erhöht wurde. Der König sendet uns folgende Urkunde.
(entrollt
die Urkunde und liest vor)
Wir
Gustav Adolf durch die Gnade Gottes König von Schweden übergeben auf ewige Zeit
der Reichsstadt Kempten, ihren Bürgern, deren Kindern und Kindeskindern, die
von uns eroberte und durch Kriegsrecht und Gewalt erlangte Grafschaft Kempten
mit allem was dazugehört zu rechtmäßigem Eigentum als Anerkennung der
Verdienste, die sich die Stadt um die evangelische Sache erworben hat.
(blickt
in die Runde, rollt die Urkunde feierlich zusammen und geht)
Bürgerschaft: Das ganze Gebiet des Stiftes gehört von jetzt ab unserer Stadt
an. Verewigen wir die Urkunde ins Stein! Erbauen wir ein prächtiges Denkmal.
Aller Posterität zum Gedenken. Errichten wir dem König ein Standbild vor dem
Rathaus. Hoch zu Roß.
(alle
ab)
7
Reichsstadt,
Stube im Haus des Bürgermeisters. Jenisch sitzt mit sorgenvoller Mine in einem
Sessel. Hildegard arbeitet an einer Stickerei. Leonore kommt mit einem Becher
Wein hinzu.
Leonore: Euer
Schlaftrunk, Herr Vater, einen Becher warmen Gewürzweins
Jenisch: Danke
mein Kind. Sag dem Knecht, er soll noch mehr Holz hochbringen, ‘s ist kalt in
der Stube und ich spür meine Gicht. Der Fuß tut weh.
Leonore: Ja
Herr Vater.
(Leonore
ab)
Hildegard: Was
ist mit dir Zacharias? Was grübelst du?
Jenisch: ‘s
ist nichts.
Hildegard: Was
für Sorgen plagen dich?
Jenisch: Man
darf’s nicht laut sagen, aber langsam fängt die schwedische Sache an, auf
Saufedern zu stehen.
Hildegard: Meinst
du, der Schwede läßt uns im Stich?
Jenisch: Der
Schwede hat jetzt viel um die Ohren. Der Schwedenkönig ist tot. ‘s hat eine
große Battalie gegen den Wallenstein gegeben, bei Lützen im Sächsischen. Der
König ist bei der Attacke gefallen.
Hildegard: Zacharias,
das ist schlimm. Die Kaiserlichen gewinnen Oberhand.
Jenisch: Frau,
auch wenn’s grad schlecht steht, haben wir nichts zu befürchten. Wenn’s hart
auf hart kommt, steht der Schwede uns in allem bei.
Hildegard: Aber
Zacharias, ‘s ist doch nicht gut, wenn man sich unnötig Feinde macht.
Zacharias, gebiete dem Treiben Einhalt. Hört mit dem Abbruch des Klosters auf.
Sag den Leuten, daß es nicht angeht, daß die sauberen Ratsherren immer hohle
Hände machen und alle in ihre eigene Tasche wirtschaften, das Land aussaugen
und die stiftischen Bauern immer mehr gegen sich aufbringen.
Jenisch: Die
Räte und die Bürgerschaft werden nicht auf mich hören, unser neuer Stand hat
ihnen ganz den Kopf verdreht. Daß sie sich jetzt Kanzler und Amtsmänner der
Grafschaft Kempten nennen dürfen, ist ihnen ins Hirn gestiegen.
Hildegard: Dabei
kann sich keiner von ihnen mehr bei den Bauern zeigen. Totschlagen würden sie
die sauberen Herren. Wenn erst die Kaiserlichen kommen, wird’s ein bös
Strafgericht geben.
Jensich: Mach
dir keine Sorgen Frau, so leicht steckt man uns nicht in den Sack. Die Stadt
ist stark und wir werden uns schon zu wehren wissen. Gott ist mit uns.
8
Stadtrat Geiger kommt hinzu.
Geiger: Grüßgott,
Frau Jenisch, Bürgermeister.
Hildegard: Herr
Geiger, ich meinte, ihr seid bei den Abbrucharbeiten im Stift.
