Prolog

 

Vier Gestalten treffen sich nachts auf dem Buchenberg; der Erste ist sehr martialisch anzusehen, trägt ein großes Schwert, eine Rüstung und einen blutroten Umhang - der Krieg; der Zweite ist völlig abgemagert, trägt nur noch schwarze Fetzen am Leib - der Hunger; der Dritte ist aufgeschwemmt, sein Körper mit Eiterbeulen übersät, sein Leib wird von einem weißen Leichentuch und weißen Bandagen zusammengehalten - die Pest; der Vierte trägt ein langes schwarzes Gewand mit einer Kapuze, die tief ins Gesicht gezogen ist, nur gelegentlich erkennt man dieses - einen Totenschädel, in der Hand die Sense - der Tod.

 

Tod:                      Seht meine Brüder, ich habe euch auf eine fette Weide geführt. Seid ihr zufrieden?

Krieg:       Wo sind wir hier?

Pest:       Die Leute nenn’s den Buchenberg.

Krieg:       Und das da unten? Es scheint, ‘s ist eine blühende Landschaft.

Tod:       Euch zu Füßen, meine Brüder, liegt mit hochaufragenden Türmen und himmelwärts strebenden Giebeln eine stolze Stadt: die freie Reichsstadt Kempten. Vor ihren Mauern erkennt ihr an dem prächtigen Bau des Münsters ein ebenso stolzes und mächtges Kloster: das Hohe Reichsstift Kempten. Der eine evangelisch, der andere katholisch.

Hunger:       Hier sind wir richtig. Die Felder sehen wohlbestellt aus, auf den Weiden grast wohlgenährtes Vieh; ich sehe stolze Bürgersleute und hoffärtige Bürgersfrauen, herrschsüchtige und lasterhafte Mönche, vollgefressene und träge Bauern. Der Hochmut ist uns bereits vorausgegangen.

Krieg:       Der ist immer schon vor uns da.

Pest:       Auch die Zwietracht hat sich hier schon eingenistet; schon seit langem sind sich Stadt und Stift feind.

Krieg:       Wir werden also leichtes Spiel haben. Soll ich vorangehen?

Hunger:       Nein, laßt mir den Spaß. Laßt mich als erstes hinabstiegen. Teuerung, Mangel und Hunger sollen über sie kommen, als erstes; noch vor dir. Solange will ich herrschen, bis sie sich gegenseitig auffressen. Zuführen will ich dem großen Bruder von ihnen den ersten Teil.

Krieg:       Aber beeil dich! Nur einen kleine Vorsprung laß ich dir. Mein feuriges Temperament kennt die Geduld nicht. Seit ich vor fünfzehn Jahren durch des Menschen Dummheit erweckt wart, ziehe ich ruhelos im ganzen Reich umher; ich leid es nicht, in dieser Landschaft noch nicht Fuß gefaßt zu haben. Über sie will ich kommen mit Feuer, Pech und Schwefel, mit Pulver, Blei und blankem Eisen. Zuführen will ich dem großen Bruder von ihnen den zweiten Teil.

Pest:       Und ich? Meint ihr es steht mir an, nach euch zu kommen? Freilich bin ich der Geduldigste von euch, aber auch der Schrecklichste. Euch beiden vermag man noch zu entfliehen, mir entkommt keiner. Mein Pesthauch wird in alle Häuser dringen, in jeden Hof, jedes Gemach, jede Stube, jeden Keller, in jede Mauerritze; wird sich von den Häusern aus über Felder und Fluren verbreiten. Alle sind vor mir gleich; keinen Unterschied kenne ich, alle Stände, aller Adel, Reichtum und Macht gelten nicht s vor mir. Über sie will ich kommen mit dem Heer der Ratten, mit Eiter und Verwesung. Zuführen will ich dem großen Bruder von ihnen den dritten Teil.

Tod:       So sei es: Hunger, geh du voraus. Krieg, du bist der zweite, und du, Pest, kommst als letzter. Ich folge euch auf dem Fuß und nehmen will ich den ersten, den zweiten und den dritten Teil von ihnen mit mir. Der vierte und letzte Teil mag bleiben und mit seiner Trauer von meinem Ruhm künden.

Krieg:       Auf denn, es gilt eine fette Beut zu machen. Die Ernte ist reif und harrt deiner Sense, großer Bruder.

                        (alle ab)

erster Akt

 

1

 

Ein Bauernhof bei Buchenberg. Anne Schwegler, die Tochter des Bauern, kehrt vor dem Hof. Isabell, Annes jüngere Schwester, ist mit Schemel und Eimer in den Stall unterwegs. Heinrich Schwenk, Sohn eines Reichsstädtischen Metzgers, unterwegs um für die Reichsstadt Vieh einzukaufen, macht an dem Hof halt.

 

Heinrich:               He ihr! Mägde!

Anne:                   Was? Nenn uns keine Magd! Der Bauer ist unser Vater.

Heinrich:               Dann holt euren Vater!

Isabell:                 Der ist auf’m Feld.

Anne:                   Was willst denn du? So wie du ausschaust, bist du bestimmt einer aus der Reichsstadt.

Heinrich:               Ich bin unterwegs, um Vieh aufzukaufen.

Anne:                   Isabell, hol die Mutter.

Isabell:                 Jaja, schon recht. (Isabell ab)

Heinrich:               Habt ihr Vieh zum Verkauf? Butter? Schmalz? Getreide? Ich bezahl in klingender Münze.

Anne:                   In was für Münze?              (er zieht eine Münze aus seinem Beutel)

Heinrich:               Hier. Silberne Reichsstädtische Halbbatzen.

                            (sie nimmt die Münze und beißt drauf)

Anne:                   Die kannst du behalten. Das Silber geht schon ab; ‘s hat sich rumgesprochen, daß ihr Reichsstädter mit Falschgeld zahlt.

Heinrich:       Falschgeld? Für so eine junge Dirn bist du reichlich vorlaut. Das Geld kommt aus der Reichsstädtischen Münze. Wie soll das Falschgeld sein?

Anne:       Du meinst wohl, weil ich eine Bauerstochter bin, merk ich so was nicht? Überhaupt sagt der Pfarrer, daß ihr allesamt Ketzerleute seid, und daß man sich gegen Gott versündigt, wenn man mit einem von euch Geschäfte macht.

Heinrich:       Ketzerleute? Ich geb dir was, du Bauerntrampel!

                        (zornig wendet er sich um und will gehen)

Anne:       Ketzermensch!

                        (er bleibt stehen, dreht sich um und mustert sie nicht ohne wohlgefallen)

Heinrich:       Obwohl, wenn man dich genau anschaut, schaust du gar nicht so aus wie ein Bauerntrampel. Jaja, auf dem Land wachsen manchmal gar keine so schlechten Früchte. Schade, daß du eine Katholische bist.

                        (sie errötet und wird verlegen)

Anne:       Jetzt werd grad noch unverschämt! Ketzermensch!

Heinrich:       Schade, da hat sie so ein hübsches Gesicht und kräht daher wie die Hühner auf dem Misthaufen.

Anne:       Was? Ich geb dir gleich eine!

Heinrich:       Schon recht, ich geh schon. (dreht sich um und geht)

Anne:       Ja schau bloß, daß du in dein ketzerisches Ratzennest kommst!

 

2

 

Elisabeth Schwegler, Annes Mutter kommt hinzu. Heinrich kehrt um.

 

Schweglerin:       Anne! Was schreist du so herum?

Heinrich:       Seid ihr die Bäuerin? Ich bin unterwegs, um Vieh aufzukaufen.

Schweglerin:       So?

Anne:       Bloß nicht Mutter, er zahlt mit Falschgeld.

Heinrich:       Halbbatzen aus der Reichsstädtischen Münze. Das ist rechtes Geld.

Anne:       Da hast du’s. Er hat nur falsches Geld.

Schweglerin:       Du tust deine Arbeit! Mit dem Kujon red ich schon!

                        (Anne wirft einen verstohlenen Blick auf Heinrich; geht ab)

Schweglerin:       Für eure falschen Halbbatzen seid ihr schon weit und breit bekannt. Wenn ihr Vieh kaufen wollt, zahlt in Gulden, das ist rechtes Geld. Eure Halbbatzen nimmt niemand. Wenn ihr Gulden habt, können wir ins Geschäft kommen.

Heinrich:       Wieviel Gulden wollt ihr denn für einen Schlachtochsen?

Schweglerin:       250.

Heinrich:       Wie? 250 Gulden für einen Ochsen? Das ist Wucher!

Schweglerin:       Was soll ich machen? Man kriegt immer weniger für sein Geld.

Heinrich:       Frau, letzten Monat noch hat ein Ochse 150 Gulden gekostet.

Schweglerin:       Die Obrigkeit verlangt immer mehr an Abgaben, damit sie des Kaisers Krieg zahlen können. Die Ernte letztes Jahr war schlecht, der ganze Sommer verregnet und die Nachfrage bei euch in der Stadt nimmt immer mehr zu, da steigt eben der Preis.

Heinrich:       Das kommt von der verteufelten Einquartierung; die kaiserlichen Kriegsknechte schikanieren uns bis aufs Blut, fressen das ganze Land leer, und die Reichsstadt muß die Zeche zahlen. Und wer hat die Kaiserlichen in die Stadt geholt? Euer Fürstabt!

Schweglerin:       Sprecht mir nicht von der Obrigkeit. 250. Wenn ihr’s für Wucher haltet, schaut doch, ob ihr’s woanders billiger bekommt. Für einen ausgewachsenen Mastochsen wird jetzt überall 250 verlangt.

Heinrich:       200. Morgen bar auf die Hand. In gutem Geld.

Schweglerin:       240.

Heinrich:       220.

Schweglerin:       230. Mein letztes Wort.

Heinrich:       Gut 230 Gulden.

Schweglerin:       Handschlag!       (der Handel wird mit Handschlag bekräftigt)

Heinrich:       Ich bring euch morgen das Geld und hol den Ochsen. Das vorhin war eure Tochter?

Schweglerin:       Jaja, die Anne wird mal eine rechtschaffene Bäuerin und einen anständigen Hof bringt sie auch mit; die Bauernburschen freien schon recht eifrig.

Heinrich:       Bis morgen Frau Bäuerin.              (beide ab)

 

3

 

Im Rathaus der Reichsstadt Kempten; Bürgermeister Zacharias Jenisch - eine respektable streng in spanische Mode gekleidete Erscheinung; um die vierzig - bespricht sich mit dem Stadtammann und Geheimrat Martin Geiger - ein rüstiger Greis um die siebzig - und dem Stadthauptmann und Rat Caspar Löffler.

 

Jenisch:       Was sollen wir bloß machen? Der Kämmerer hat mir heute seine Abrechnung vorgelegt. Die kaiserliche Einquartierung allein hat uns bisher an die 166.212 Gulden gekostet, nicht mitgerechnet die 50.000 Gulden, die der Kaiser als Strafe über uns verhängt hat und von denen wir noch 18.000 Gulden schuldig sind. Wenn die Kaiserlichen die Einquartierung fortsetzen, werden wir in Bälde gänzlich ruiniert und verschuldet sein. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, woher das Geld nehmen; unser eigenes lassen sie als Falschgeld gelten.

Geiger:       Und wenn wir dem kaiserlichen Edikt nachgeben und die Sankt Mang Kirche den Katholischen zurückgeben?

Jenisch:       Herr Martin Geiger, was schlagt ihr mir vor? Unsere Kirche sollen wir der papistischen römischen Hur überlassen? Nie und nimmer! Solange ich Zacharias Jenisch Bürgermeister unserer Stadt bin, wird’s keine Messe in unserer Kirche geben.

Geiger:       Aber Herr Jenisch, die Kaiserlichen werden uns mit Einquartierung und Kontribution solang kujonieren, bis wir nachgeben, oder die Stadt in Grund und Boden verdorben ist.

Löffler:       Gilt euch euer Glaube so wenig? Wir, die stolze Reichsstadt Kempten, allein und die Memminger verteidigen in diesem von den Papistischen verseuchten Land das Banner des wahren Glaubens und der Freiheit. Und die Prüfung währt nicht mehr lange. Des großen Schwedenkönigs Armada steht schon im Sächsischen; die evangelische Sache gewinnt im Reich die Oberhand. Und jetzt wo aller Drangsal Ende in greifbare Nähe rückt, sollen wir kleinbeigeben?

Jenisch:       Herr Löffler, wir wissen doch gar nicht, ob der Schwedenkönig seinen Heerbann überhaupt ins Allgäu führen wird.

Löffler:       Der Schwed ist ein Ehrenmann, ein Kavalier; der König hat bereits zugesagt, daß er uns von den Kaiserlichen befreien will.

Geiger:       Das Kriegsglück ist von launischer Art. Bald hat dieser, tags drauf jener die Oberhand; heute noch ficht der Schwedenkönig mit fortune, doch morgen schon können die Kaiserlichen die Oberhand gewinnen.

Jenisch:       Da hat der Geiger recht.

Geiger:       Wenn wir uns erst mit dem Schweden einlassen, gehen wir der kaiserlichen Gnad auf immer verlustig.

Jenisch:       Von des Kaisers Gnad können wir uns recht wenig kaufen!

Löffler:       Warum schicken wir nicht einen geheimen Gesandten zum Schwedenkönig, der nochmals eindringlich unsre Bedrängnis schildert? Für diesen Dienst stell ich mich gern zur Verfügung. Gleichzeitig könnt ihr, Herr Jenisch, ja mit den Kaiserlichen unterhandeln und sie vielleicht hinhalten.

Jenisch:       Ich will’s versuchen.              (alle ab)

 

4

 

Stall auf dem Schweglerhof. Anne bei der Stallarbeit. Heinrich kommt hinzu.

 

Anne:       So, du schon wieder.

Heinrich:       Gestern hab ich bei euch den Ochsen abgeholt.

Anne:       Ich weiß.

Heinrich:       Du warst nicht da.

Anne:       Und drum kommst du nochmals?

Heinrich:       Ja.

Anne:       Hätt ich da sein sollen?

Heinrich:       Das hätt mir schon gefallen.

Anne:       Bist du einer von den Gesellen, die mit armen Bauerstöchtern lustig tun?

Heinrich:       Mit dir will ich schon lustig tun. Es gilt bei euch auf dem Land doch der Brauch, daß an einem bestimmten Festtag die jungen Bauernburschen mit ihrer Liebsten nach Kaufbeuren in die Wirtshäuser gehen und sich dort wie Ehevölker aufführen.

Anne:       Du meinst an Jakobi.

Heinrich:       Kann schon sein. Mit euren katholischen Heiligen kenn ich mich nicht so aus. Magst du mit mir an Jakobi nach Kaufbeuren gehen?

Anne:       Mit dir? Wenn ein Bursche mit seiner Liebsten an Jakobi nach Kaufbeuren geht, dann nur, wenn sie einander versprochen sind. Und außerdem hat’s die Obrigkeit verboten; es sei unzüchtig.

Heinrich:       Jaja, ich weiß schon, bestimmt hast du schon einen anderen; deine Mutter hat schon gesagt, daß bei euch die jungen Bauernburschen haufenweis um den Hof schleichen.

Anne:       ‘s war bis jetzt noch keiner dabei, der mir gefallen hätt. Meine Eltern haben mir deshalb schon viel Grobheiten an den Kopf geworfen. Aber ein Evangelischer kommt ihnen schon gar nicht auf den Hof.

Heinrich:       Du bist eine recht wählerische.

Anne:       Ich bin die Tochter vom Schweglerbauern, da darf ich schon wählerisch sein.

Heinrich:       Weißt du was?

Anne:       Nein.

Heinrich:       Man müßt dich malen.

Anne:       Mich malen? Was fällt dir ein?

Heinrich:       Ja. Ein Bild müßte man von dir malen.

Anne:       Was hast du für Grillen im Kopf? Vielleicht nackt als büßende Maria Magdalena?

Heinrich:       Das wär doch bestimmt ein schönes Bild.

Anne:       Ich glaub gern, daß dir das gefallen tät.

Heinrich:       Ja. Grad wenn du noch so trotzig schaust.

Anne:       Wer schaut trotzig?

Heinrich:       Du.

Anne:       Komm nur her du Bärenhäuter!

Heinrich:       Bekomm ich dann einen Kuß?