Geiger: Das
Wetter ist zu schlecht. Wir werden die Abbrucharbeiten bald einstellen. Bei dem
Wetter hat’s keinen Wert. ‘s ist gescheiter, wir machen im Frühjahr weiter. ‘s
schaffen da eh nur noch gelernte Mauer im Taglohn, die bräuchten wir gar nicht
zu beaufsichtigen.
Jenisch: Dumm
waren wir, Geiger. Einfach dumm.
Geiger: Wie
meint ihr das?
Jenisch: Wir
hätten vom König gleich die Herrschaft über das Gebiet von Nesselwang und
Pfronten fordern sollen. Ja, die Herrschaft über das Tirol hätten wir an uns
bringen können.
Geiger: Ihr
kennt meine Meinung, Herr Jenisch.
Jenisch: Dumm
waren wir! Einfach dumm! Jetzt wo der König tot ist, wird sich da nichts mehr
machen lassen. Der schwedische Reichskanzler ist ein sturer Hund. Wir hätten
gleich richtig zulangen müssen.
Geiger: Nur
zu! Bald schon werden die Kaiserlichen kommen.
Jenisch: Doch
nicht im Winter! Wie wollen sie da ihr schwer Geschütz und Artollerei durch den
Schnee bringen? Wenn überhaupt, dann kommen die Papistischen erst im Frühjahr
und bis dahin haben wir längst wieder schwedische Kompanien im Quartier.
Hildegard: Herr
Geiger, meint ihr nicht auch, daß es besser ist, wenn sich Frauen und Kinder in
die sichere Schweiz salvieren würden?
Jenisch: Aber
Frau! Wo denkst du hin? Nirgendwo bist du sicherer als in unserer festen Stadt.
Geiger: Hoffen
wir Jenisch, daß ihr Recht behalten werdet.
(Licht
aus alle ab)
9
Quartier
des kaiserlichen Oberst Freiherr Peter von König in Lindau. König - ein sehr
gläubiger Mensch - kniet vor seinem Beichtvater, der ihm gerade die Beichte
abgenommen hat. Der Pater spricht ein Gebet, König spricht leise nach. Als
Widerpart zu Bürgermeister Jenisch ist König ebenfalls streng spanisch
gekleidet.
Pater: Laudate
Dominum omnes gentes, collaudate eum, omnes populi.
Quoniam
confirmata est super nos misericordia ejus, et veritas Domini manet in
aeternum.
Gloria
Patri et Filio, et....
(ein
Leutnant und der Herr von Grafenegg kommen hinzu)
Leutnant: Herr
Oberst von König....
(König
gibt dem Leutnant ein Zeichen, worauf dieser schweigt)
Pater: .....et
Spiritui Sancto.
Sicut
erat in principio, et nunc et semper,
et
in saecula saeculorum. Amen.
(König
steht auf - Pater ab)
König: Kerl,
was gibt?
Leutnant: Eine
Order vom Generalissimus und ein Schreiben von der Erzherzogin.
(übergibt
ihm zwei Schreiben; König liest)
König: Soso,
der Wallenstein erteilt uns die Genehmigung zum schwäbischen Feldzug. Jetzt
mitten im Winter; hätt er’s uns nicht schon vor einem Monat erlauben können? Da
war’s Wetter noch besser. Die Erzherzogin bittet uns, sogleich gegen Kempten zu
ziehen und die dortige Ketzerei mit Stumpf und Stil auszurotten.
Grafenegg: Dem
Herrn sein Dank.
König: Gemach
Grafenegg, wir gewinnen nur die Stadt dem Reich zurück. Das mit den Ketzern
dürft ihr hernach besorgen.
Grafenegg: Vergeßt
nicht Herr Oberst, daß ihr eure Waffen der heiligen Jungfrau geweiht habt und
das Bild der Muttergottes in eurem Banner führt.
Leutnant: Herr
Oberst, die Straße von Lindau nach Kempten ist wegen der starken Schneefälle
fast unpassierbar.
König: Einen
regelrechten Feldzug wird’s nicht brauchen. Die Reichsstädter sind ja nicht
dumm. Wir werden sie gütlich unter annehmbaren Bedingungen zur Übergabe
auffordern.