Anne:       Eine Ohrfeige kriegst du!

                        (sie geht auf ihn los - er hält sie fest - sie wehrt sich)

Heinrich:       Einen Kuß und ich laß dich wieder los.

Anne:       Nein. Eine Ohrfeige!

Heinrich:       Dann geh ich wieder. Ich schwör ’s dir.

Anne:       Eine Ohrfeige kannst du haben!

Heinrich:       Nur einen keuschen Kuß, dann geh ich! (hört auf sich zu wehren und lacht)

Anne:       So? Dann gehst du wieder?

Heinrich:       Versprochen. Ein Kuß. Das ist doch nichts unrechtes.

Anne:       Da. (hält ihre Wange hin) Aber nur auf die Wange.

Heinrich:       Nein. Richtig, auf den Mund.

Anne:       Auf den Mund? Unverschämter Pfeffersack! (will sich wieder losmachen)

Heinrich:       Aber sonst ist’s ja kein richtiger Kuß.

Anne:       Du kannst dir deinen Kuß bei den Kühen holen.

Heinrich:       Auf die Wange wär’s doch bloß ein Judaskuß. Du hast es mir versprochen.

Anne:       Geh! Nichts hab ich dir versprochen!

Heinrich:       Wenn du bloß die Wange hinhältst, dann ist es ja so, daß ich dir einen Kuß gebe, aber keinen von dir bekomme.

Anne:       Dann kriegst du eben von mir einen Kuß auf die Wange.

Heinrich:       Auf den Mund!

Anne:       Aber dann gehst du wieder?

Heinrich:       Versprochen.

                        (sie kichert und hält ihm absichtlich ungeschickt die Lippen hin)

Heinrich:       Schelmin!

                        (sie küssen sich)

Heinrich:       Soll ich jetzt wieder gehen?

Anne:       Ja. Was meinst du, wenn meine Mutter uns so sieht?

Heinrich:       Gut.

Anne:       Kommst du wieder?

Heinrich:       Wenn ich darf?

Anne:       Morgen muß ich die Kühe hüten. Oben auf der Weide. Allein. Und jetzt schnell weg mit dir. Meine Mutter kommt.

 

5

 

Heinrich ab; die Schweglerin kommt hinzu.

 

Schweglerin:       Mit wem sprichst du?

Anne:       Mit niemand.

Schweglerin:       Ich könnt schwören, ich hätt vorhin den Metzgersburschen aus der Stadt gesehen.

Anne:       Hier war niemand.

Schweglerin:       Du lügst doch! Isabell! Isabell!       (Isabell kommt hinzu)

Anne:       Ich sag die Wahrheit.

Isabell:       Ja. Was ist denn?

Schweglerin:       Ich hab’s dir schon mehr als einmal gesagt, mit so einem brauchst du gar nicht rumtun!

Isabell:       Mutter, was ist?

Anne:       Ich tu doch mit niemand rum.

Schweglerin:       Isabell, du hast doch auch den Städter von neulich gesehen.

Isabell:       Ja.

Schweglerin:       Da hast du’s, Lügnerin! Deine Schwester hat ihn auch gesehen.

Anna:       Du kleine Giftkröte! Warte nur bis wir allein sind!

Isabell:       Ich meine, ich hab ihn schon gesehen, neulich, wo er den Ochsen geholt hat.

Schweglerin:       Ob du ihn jetzt gerade gesehen hast?

Isabell:       Jetzt? Jetzt gerade? Aber ich seh doch nur euch Frau Mutter und die Anne.

Schweglerin:       Dummes Mensch! Vorhin eben.

Isabell:       Nein, ich hab niemand gesehen.

Schweglerin:       Ach! Ihr lügt doch beide!

Isabell:       Wenn man mir nicht glaubt, geh ich eben wieder.       (Isabell ab)

Schweglerin:       Ich weiß schon, ein ehrlicher Bauernbursch ist dir nicht gut g’nug, aber mit so einem nichtsnutzigen Metzgersburschen aus der Stadt tät man sich abgeben.

Anne:       Der ist ein anständiger Kerl.

Schweglerin:       Dir werd ich schon noch beibringen, was Anstand ist! Ein lutherischer Ketzer ist der! Die Obrigkeit sieht nicht gern, wenn man mit denen schön tut. Die Pfeffersäck bringen bloß Schande über arme Bauerstöchter. Du bist die stolze Jungfer vom Schweglerbauern, also führ dich demnach auf!

Anne:       Das tu ich doch.

Schweglerin:       Von der Stadt kommt nichts gutes.       (beide ab)

 

6

 

Haus des Bürgermeisters in der Reichsstadt. Die dort einquartierten kaiserlichen Offiziere - Oberst Pallandt, seine Frau, Fähnrich Corpes und weitere Offiziere - halten zur Verabschiedung des kaiserlichen Gesandten des Jesuiten Noelius festliche Tafel und - wie übrigens jeden Tag - festlichen Umtrunk. Frau und Tochter des Bürgermeisters, Hildegard und Leonore Jenisch, müssen bei der Tafel aufwarten. Es ist bereits zu fortgeschrittener Stunde, die Offiziere sind folglich schon dementsprechend betrunken. Leonore muß Pagendienst verrichten, steht aber meist bei ihrer Mutter hinter der Tafel.

 

Noelius:                Geehrte Frau Oberst, leider werde ich seiner kaiserlichen Majestät mitteilen müssen, daß sich die von eurem Gatten besetzt Stadt weiterhin rebellisch und störrisch gibt und sich weiter weigert, dem kaiserlichen Edikt Folge zu leisten.

Frau Pallandt:      Seid getrost Herr...Herr Noelius, mein Gemahl wird die Reichsstädter schon weich bekommen.

Pallandt:              Die werden wir ganz recht bis auf Blut tribulieren! Bis wir mit den Bärenhäutern und Schleppsäcken fertig sind, weiß von denen keiner mehr, ob er evangelisch oder katholisch ist.

Noelius:                Herr Oberst, versündigt euch nicht.

Pallandt:              Kameraden! Auf seine kaiserliche Majestät und des Kaisers Feldmarschall Graf Tilly! Corpes! Brav ausgesoffen!

                            (sie stehen auf - erheben ihr Glas und trinken)

Pallandt:              Dirn! Potzfickament! Nachgefüllt!

Corpes:                Aber plötzlich!        (Leonore füllt ängstlich die Gläser wieder auf)

Noelius:                Seht nur zu, Herr Oberst, daß ihr mir die malifikanten Ketzer nur ordentlich schikaniert, solang, bis sie mürbe sind, das kaiserliche Edikt annehmen und zum wahren Glauben zurückkehren.

Frau Pallandt:      Herr Noelius, bestellt seiner kaiserlichen Majestät, daß sich seine kaiserliche Majestät ganz auf meinen Gatten verlassen kann.

Pallandt:              Durchaus! Auf die schönen Weiber!

Corpes:                Auf die Buhlerinnen! Brav ausgesoffen!

                            (sie stehen wieder auf und trinken ihre Gläser leer - Leonore füllt nach)

Corpes:                Die junge Dirn würd schon auch eine rechte Aphroditen oder Dianen abgeben.

Pallandt:              Wahrhaftig Corpes!

Frau Pallandt:      Laßt die Jungfer in Frieden! Ich will für ihre Ehr einstehen.

Pallandt:              Da siehst du Corpes? Weit besser ist’s, ohne sein Eheweib in den Krieg zu ziehen, ‘s reicht schon, wenn sie uns daheim kujonieren!

 

7

 

Der Bürgermeister Zacharias Jenisch kommt hinzu und umarmt Frau und Tochter.

 

Pallandt:              Herr Bürgermeister! Komm er nur her! Seine Gastfreundschaft läßt ganz erheblich zu wünschen übrig.

Frau Pallandt:      Warum leistet der Herr Bürgermeister uns nicht Gesellschaft?

Pallandt:              Ein Erzkujon ist er! Da hat er uns zum Possen Weib und Töchterlein in ein anderes Haus bringen lassen und uns vorgestellt, beide seien bei Verwandtschaft auf Besuch. Seine besten Schätze wollt er uns vorenthalten. Die Jungfer hat uns zukünftig allabendlich zur Zierde unserer Tafel aufzuwarten, wie sich’s geziemt. Oder meint er gar, daß unsere Gesellschaft unschicklich für die flinke Dirn sei? Hält er uns gar für ausschweifende Löffeler und fürchtet um Ehr und Unschuld seiner Frauenzimmer?       (sieht im streng ins Gesicht)

Jenisch:                Verzeiht Herr Oberst, der Rat bat mich, mich mit euch untertänigst ins Benehmen zu setzen. Vielleicht findet der Herr Oberst morgen Gelegenheit, mir Gehör zu schenken.

Pallandt:              Bleib er nur! Setz er sich! Er wird doch wohl ein Glas auf unser Wohl trinken wollen.

Frau Pallandt:      Jungfer, bring sie ein volles Glas für ihren Herrn Vater!

Pallandt:              Aber nicht zu klein und gut eingeschenkt!

                            (Jenisch setzt sich und bekommt einen vollen Humpen)

Pallandt:              Dann kann er auch gleich jetzt sein Anliegen vorbringen. Aber zuerst trinken wir...auf...auf seine allerkatholischste kaiserliche Majestät und auf die Mutter Gottes!                     (sie erheben sich - Jenisch zögert)

Pallandt:              Was zögert er? Jetzt wird brav einer gesoffen! Auf die Heilige Jungfrau!

Jenisch:                Auf den Kaiser!

                            (die Offiziere trinken aus - Jenisch setzt nach einem Schluck sein Glas ab)

Pallandt:              Komm er nur! Nicht abgestellt! Hier wird brav ausgesoffen!

                            (die Offiziere sehen Jenisch erwartungsvoll und drohend an - Jenisch zögert, trinkt dann aber aus)

Pallandt:              Brav! Das Bürgermeisterlein! Nun, was liegt ihm auf dem Herzen.

Jenisch:                Halten zu Gnaden, aber es mag sein, daß dies nicht der passende Zeitpunkt ist.

Pallandt:              Mir paßt es aber gerade.

Jenisch:                Halten zu Gnaden, der Rat bat mich, euch untertänigst mitzuteilen, daß unsere Mittel erschöpft sind. Es ist kein Geld mehr da. Wir haben bereits unser Silber und alle Wertgegenstände versetzt. Wir können euch und eure Kompanie nicht mehr länger besolden und verpflegen.

Pallandt:              Potzfickament! Kein Geld habt ihr mehr?

Corpes:                Das sind mir lustige Gesellen!

Jenisch:                Keinen Heller.

Pallandt:              Ein Erzschelm ist er! Die Kemptener sind allesamt miteinander Rebellen, Schelme, Ketzer du Diebe. Aber gut. Wenn ihr nicht mehr zahlen wollt, laß ich morgen zum Plündern aufblasen. Corpes, die Kompanie soll morgen auf dem Marktplatz in Schlachtordnung antreten!

Jenisch:                Herr Oberst, es gibt bei uns nichts mehr zu holen.

Corpes:                Das wird sich ja morgen zeigen.

Noelius:                Herr Bürgermeister, es liegt an euch, der Not ein Ende zu machen. Bekehrt euch zu braven Untertanen und nehmt das kaiserliche Edikt an. Übergebt die Sankt Mang Kirche dem katholischen Gottesdienst, und ich will beim Kaiser für euch einstehen.                       (Jenisch schweigt)

Pallandt:              Euch werden wir schon weichkochen. Es gibt bei euch noch genügend reiche Pfeffersäck, die das ihrige auf der Seite haben. Hol er’s von denen.

Corpes:                Vom Schmelzer hat man uns zugetragen, daß ‘r noch an die dreitausend Taler wohl verwahrt in seinem Haus hat.

Pallandt:              Also, überleg er sich’s wohl, wenn nicht mehr gezahlt wird, wird geplündert. Und jetzt wird noch wacker einer gesoffen! Dirn, ein volles Glas für den Jenisch! Aber ein großes! Sonst setzt Tribunaden!

                            (Leonore überreicht ihrem Vater einen Maßkrug Wein)

Pallandt:              Auf die heilige katholische Kirche! Auf geht’s Bürgermeister! Sauf er nur brav aus.                    (Jenisch setzt an - trinkt und setzt wieder ab)

Pallandt:              Wo denkt er hin! Brav ausgesoffen wird!

                            (Jenisch trinkt aus und fällt zu Boden; Leonore und Hildegard eilen zu ihm)

Leonore:              Vater!

Hildegard:            Zacharias! Was ist mit dir?

Corpes:                Was soll sein? Die Schleppsäck von Bürger vertragen eben nichts!

Hildegard:            Komm Leonore. Hilf mir! Wir bringen ihn ins Schlafgemach.

Pallandt:              Nichts da! Schmeißt den Erzkujon auf den Misthaufen!

Hildegard:            Herr Oberst! Ich flehe euch an!

Frau Pallandt:      Herr Gemahl, seid doch nicht so streng. Frau Bürgermeister, bringt euren Mann ins Schlafgemach!     (Hildegard und Leonore bringen Jenisch fort)

Pallandt:              Da hat man’s wieder! Ein Eheweib hat im Krieg nichts zu suchen! Ich will den geizigen Pfeffersack nicht länger leiden. Kein Geld mehr! Dieses ewige Gejammer!

 

8

 

Am morgen danach; das Gemach in dem die Offiziere gefeiert haben sieht ziemlich verwüstet aus. Pallandt - auf dem Tisch - und der Corpes - auf dem Boden liegend - schlafen ihren Rausch aus. Ein Kurier kommt hinzu.

 

Kurier:                   Ihr Herren! Wacht auf! Wer von euch ist Oberst Pallandt?

Pallandt:              Was?

Corpes:                Was macht ihr für ein gottserbärmliches Geschrei?

Kurier:                   Ich bringe wichtige Order für den Herrn Oberst Pallandt.

Pallandt:              Potzteufelfickament! Was bringt er?

Kurier:                   Es hat eine groß Battalie gegeben, bei Breitenfeld im Sächsischen. Der Schwedenkönig hat eine große Victorie errungen. Der Tilly und des Kaisers Armada sind geschlagen; nur wenige sind mit dem Leben davongekommen.

Corpes:                Dann steht’s um des Kaisers Sache schlecht im Reich.

Pallandt:              Und der Tilly?

Kurier:                   Sendet euch seinen Befehl.            (überreicht ein Schriftstück)

Pallandt:              Wir sollen uns im kaiserlichen Lager zu Landsberg einfinden, wo der Tilly alles kaiserliche Volk sammeln will. Jetzt heißt’s Pulver gerochen!

Kurier:                   Des Kaisers Partei braucht jetzt jede Pike!

Pallandt:              Teufel! Aus ist’s mit dem schönen Leben! Corpes, laß er aufblasen!

Corpes:                Zur Plünderung?

Pallandt:              Kujon! Zum Abmarsch! Die Frau Oberst soll sich auch schleunigst richten!

                            (Corpes ab)

Kurier:                   Der Schwed steht schon bei Würzburg; ‘s wird damit gerechnet, daß er seinen Marsch gegen Süden richten wird. Es wird auch damit gerechnet, daß die rebellischen Reichsstädte alsbald ins schwedische Lager überwechseln.

Pallandt:              Schwefelundpech! Leih er mir seinen Arm; ich bin heut noch nicht gut zu Fuß.              (Pallandt und Kurier ab)

 

9

 

Reichsstift Kempten. Residenz des Fürstabtes Johann Willibald Schenk von Kastel. Der Fürstabt kniet - ins Gebet vertieft. Der stiftskemptische Kanzler Herr von Grafenbegg kommt hinzu, wartet aber bis der Fürstabt sein Gebet zuende gesprochen hat.

 

Fürstabt:               Salve Regina, mater misericordiae,

vita, dulcedo et spes nostra, salve.

Ad te clamamus, exsules filii Evae.

Ad te suspiramus, gementes et flentes

in hac lacrimarum valle.

Eia ergo, advocata nostra, illos tuos

misericordes o culos ad nos converte.

Et Jesum, benedictum fructum ventris tui,

nobis post hoc exsilium ostende.

O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria.