Grafenegg: Das
wird nicht im Sinne seiner fürstlichsten Durchlaucht, der Erzherzogin, und auch
nicht im Sinne seiner fürstlichen Gnaden, des Fürstabtes, sein.
König: Grafenegg,
die Religion ist eine, das Kriegshandwerk eine andre Sache. Wenn die Spitzköpf
und Siemänner in Trutz verharren, nutzen wir die Überraschung und nehmen die
Stadt im Handstreich. Der Schwed hat nur eine schwache Salvaguardia
zurückgelassen. Für diese Battalie braucht’s keine besonderen Strategemata.
Eine Cavalcada und leichte Artollerei genügen. Leutnant, wir brechen noch heute
auf.
(alle
ab)
vierter
Akt
1
Auf
der Stadtmauer der Reichsstadt. Jenisch und Geiger. Es schneit. Geiger
beobachtet mit einem Fernrohr durch das Scheegestöber den Aufmarsch der
Kaiserlichen.
Jenisch: Herr
Geiger, es ist wie ich’s euch sagte, ihr dürft unbesorgt sein. Der Peter von
König hat nur eine Handvoll Reuter bei sich.
Geiger: Auf
wieviel Mann hoch schätzt ihr die Kaiserlichen?
Jenisch: Vor
der Stadt dürften’s grad ein paar hundert Dragoner sein. Vom Buchenberg herab
ziehen weitere Kolonnen. Musketierer und wieder Dragoner. Insgesamt höchstens
tausend bis zweitausend Mann.
Geiger: Mit
den paar Leuten will der von König unsere Stadt erobern?
Jenisch: Ich
sag’s euch ja, ‘s gilt nichts zu befürchten.
Geiger: Seht
ihr auch Geschütz?
Jenisch: Viel
hat der von König nicht durch den Schnee gebracht. Das da vorn dürften nur zwei
halbe Kartaunen sein und dahinten seh ich noch zwei Falkonettlein, nein, da ist
noch eins, drei Falkonettlein sind’s. Sonst weit und breit nichts.
Geiger: Ist
das schweres Geschütz?
Jenisch: Nein,
soviel ich weiß, sind’s nur leichte Stück.
Geiger: Dann
wären wir dem König in der Tat haushoch überlegen! Wir haben auf unseren Mauern
an die sechzig Geschütz, darunter sogar ein Orgelgeschütz und noch zahlreiche
Granaten. Und an Volk wären wir mindestens ebenso stark.
Geiger: Ich
sag’s ja, seid guten Mutes.
Geiger: Aber
wenn’s nur die Vorhut ist?
Jenisch: Auch
wenn die Kaiserlichen in den nächsten Tagen noch Zuzug und Verstärkung
erhalten, vom Breisgau her naht der General Horn mit einer schwedischen Armada
von zwanzigtausend Mann zum Entsatz, in wenigen Tagen wird er hier sein und die
Kaiserlichen zu Paaren treiben. Zu einer regelrechten Belagerung wird’s nicht
kommen, der Boden ist viel zu fest gefroren, um Schanzen und Wälle aufzuwerfen.
Grad in den Ruinen des Stifts können sie sich notdürftig verschanzen.
Geiger: Trotzdem
wird’s nicht verkehrt sein, das Zeughaus zu öffnen und die Bürgerschaft zu
bewaffnen.
Jenisch: Ja.
Die Stadt zu verteidigen, ist die Pflicht eines jeden braven Bürgers. Es wäre
jämmerlich, wenn wir dies der schwedischen Garnision allein überlassen würden.
(beide
ab)
2
Straße
in der Stadt. Jenisch geht durch die Stadt, um die Bürger persönlich zu den
Waffen zu rufen und ihnen Mut zu machen. Weitere Bürger kommen hinzu, darunter
Weberin, Müllerin und Hans.
Jenisch: Bürger!
Kommt alle zum Zeughaus! Die Waffen werden ausgegeben. Alle rechtschaffenen
Männer zum Zeughaus!