                            (Grafenegg tritt vor)

Fürstabt:               Habt ihr dem Bürgermeister Jenisch unseren Vorschlag, den alten Streit zwischen Stift und Stadt zu begraben und im Angesicht der Gefahr gemeinsam dem Schweden Widerstand zu leisten, unterbreitet?

Grafenegg:          Ja, euer fürstliche Gnaden.

Fürstabt:               Nun, welchen Bescheid habt ihr bekommen?

Grafenegg:          Euer fürstliche Gnaden, es war aussichtslos. Der Jenisch läßt euch ausrichten, es sei zu spät für eine Verständigung. Er sagte wortwörtlich, die Sache sei nun dahin gekommen, daß einer den anderen auffressen müsse.

Fürstabt:               Damit haben wir gerechnet. Von der ketzerischen Reichsstadt haben wir nichts gutes zu erwarten. Grafenegg.

Grafenegg:          Euer fürstliche Gnaden?

Fürstabt:               Sind unsere Schätze alle ins sichere Tirol gebracht worden?

Grafenegg:          Gestern wurden die letzten Truhen und Kisten verladen und nach Reutte gebracht.

Fürstabt:               Bis auf das Schiff, das mit unseren Schätzen im Bodensee untergegangen ist, befinden sich dann alle Schätze in Sicherheit.

Grafenegg:          Das Schiff hatte nur die klösterliche Bibliothek geladen.

Fürstabt:               Der Verlust ist zu verschmerzen.

Grafenegg:          Das Stift birgt nichts mehr, womit der Schwede eurer fürstliche Gnaden schaden oder sich einen Vorteil verschaffen könnte. Das Archiv, die Listen der Steuern und Abgaben, das Verzeichnis der Abhängigkeits und Lehnsverhältnisse, der klösterliche Schatz, euer fürstliche Gnaden Kleiderkammer, das Tafelsilber, alle Wertgegenstände, alles ist sicher verwahrt. Lediglich die Gegenstände und Gewänder, die zur Ausübung des Gottesdienstes notwendig sind, wurden im Kloster und in den Kirchen belassen.

Fürstabt:               Grafenegg, wir werden uns heute selbst mit dem Konvent ins sichere Romanshorn begeben. Für die Dauer meiner Abwesenheit ernennen wir euch zu unserem getreuen Statthalter.

Grafenegg:          Erhalte ich auch Vollmacht, mit dem Schweden zu unterhandeln?

Fürstabt:               Mit dem Schweden?

Grafenegg:          Der Schwede wird uns zur Übergabe auffordern. Wenn wir akkordieren, uns dem Schweden unterwerfen und Kontribution zahlen, wird das Stift am glimpflichsten davon kommen.

Fürstabt:               Nichts da! Das ist Hochverrat! Niemals werden wir dem Schweden akkordieren!

Grafenegg:          Und eure Untertanen?

Fürstabt:               Sollen wie brave katholische Untertanen zum Ruhme der Heiligen Jungfrau gegen die Schweden kämpfen oder krepieren!

(Fürstabt ab)

Grafenegg:          Sehr wohl, eure fürstliche Gnaden.           (Grafenegg ab)

 

10

 

Kuhweide beim Schweglerhof; Anne und Heinrich im Gras sitzend.

 

Anne:       Heinrich, ich hab Angst.

Heinrich:       Wenn ich bei dir bin, brauchst du vor nichts Angst zu haben.

Anne:       Eben. Du bist ja nicht immer bei mir. Und was ist, wenn der Schwed kommt?

Heinrich:       Wenn der Schwed erst kommt, geht’s doch auch euch Bauersleut gut. Unter des ruhmreichen Schwedenkönigs Herrschaft brauchen doch dann auch deine Leut so gut wie keine Steuer mehr zahlen; dann seid doch auch ihr Bauersleut endlich frei und ledig.

Anne:       Aber man hört vom Schweden so viel Schlimmes; alles nehmen sie vom Hof, das Vieh und ‘s Getreide; auch das Saatgut stehlen sie und viel brave Jungfern und Bauerstöchter haben sie in schreckliche Not und Schande bracht, daß sie kein rechtschaffener Bauer mehr zum Weibe wollt.

Heinrich:       Ich paß schon auf, daß dir kein Schwed zu nahe kommt. Und denk doch Anne, wenn ihr Bauersleut doch erst ledig seid, dann kannst du mit mir in die Stadt gehen; als meine rechtmäßige Braut kann ich dich dann heimführen.

Anne:       Nie und nimmer kann ich deine rechtmäßige Braut sein. Du bist ein Evangelischer und ich eine Katholische.

Heinrich:       Mir ist ‘s einerlei, ob einer die Messe hört und zu seinem Heiligen betet oder sich’s Evangelium predigen läßt. Und meine Leut denken genauso. Wenn’s sein muß werd ich halt papistisch. Du bist mir eine Messe wert.

Anne:       Ich weiß schon, du bist einer, wo keinen rechten Glauben nicht hat. So seid ihr Reichsstädter, immer tut ihr nur alles zu eurem Vorteil.

Heinrich:       Das würd ich doch nur für dich tun, damit ich dich zu meiner Frau nehmen kann. Mein Glaube ist meine Liebe zu dir.

Anne:       Und was willst du dann anfangen? Jagen sie dich in der Stadt nicht davon, wenn du katholisch wirst? Und meinst du, du wirst bei den Bauern dein Auskommen finden? Meinst du, die nehmen einen Städter in Taglohn?

Heinrich:       Warum brütest du so viel? Sei doch nicht so trübselig. ‘s ist Mai. Wir haben Frühling. Das ist doch keine Zeit zum Grübeln.

Anne:       Für was denn?

Heinrich:       Aber Anne, der Frühling ist doch die Zeit der Liebe.

Anne:       Dann kannst du mir ja nachts vor meinem Kammerfenster ein Ständchen bringen.

Heinrich:       Was?

Anne:       Das macht ihr Städter doch so für eure Angebeten, nicht wahr?

Heinrich:       Das machen bloß reiche Müßiggänger und adelige Schaumschläger; wenn unsereiner so was macht, bezieht er bloß Prügel von den Brauteltern. Außerdem kann ich nicht singen.

Anne:       Dann lern ’s halt. Du fauler Bärenhäuter! Streng dich an!

                        (verpaßt ihm einen kräftigen Schubs)

Heinrich:       Nah warte!

                        (sie steht auf - er versucht sie zu fangen)

Anne:       Ein fauler Bärenhäuter bist du!

Heinrich:       Wenn ich dich zu fassen kriege!

Anne:       Du kriegst mich ja nicht! Bärenhäuter!

Heinrich:       Und ob ich dich kriege!

                        (beide ab)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zweiter Akt

 

1

 

Sitzungssaal des Rathauses zu Kempten - strahlende Gesichter. Bürgermeister Zacharias Jenisch und die Stadträte samt ihren Gattinnen erwarten die schwedischen Offiziere zum festlichen Empfang.

 

Jenisch:       Von heute an sind wir endlich Bundesgenossen des schwedischen Königs; jetzt hat alle Not ein Ende.

Löffler:       Jetzt zeigen wir dem Kaiser und der papistischen Hur wer wir sind! Ein Hoch dem glorreichen Schwedenkönig und seiner siegreichen Armada, und nieder mit dem Reich! Aus ist’s mit dem fürstäbtlichen Tyrannen!

Geiger:       Langsam meine Herren, noch ist der Schwede nicht Herr im Reich und wer weiß ob’s uns unter der Schweden Herrschaft besser ergehen wird.

Jenisch:       Und ob, Herr Geiger. Und ob! Lange genug haben wir unter der kaiserlichen Knechtschaft ausgehalten; lange genug haben wir um der evangelischen Sache willen gelitten. Wir waren allzeit standhaft; jetzt kommt die Zeit, da wir unseren gerechten Lohn empfangen werden.

Löffler:       Und wir das unsere von den Papisten zurückholen werden. Wir werden’s den Katholischen schon recht wiedervergelten.

Geiger:       Denkt an die christliche Barmherzigkeit.

Jenisch:       Das Grobe besorgt schon der Schwede für uns, da können wir uns schon in christlicher Barmherzigkeit üben. Vorausgesetzt, man gibt uns zurück, was man uns die Jahre über abgezwackt hat.

Löffler:       Das Stift muß weg! Diese Hochburg des Katholizismus direkt vor unseren Mauern ist eine Beleidigung für jeden freien evangelischen Bürger.