Müllerin: Mein
Mann ist schon im Zeughaus. Er will auch mit vorn sein, wenn’s für die
Kaiserlichen Bastonaden setzt.
Weberin: Herr
Bürgermeister, meint ihr das ist gescheit? Unsere Männer sind doch keine
Kriegsleute nicht.
Jenisch: Frau
Weber, eure Männer haben jeden Sonntag brav auf dem Schießplatz am
Pfeilergraben geübt. Die nehmen’s mit jedem Musketierer auf. Das ist das
wenigste, was man von einem freien Bürger verlangen kann, daß er sein Weib,
seine Kinder und sein Haus beschützen kann.
Müllerin: Was
wollen die Kaiserlichen denn mit einer lumpigen Handvoll ausrichten.
Jenisch: Und
wenn’s auch mehr werden. Wie zu der alten Römers Zeiten wollen wir als freie
Männer unsere Freiheit gegen die Tyrannen verteidigen.
Müllerin: Bis
zum letzen Mann wollen wir uns wehren!
Jenisch: (zu
Hans) Komm Bursche! Auf mit dir zum Zeughaus! Laß dir einen ordentlichen Degen
geben!
Weberin: Der
Hans ist doch noch zu jung für den Krieg.
Müllerin: Ach
woher. Der Junge gibt einen vortrefflichen Trommler oder Regimentspfeifer ab.
Hans: Freilich
komm ich mit.
Jenisch: Junge,
du gefällst mir. Bürgerinnen, unsere einzige Sorge ist, daß der Horn mit dem
Entsatz eintrifft, bevor wir die Kaiserlichen besiegt haben und uns die Ehr
nimmt.
Müllerin: Der
Stadthauptmann soll doch gleich heut noch die unsrigen zum Ausfall gegen die
kaiserlichen Knecht führen. Denen wollen wir’s schon recht einheizen.
Jenisch: Bürgerinnen,
das da draußen sind nur gemietete Söldlinge und Kriegsgurgeln, während wir
freie Bürger sind. Wir streiten für Haus und Herd, für unsere Freiheit und für
unseren Glauben! Auf für die evangelische Sache! Und auch ihr Frauen sollt
Anteil an unserem Sieg haben. Ihr kümmert euch um die Verwundeten und steht
euren Männern im Kampf bei!
Müllerin: Auf
zum Zeughaus!
Jenisch: Kommt!
Alle Bürger zu den Waffen! (alle
ab)
4
Ratssaal im Rathaus. Jenisch und Geiger
empfangen den Leutnant.
Jenisch: Es
heißt, der König will uns zur Übergabe auffordern, aber dem werden wir tüchtig
Bescheid geben.
Geiger: Der
von König bekommt jeden Tag Zuzug und Verstärkung an Mann und Geschütz. Gestern
noch waren’s dreitausend, heute sind’s schon zehntausend.
Jenisch: Und
wenn schon. Wir sind auch nicht von Pappe. Ihr habt doch gesehen, was für
Mannschaft der König hat. Die wenigsten sind reguläre Landsknechte, die meisten
nur bewaffnete Bauern. Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Landstreicher! Bald
schon wird der Horn mit seiner Armada hier sein. ‘s kann sich bloß noch um Tage
handeln.
Geiger: Wär’s
dann nicht besser, den König mit Verhandlungen hinzuhalten, bis der Horn da
ist?
Jenisch: Nichts
da! Mit den Kaiserlichen wird nicht verhandelt!
(der
Leutnant kommt hinzu)
Leutnant: Meine
Herren, des Kaisers Obrist, Freiherr Peter von König fordert die Stadt zur
Übergabe auf Gnade oder Ungnade auf.
(Jenisch
reagiert sehr amüsiert auf die Aufforderung, Geiger nachdenklich)
Jenisch: Habt
ihr das gehört, Geiger? (lacht) Für was haltet uns euer Oberst?
Geiger: Läßt
der König über die Bedingungen für die Übergabe mit sich verhandeln?
Leutnant: Auf
Gnade oder Ungnade!
Jenisch: Herr
Parlamentär, bestellt dem König einen schönen Gruß, er mag ruhig kommen. Wir
haben schon alles zu seinem Empfang hergerichtet. Wir freuen uns, wenn wir ihn
recht bald mit Pulver und Blei bewirten können. Er darf versichert sein, daß
wir ihn auf’s beste bedienen werden!
Leutnant: Ist
das euer letztes Wort?
Jenisch: Worauf
ihr euren Allerwertesten verwetten könnt! Herr Parlamentär, man wird euch zum
Klostertor geleiten. Ihr seid entlassen!
(Leutnant
ab)
Geiger: Wenn
das nur nicht unklug war.
Jenisch: Wir
sind den Kaiserlichen überlegen. Noch ein, zwei Tage der Prüfung, dann wird der
Horn hier sein und uns unsere Standhaftigkeit reichlich vergelten. (alle ab)
7
An
der Stadtmauer beim Klostertor. Kampfpause nach dem zweiten Sturm. Die Müllerin
bringt Heinrich, der an der rechten Schulter verwundet ist, hinter die
Stadtmauer und verbindet ihn. Von ganz nahe Geschützdonner und Schüsse von
Musketen.
Müllerin: ‘s
ist nur eine Fleischwunde. ‘s blutet stark, aber der Barbier wird’s schon nähen
können. Die Knochen sind heil.
Heinrich: Wir
haben sie zum zweiten mal in die Flucht geschlagen! Wir haben gesiegt!
(Jenisch
und Geiger kommen hinzu)
Jenisch: Bursche,
bist du verletzt?
Heinrich: Nur
ein Kratzer.
Jenisch: Du
hast dich wacker geschlagen. Alle haben sich wacker geschlagen.
Heinrich: Der
Sieg ist unser!
Geiger: Jenisch,
wir haben sie zweimal zurückgeschlagen. Aber die Mauern hier liegen in Trümmer.
Unsere Leute sind erschöpft. Wenn sie ein drittes mal angreifen, wird sie
niemand mehr aufhalten können.
Jenisch: Frau,
wenn ihr den verbunden habt, dann geht zu den anderen! Bringt Öl zu sieden!
Wenn sie nochmals angreifen, gießt es von der Mauer auf den Feind. Und Steine!
Steine müssen her, damit wir die Bresche ausfüllen können.
Geiger: Jenisch,
laßt mich mit der weißen Fahnen vor das Tor gehen und ihnen die Stadt auf Gnade
oder Ungnade übergeben.
Jenisch: Geiger!
Seid ihr von Sinnen! Wir haben eine große Victorie errungen. Wenn sie nochmals
angreifen, werden wir sie eben noch einmal zurückschlagen. Jetzt wo wir die
Kaiserlichen geschlagen haben, wollt ihr die Stadt übergeben?
Geiger: Jenisch!
Wißt ihr was geschieht, wenn die Kaiserlichen erst in der Stadt sind? Um des
Lebens eurer Frau und eurer Tochter willen, laßt mich die Stadt übergeben! Hört
ihr? Die Kanonade hat aufgehört?
Jenisch: Ja.
Da habt ihr’s! Sie zeihen ab. Der Sturm ist zuende.
Geiger: Jenisch,
hört ihr nicht? ‘s ist blankes Eisen und Schlachtgeschrei. Sie stürmen zum
dritten mal!
Jenisch: Schlagt
die Trommel! Auf ins Gefecht! Für’s Evangelium! Für Gott und die Freiheit! (Hans kommt hinzu)
Hans: Flieht!
Flieht! Sie sind in der Stadt!
(Jenisch
hält ihn fest, Heinrich steht auf)
Jenisch: Junge!
Was ist?
Hans: Sie
sind in der Stadt! (er flieht)
Geiger: Kommt
auf die Burghalde! Salviert euch auf die Burghalde!
Heinrich: Nein!
Wir werfen sie wieder hinaus!
Geiger: Narr!
Auf die Burghalde! (alle außer
Heinrich flüchten)
Weberin: Komm!
Du bist doch verwundet!
Heinrich: Wir
werfen sie hinaus wie sie hereingekommen sind.