Schmelzer:       Ein Stachel im Fleisch unserer Stadt.

Löffler:       Seht nur zu, daß der Schwede gleich das ganze Gebiet des Fürstabtes unserer Herrschaft übergibt

                        (Hildegard Jenisch und Leonore kommen hinzu - man hört Jubel)

Jenisch:       Hildegard, was gibt’s? Sind sie da?

Jenische:       Die schwedischen Offizier sind vor dem Rathaus angelangt, gleich werden sie hier sein.

Jenisch:       Ein Hoch auf den glorreichen Schwedenkönig! Vivat!

Alle:       Vivat! Vivat!

Löffler:       Ein Hoch den schwedischen Kavalieren!

Alle:       Hoch! Vivat!

 

2

 

Der schwedische Befehlshaber Sir Patrick Ruthven - ein Engländer in schwedischen Diensten, der wie alle schwedischen Offiziere fließend deutsch spricht - und Hauptmann Christoph Kapfer kommen hinzu, beide nach französischer Mode gekleidet.

 

Jenisch:       Ein Hoch den schwedischen Kavalieren! Herr Patrick Ruthven, wie froh sind wir, euch in unserer Stadt zu sehen.

Löffler:       Ungeduldig haben wir eure Ankunft herbeigesehnt.

Ruthven:       Seitdem wir die Donau überschritten haben, sind wir in keiner Stadt mehr so freudig empfangen worden. Nicht einmal in Memmingen war der Empfang so herzlich.

Jenisch:       Die Memminger haben unter der kaiserlichen Einquartierung auch nicht so gelitten wie wir.

Ruthven:       Damit hat’s jetzt ein Ende! Von jetzt ab steht die Stadt unter dem Schutz und Schirm seiner königlichen Majestät Gustav Adolf.

Jenisch:       Herr Ruthven, wie wollt ihr mit dem Stift verfahren?

Ruthven:       Das werden wir nach Kriegsrecht gebührend plündern und dort unser Quartier aufschlagen. Die widerspenstigen stiftischen Bauern haben wir gestern noch ganz manierlich zu Paaren getrieben. ‘s ging nicht ganz ohne Blessuren ab, aber ‘s nächste Mal werden die Bäuerlein parieren. Herr Bürgermeister, der König legt großen Wert darauf, daß die öffentliche Moral und Ordnung auch in Kriegszeiten erhalten bleibt; wenn möglich sollten sich die Bürger eurer Stadt nicht an der Plünderung des Stiftes beteiligen, zumal der König sich dahingehend geäußert hat, eurer Stadt das Stift zu übereignen.

Löffler:       Das Stift gehört vom Erdboden getilgt!

Ruthven:       Wenn ‘s euch erst gehört vermögt ihr damit zu verfahren, wie’s euch beliebt. Ihr würdet aber nur euren eigen Besitz verderben; klüger wär’s, das Kloster in die Mauern eurer Stadt einzubeziehen.

                        Was die Verpflegung und Einquartierung meiner Leute anbelangt, so seid ihr natürlich frei von allen Lasten und Abgaben; das katholische Stift hat für alles aufzukommen. Auch hat der König aufgetragen, daß der Fürstabt und seine Untertanen euch alles, was ihr durch kaiserliche Kontribution und Einquartierung verloren habt, erstatten müssen. Zuvörderst müssen die stiftischen Untertanen erst einmal entwaffnet werden.

Löffler:       Ein Hoch auf den König und seine tapferen Krieger!

Jenisch:       Herr Ruthven, laßt euch zur festlichen Tafel geleiten, die wir euch zur Reputation und zur Verehrung hergerichtet haben.

Löffler:       Ein Hoch den schwedischen Kavalieren!

Jenisch:       Und ein Hoch auf des glorreichen Schwedenkönigs zukünftiges Regiment! Vivat!              (alle ab)

 

3

 

Auf dem Sankt Mang Platz in der Reichsstadt. Zwei Bürgerinnen, die Gattinnen arbeitsloser Weber - Weberin und Müllerin - im Gespräch.

 

Weberin:       Hast du die Schweden gesehen?

Müllerin:       Bei denen wußt man nicht so recht, ob einer Manns oder Weibs war: lange Haar und Zöpf und die Bärt so elendiglich zugericht, daß zwischen Maul und Nasen und am Kinn bloß noch ein paar Stoppeln hängen und dazu noch so weite Hosen, daß nicht zwischen Weiberröcken und Mannshosen zu unterscheiden war.

Weberin:       Das sei jetzt nach französischer Mode, sagt man.

Müllerin:       Ein ehrliches Mannsbild wird sich doch niemals seinen Bart so jämmerlich versauen lassen. Sogar die Ziegenböck gehen aus lauter Schamhaftigkeit keinen Tritt mehr unter fremde Herden, wenn man ihnen die Bärt stutzt.

                        (ein Ratsdiener hängt an einer Wand die Proklamation des Stadtrates auf)

Müllerin:       Was hängt der da auf?

Weberin:       ‘s ist bestimmt eine Verlautbarung vom Stadtrat.

Müllerin:       Kannst du lesen?

Weberin:       Ein bischen....(beginnt zu lesen)

Müllerin:       Wenn’s was wichtiges ist lassen sie’s noch ausrufen. Adam! Adam!

                        (ihr Mann kommt hinzu)

Müllerin:       Adam, kannst du das lesen?

Müller:       Was schreist du so?

Müllerin:       Ob du das lesen kannst?

Müller:       Was?

Müllerin:       Na das da! (zeigt auf den Aushang)

Müller:       Das da? Du weißt doch, ich seh nicht recht. Meyer! He Meyer!

                        (der Meyer kommt hinzu - sein Lehrling Hans hinter ihm)

Müller:       He Meyer, dein Lehrbub kann doch lesen.

Meyer:       Du? Kannst du das lesen?

                        (Hans stellt sich vor den Anschlag und versucht zu lesen)

Müllerin:       Der Kerl kann doch gar nicht lesen!

Meyer:       Sakramet! Zu nichts taugt der! Keine Arbeit haben wir und der frißt uns die Haar vom Kopf!

Weberin:       Ich weiß, was da steht.

Müllerin:       Na sag schon!

Weberin:       Der Stadtrat verkündet, wir dürfen uns nicht an der Plünderung des Stifts beteiligen.

Müller:       Was? ‘s wird schon geplündert?

Meyer:       Uns sagt man wieder nichts!

Müllerin:       Wir dürfen uns nicht an der Plünderung beteiligen, damit die fetten Herren allein die Beut machen können!

Müller:       Die hinterfotzige verfressene Bande im Stadtrat will ihr Spiel wieder einmal ohne die Zünfte treiben.

Meyer:       Das lassen wir uns nicht gefallen! Wer hat denn die Hauptlast der Einquartierung tragen müssen? Keiner von uns hat mehr Arbeit und jetzt sollen wir um unseren verdienten Lohn kommen! Hans! Trommel alle Mitglieder der Weberszunft zusammen! Mit klingendem Spiel ziehen wir zum Stift und schlagen alles kurz und klein!

Weberin:       Ja! Vor allem die stiftischen Webstühle laßt uns zu Brennholz machen!

Meyer:       Seht was ich mit der Verlautbarung des Stadtrats mache!

                        (reißt die Proklamation von der Wand und zerreißt sie in Stücke)

Meyer:       Nieder mit der papistischen Hur! Tod dem Fürstabt! Auf zum Stift!

Alle:       Nieder mit dem Stift! Nieder mit der papistischen Hur! Tod dem Fürstabt und seinen Knechten! Auf zum Stift!       (alle ab - mit klingendem Spiel)

 

4

 

Zwei Stadträte - Martin Geiger und Caspar Löffler - kommen hinzu.

 

Geiger:       Löffler, was war das für Geschrei?

Löffler:       Bürgersvolk, das sich zusammenrottet. Seht Herr Geiger, die Proklamation des Stadtrates in Fetzen.

Geiger:       Sie wissen nicht, was sie da tun.

Löffler:       Ich kann’s ihnen nicht verübeln. Ich hab’s dem Jenisch gesagt! Ich hab ihm gesagt, ‘s hat keinen Wert. Auch wenn’s dem Schweden zum Contentament ist. Volkeswut läßt sich nicht lange im Zaume halten, irgendwann macht sie sich Luft. Und Recht haben sie!