(kaiserliche
Soldaten kommen hinzu - Heinrich zieht sein Schwert)
Heinrich: Kommt
nur her, wenn ihr Courage habt!
Soldat 1: Ab
in die Höll mit dir!
(Soldat
1 schieß auf Heinrich - Heinrich ist getroffen und fällt)
Soldat 1: (dreht
Heinrich um) Der ist hin!
Leutnant: Komm!
Wir brauchen Beil und Äxt, damit wir Häuser und Türen aufbrechen können. Hier
haben wir gute Schappweid!
Soldat 1: Auf
geht’s! jetzt gilt’s eine gute Beuten zu machen! (beide ab)
8
Ohne
Soldat 2 - der Text von Soldat 2 wird von Soldat 1 übernommen.
9
Auf
einer Straße der Reichsstadt. Die beiden Soldaten und der Leutnant kommen
hinzu, mit Beute beladen, Weinflaschen in der Hand und bereits angetrunken.
Leutnant: Auf
euer Wohl ihr Erzschufte!
Soldat 2: Leutnant!
Zum Wohl!
Soldat 1: Auf
euer Wohl! Alte Bärenhäuter! Sauft bis das die Welt sich dreht!
(sie
trinken)
Leutnant: Potzteufel!
Der Bürgermeister hat einen guten Weinkeller!
Soldat 1: Lebt
die junge Dirn noch?
Leutnant: Nachdem
die Kammeraden alle mit ihr fertig waren, hab ich ihr aus reiner christlicher Nächstenliebe
rechtschaffen die Augen ausgestochen, damit die Hur den Jammer nicht mehr
länger mit ansehen muß und sie aus dem Fenster geworfen.
Soldat 1: Schade,
wir hätten sie im Quartier den anderen zum Kauf anbieten können.
Soldat 2: Komisch,
‘s riecht verbrannt.
Leutnant: Eine
Plünderung geht nie ohne ein tüchtiges Feuerchen ab. Damit ist den Ketzerbuben
ordentlich vergolten, was sie mit dem Stift gemacht haben!
(Müllerin
und Hans kommen hinzu)
Müllerin: Gnade!
Ihr Herren Soldaten! Wir bitten euch um Gnade! Die Stadt brennt, laßt uns doch
unsere Häuser löschen.
Soldat 2: Die
kommen grade recht!
Müllerin: Gnade
Herr Soldat. Wir wollen nur das Feuer löschen.
Leutnant: Nichts
wird da gelöscht! Bursche! Du trägst unsere Beuten ins Lager! Da!
(sie
laden ihm ihre Beute auf)
Soldat 2: Und
du Weib! Du kommst mit! (packt
die Müllerin)
Müllerin: Nein!
Gnade! Verschont mich! Ich tu ja alles was ihr wollt. (kniet nieder) Gnade! Ihr
edlen Herren, laßt mich laufen!
Leutnant: Frau,
ich will dir Pardon geben und dich laufen lassen wohin du willst, wenn du mir
nur Gott und alle Heiligen verleugnen willst.
Müllerin: Ich
kenne keine Heiligen. Ich bin recht evangelisch.
Leutnant: Dann
schwöre, daß du’s Evangelium nicht kennst und Gott nicht fürchtest.
Müllerin: Gut
Herr, ich schwöre noch nie was vom Evangelium gehört zu haben und daß ich Gott
nicht fürchte.
Leutnant: Schwöre
noch, daß du niemals Anteil am Gottes Reich begehrst und lieber in die Höll zu
gehen wünschtest.
Müllerin: Ja
Herr, wie ihr wollt. Ich schwöre, keinen Anteil an Gottes Reich zu begehren und
lieber in die Höll zu gehen. Laßt mich doch laufen!
Leutnant: Gut
Weib! Dann halte ich mein versprechen. Da du also nicht in den Himmel willst,
schick ich dich in die Höll!
(erschießt
sie mit seiner Pistole)
Leutnant: Ihr
Schnapphahnen! So muß man mit den Schuften verfahren und sie auf alle Ewigkeit
bestrafen!