                        (Hans kommt hinzu)

Geiger:       He du! Bursche!

Hans:       Ja Herr?

Löffler:       Was ist hier los?

Hans:       Sie sind ins Stift gezogen! Den Fürstabt wollen sie erschlagen.       (Hans ab)

Geiger:       Sie können nicht viel ausrichten. Der Fürstabt ist längst geflohen und hat das seinige ins Tirol gebracht, die Beamten sind geflohen und Mauern werden sie ja keine einreißen wollen. Hoffen wir, daß sie keine Gewalttätigkeiten gegen das katholische Volk und die Geistlichkeit anfangen und sonst auch kein Sakrilegium begehen.

Löffler:       Und wenn schon? Wer hat uns in Pardon genommen?

                        (beide ab)

5

 

Nacht. Am Klostertor. Die Weber kehren lachend und feiernd mit Musik in die Stadt zurück. Sie sind mit katholischem Meßgewändern bekleidet und tragen die katholischen Kirchenfahnen mit sich. Der Müller trägt eine Monstranz vor sich her.

 

Weberin:       He Müller, was hast du da für einen goldenen Kelch?

Müllerin:       Gelt? Da wirst du neidisch.

Müller:       Der Messner wollt sich grad damit davon machen, dabei ist ‘r mir gradwegs in die Finger gelaufen.

Weberin:       Der Müller hat reiche Beuten gemacht!

Müller:       Das, hat der Messner gesagt, das sei ein Mondings eine Mons-stranz und alle papistischen Götzen und Heiligen täten sich an mir vergreifen, wenn ich das mitnehm, darauf hab ich ihn tüchtig gedrillt! Meint ihr, ich bin dumm?

Weberin:       Ja. Schau doch! Da hat’s noch einen Deckel drauf.

Müllerin:       Ist vielleicht noch was wertvolles drin?       (nimmt den Deckel ab)

Meyer:       Seht ihr? Darin verwahren die Papistischen ihre Götzen! Da! (nimmt eine Hostie heraus) Das ist der Katholiken falsch Meßopfer! Da, schau, was ich mit dem papistischen Götzen anstell!

Weberin:       Nicht! Wer weiß, ob’s nicht wirklich Unglück bringt.

Meyer:       Weberin! Bist du insgeheim etwa auch eine Papistische?

Weberin:       Nein!

Meyer:       Siehst du Weberin, soviele Blättchen in dem Kelch liegen, soviele Götzen haben die Papistischen. Da!        (zerbröselt die Hostie)

Müller:       So ein Götzlein gäb bestimmt eine artliche Hutzier ab. (Steckt sich eine Hostie an den Hut) Wie steht mir das? Das paßt doch gut zu meinem neuen Arbeitskittel.

Müllerin:       Du siehst aus wie ein Hofnarr!

Weberin:       Und dumm bist du Müller! So ein gutes Gewand nimmt man doch nicht zur Arbeit an, so was bringt ein Schlauer doch zum Trödler. Schau dir die Spitzen an und die Goldborten und die Stickereien.

Meyer:       Auf’s Feuer gehört der Tand!

Müllerin:       Aber Meyer, ‘s wär doch schad drum.

Meyer:       Das ist sündhafter Götzentand! Auf’s Feuer damit!

Müller:       He Meyer, du kannst ja deine Beuten verbrennen, meine werd ich rechtschaffen versilbern.

Müllerin:       Ja. Die Beuten steht uns zu!

Meyer:       Aber wenigstens die Fahnen mit den Götzenbildern drauf, laßt uns wenigstens die verbrennen!

Müller:       Die Fahnen steck ich mir daheim auf den Misthaufen, damit jeder sieht, daß ich mit dabei war, als wir’s Stift brav ausgeräumt haben!

Müllerin:       Und morgen gehen wir wieder ins Stift! Nichts soll mehr heil bleiben!

                        (sie zeihen weiter)

Weberin:       Um die Fahnen wär’s auch schad, da sind Goldfäden mit drin!

Meyer:       (ruft ihnen nach) Wir wollen’s auf den Marktplatz bringen, vor’s Rathaus und da dann alles anzünden! So wartet doch!              (Meyer ab)

 

6

 

Stube auf dem Schweglerhof. Hinter einer großen Truhe versteckt kauern Anne und Isabell. Heinrich kommt hinzu.

 

Heinrich:       He! Ist denn da niemand mehr? Wo seid ihr alle?

Anne:       Heinrich! Du bist’s!              (springt auf und umarmt ihn)

Heinrich:       Liebes, was ist passiert? Mann könnt meinen, euer Hof sei ausgestorben.

Anne:       Schwedische Reiter waren hier und haben alles mitgenommen.

Heinrich:       Ich versteh nicht.

Isabell:       ‘s waren an die fünfzehn Reiter. Ich hab sie grad noch gesehen, wie sie auf den Hof zugeritten sind.

Anne:       Vater hat uns schnell noch im Heustadel versteckt.

Heinrich:       Haben sie euch was angetan?

Anne:       Uns beide haben sie nicht gefunden. Aber sonst haben sie alles mitgenommen. Das ganze Vieh, alle Hühner, Sauen und die Küh, den ganzen Vorrat, Butter, Schmalz, Korn, Würste und das Geräucherte. Nichts ist mehr da. Die Geldtruhe und den Schmuck hat der Vater noch vergraben können.

Heinrich:       Wo sind eure Eltern?

Isabell:       Die haben sie auch mitgenommen, ihre Beut wegtragen. Hoffentlich geschieht ihnen nichts.

Anne:       Heinrich, die Leut erzählen so viel Schlimmes. Ganz Reicholzried hat der Schwed niedergebrannt. Die Bauern haben sie in die Kirchen gesperrt, die Türen verriegelt und dann Feuer gelegt. Alle Leut haben drinnen lebendigen Leibes elend verbrennen müssen. Den Pfarrer haben sie in Stücke gehauen. ‘s heißt, auch viele andere Dörfer seien bis auf’s letzte Haus abgebrannt. Das Kloster, sagt man, sei ganz verdorben und am meisten hätten sich die Reichsstädter dabei hervorgetan. Bauern, die das ihrige versteckt haben, heißt’s, haben sie Gülle und Unrat ins Maul geschüttet, solang bis die Bäuch ganz aufgebläht waren, dann sind sie drauf rumgesprungen, bis die armen Kerl all das ihrige hergegeben haben oder ihre Bäuch geplatz sind. Man könnt meinen, die Höll hätt sich auf auftan und alle Teufel seinen herauskommen.

Heinrich:       Mir scheint, der Schwed ist nicht nur um des Evangeliums Willen ins Allgäu gekommen.

Anne:       Der Vater hat noch gesagt, daß wir uns mit all unserer Habe im Wirlinger Wald verstecken müßten, aber die Mutter hat g’meint, wenn man der Aufforderung folge leistet und alle Waffen im Zeughaus abliefert und sich sonst wie brave Untertanen aufführt, passiert einem schon nichts.

Heinrich:       Ich geh heute noch zu den schwedischen Obersten und sag ihnen, daß die Tochter vom Schweglerhof eines reichsstädtischen Bürgers Braut ist und sie euch in Ruhe lassen sollen. Oder besser noch, du kommt mit mir in die Stadt, die Isabell nehmen wir auch mit. In der Stadt seid ihr sicher. Dort herrscht Recht und Ordnung.

Anne:       Das werden die Eltern nicht erlauben.

Heinrich:       Das gilt mir gleich! Ich will nicht, daß dir was zustößt!

 

7

 

Elisabeth Schwegler kommt hinzu - die Mistgabel in der Hand.

 

Isabell:       Mutter!

Schweglerin:       Da ist ja einer von den gemeinen, verstohlenen Erzschelmen! Du kommst mir nicht lebend vom Fleck! Du Saukerl!

                        (Anne stellt sich schützend vor Heinrich)

Anne:       Mutter! Was tust du? Das ist doch der Heinrich!

Schweglerin:       Meinst du ich bin blind? Ich seh schon recht gut, wer das ist. Der hält doch nur Kundschaft, ob’s bei uns noch was zu holen gibt.