Soldat 2: Potzsakrament
Leutnant, ihr hättet mir wenigstens noch meinen Spaß mit ihr lassen können. Ihr
seid ja schon auf eure Kosten gekommen.
Leutnant: He
da! Maul gehalten!
Soldat 2: Wenn’s
ans Plündern geht, muß kameradschaftlich geteilt werden! Ihr bringt die Weiber
um, statt sie euren Kameraden zu lassen!
Leutnant: Ein
fauler Bärenhäuter bist du! Beim Plündern muß man sich ranhalten! Wer’s
verschläft hat eben Pech gehabt!
Soldat 2: Leutnant!
Nehmt das zurück! Sonst verlang ich Genugtuung!
(zieht
seinen Degen)
Leutnant: Dreckskerl!
Die Waffe erhebt er gegen einen Ranghöheren! Komm nur her du Bärenhäuter!
Hurensohn! (zieht ebenfalls seinen
Degen)
10
König
und Grafenegg kommen hinzu. König ist verwundet, trägt einen Kopfverband und
den linken Arm in einer Schlinge, Grafenegg ist bleich vor Entsetzten.
König: Was
ist hier los?
Leutnant: Achtung!
(sie
nehmen ihre Degen herunter und nehmen Haltung an)
König: Pack!
Streitet ihr euch um die Beute? Es ist genug für jeden da! Aber laßt mir
wenigstens ein paar von den Bürgerlich am Leben. Nun Grafenegg? Seid ihr jetzt
endlich zufrieden? Habt ihr euch so euer Strafgericht vorgestellt?
Grafenegg: Alles
wird niedergehauen! Gott verleihe uns weiter seine Gnade.
König: Jetzt
könnt ihr eurem Herrn melden, daß alles nach seinem Wusch geschehen ist. Bald
kann er in der evangelischen Sankt Mang Kirche ein feierliches Te Deum singen!
Er muß sich bloß beeilen, bevor die Luft vom Gestank der Verwesung verpestet
ist.
Grafenegg: Die
Stadt brennt. Alles steht in Flammen. Herr von König könnt ihr dem nicht
Einhalt gebieten?
König: Wie
sollte ich, Grafenegg? Das ist Kriegsrecht! Nach dem Sturm wird geplündert und
alles erschlagen. Alles gehört auf Gnad oder Ungnad dem Sieger. Ich war bei der
Erstürmung Magdeburgs zugegen; von 30.000 Bürgern haben wir 25.000 erschlagen;
nachher die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Man sollt meinen, das hätt allen
trutzigen Städten als blutiges Exempel dienen müssen, aber die Kemptener
haben’s besser wissen wollen. (blickt auf die Soldaten) Schaut sie euch doch
an. Das sind alles Schapphahnen, Diebe, Schelme und Mörder. Bis morgen Früh
gehört die Stadt ihnen.
Grafenegg: Könnt
ihr nicht wenigstens den Brand löschen lassen? ‘s ist inzwischen schließlich
des Kaisers Stadt, die da zugrunde geht.
König: Ihr
seht ja, wie’s in der Stadt zu geht; weit schlimmer als in Dantes
Hölleninferno! Und wer weiß schon, ob die unseren das Feuer gelegt haben oder
der Schwed oder gar die Bürger selbst, damit die Stadt nicht in unsere Hände
fallen soll. Morgen wird sich zeigen, was von der Stadt übrig bleibt. Kommt
Grafenegg! Die Erzherzogin erwartet schon ungeduldig meinen Bericht, und
sicherlich wird auch euer Herr, der Fürstabt, der frohen Kunde harren. (beide
ab)
Leutnant: Achtung!
Soldat 1: Das
ist ja nochmals gut gegangen.
Leutnant: Gut,
das nächste Frauenzimmer gehört dir.
Soldat 2: Die
Rauchschwaden werden immer dichter. Bringen wir lieber die Beuten ins Quartier.
Leutnant: Aber
dann kommen wir zurück und verriegeln die Bürgerhäuser, damit die Spitzköpf
darin mit Weib und Kind ordentlich verbrennen müssen! Komm Bursche! Sonst
setzt’s was! (alle
ab)