Heinrich:       Aber Frau Bäuerin, wo denkt ihr hin? Was hab ich euch getan?

Anne:       Mutter! Leg die Mistgabel weg!

Schweglerin:       Einer von denen hat die Schweden auf den Hof geführt. Ich hab’s ganz genau gesehen. Sein Gesicht hat’r unter einer weiten Kapp versteckt. Trotzdem hab ich ihn erkannt. ‘s war einer von den Metzgern aus der Reichsstadt! Der Gschwender war’s der Dreckskerl! Diese dreckigen verlausten Ketzer! Der Gschwender wird schon von dem da g’wußt haben, daß ‘s bei uns was zu holen gibt!

Heinrich:       Ich schwör’s euch! Ich bin unschuldig!

Anne:       Mutter nimm die Gabel weg! Heinrich hat nichts getan!

                        (die Schweglerin nimmt die Mistgabel herunter)

Schweglerin:       So? Jetzt ist mein eigen Fleisch und Blut auch eine von denen. Meinst du, ich hab nicht g’merkt, daß du mit dem Ketzer rumbuhlst? Schändliches Frauenzimmer du!

Heinrich:       Frau Schwegler, ihr solltet nicht alles über einen Kamm scheren. Auch unter den Städtern und unter den Evangelischen gibt’s solche und solche!

Schweglerin:       Und wer sagt mir, was für einer ihr seid?

Heinrich:       Ich hab mir nichts unrechtes zuschulden kommen lassen.

Schweglerin:       Ach, ihr lutherischen Ketzer seid doch alle gleich!

Heinrich:       Frau Bäuerin, ich nehm die Anne mit in die Stadt.

Schweglerin:       Was? Was wollt ihr? (bedroht ihn wieder mit der Mistgabel) Meine Tochter willst du entführen? Saukerl! Erzkujon! Nur über meine Leiche!

Heinrich:       Seid doch nicht dumm! In der Stadt ist eure Tochter wohl in Sicherheit. Kein Schwede oder sonst wer wird ihr dort zu nahe kommen. Wollt ihr, daß die Soldaten ihr weiß Gott was antun?

Schweglerin:       Da kommt ihr mir grad recht! Nur über meine Leiche! Seht nur zu, daß ihr fortkommt. Wenn mein Mann kommt, erschlägt er euch! Ketzermensch!

Heinrich:       Kommt doch zur Vernunft!

Anne:       Mutter ich geh mit ihm!

Schweglerin:       Du Metze! (ohrfeigt sie) Du bist meine Tochter nicht mehr länger! Geh nur mit ihm! Geh nur! Komm mir nie wieder unter die Augen! Du Hurenmensch! Schande über dich!

Heinrich:       Wenn ihr wollt....wenn ich möchtet, nehm ich euch und euren Mann auch mit in die Stadt, dort kann euch kein Schwede was anhaben. Die Schweden sind unsere Bundesgenossen; nehmt all eure Habe mit euch; ich will in der Stadt schon für euch einstehen.

Schweglerin:       Wie stellt ihr euch das vor? Sollen wir Haus und Hof im Stich lassen? Anne, wenn du mit ihm gehst, brauchst du erst gar nicht wieder zurückkommen. Unter meinem Dach hast du dann nichts mehr verloren.

Heinrich:       Frau Bäuerin, seid doch nicht so stur! Überlegt ’s euch. Mein Angebot steht. Komm Anne, pack deine Sachen zusammen!

                        (Heinrich und Anne ab)

Schweglerin:       (ruft ihnen nach) Du Hurenmensch!

Isabell:       Mutter, der Heinrich ist schon ein rechter Kerl.

Schweglerin:       Das mag ja sein, aber er ist ein Städter und ein Evangelischer. Die haben doch den Schweden ins Land geholt.

Isabell:       Mutter, warum gehen wir nicht auch in die Stadt? Bis der Schwede weg ist? Da hat der Heinrich doch recht.

Schweglerin:       ‘s mag ja sein, daß der Kerl recht hat. Aber was soll aus dem Hof werden? Soll sich hier der Schwede oder loses Landstreicherpack einnisten? Soll alles verwahrlosen und dem Feuer anheimfallen?

Isabell:       Und wenn uns der Schwede ‘s nächste mal alle zusammen totschlägt?

                        (die Schweglerin wird nachdenklich)

Schweglerin:       Ich und der Vater, wir müssen hier bleiben. Aber ‘s ist schon recht Isabell, du gehst auch in die Stadt, der Schwede hat’s auf brave Jungfern abgesehen. Komm Isabell, schnür dein Bündel und geh der Anne nach; bevor der Vater kommt, der würd’s nie erlauben.

Isabell:       Du schickst mich in die Stadt?

Schweglerin:       Aber paß auf dich auf! Bei den Städtern bist du nicht wohl gelitten. Sprich nichts mit den Leuten! Und versprich mir, daß du jeden Sonntag zur Messe gehst. Und tu, was die Anne dir sagt.

Isabell:       Ja Mutter. Willst du nicht mitkommen?

Schweglerin:       Ich muß hier bleiben. Paß auf dich auf, Isabell.

Isabell:       Leb wohl Mutter.              (sie umarmen sich zum Abschied - Isabell ab)

Schweglerin:       Gib gut auf dich acht!              (Schweglerin ab)

 

8

 

Im Rathaus der Reichsstadt. Eine Besprechung zwischen Ruthven und Jenisch.

 

Ruthven:       Herr Jenisch, die stiftischen Bauern weigern sich, uns freiwillig Proviant zu liefern. Alles müssen wir gewaltsam requirieren. Ich bin des Requirierens und Furagierens müde; auch seine Majestät der König sieht nicht gern, wenn seine Soldaten plündernd durchs Land ziehen. Ich habe deshalb der Reichsstadt Kaufbeuren Befehl gegeben, uns wenigstens einen Teil des benötigten Proviants zu liefern. Die Kaufbeurer haben die Evangelische Sache schließlich erbärmlich im Stich gelassen.

Jenisch:       Meint ihr nicht, Herr Ruthven, daß die Kaufbeurer damit zu glimpflich davon kommen? Schließlich haben sich die Kaufbeurer arg gegen ihre evangelischen Mitbürger versündigt. Wär’s nicht gerecht, wenn euch die Kaufbeurer neben der fälligen Kontribution auch eure gesamte Furage und sämtlichen Aufenthalt besorgen müssen?

Ruthven:       Denkt ihr, bei den Kaufbeurern gäb’s noch mehr zu holen?

Jenisch:       Die Kaufbeurer waren den Kaiserlichen und deren Jesuiten in allem zu willen und wurden deshalb weitgehend von Kontribution und Einquartierung verschont. Die Kaufbeurer haben drum noch volle Geldtruhen. Und, Herr Ruthven, ist’s für eure Kompanien nicht besser, wenn die Kaufbeurer alles brav liefern und sich eure Leute in wohlverdienter Ruhe erholen können, statt sich täglich aufs neue mit den störrischen Bauern herumzuschlagen?

Ruthven:       Da habt ihr sicherlich recht.

Jenisch:       Und schließlich bringt es nur böses Blut mit sich, wenn die stiftischen Bauern all zu hart vexiert werden.

Ruthven:       Gut, wir befehlen den Kaufbeurern, uns die gesamte Furage zu liefern. Herr Jenisch, häufiger schon sind des nachts Bürger eurer Stadt ins Stift gezogen, haben dort Türen und Fenster eingeschlagen und auch sonst recht vandalisch gehaust. Gestern Nacht sind dort drei Häuser in Flammen aufgegangen. Seht zu, daß dieses Treiben aufhört.

Jenisch:       Herr Ruthven, wir haben durch den Geheimschreiber seiner Majestät, dem Philipp Sattler, der ein Sohn unserer Stadt ist, den König bereits um die Erlaubnis gebeten, das Stift gänzlich zu exekutieren.

Ruthven:       Dann wartet doch wenigstens, bis ihr die Erlaubnis dazu habt. Noch eins Herr Jenisch, die schwedischen Kompanien werden bald aus Kempten abziehen.

Jenisch:       Herr Ruthven, ist das euer ernst?

Ruthven:       Der Wallenstein hat ein neues kaiserliches Heer aufgestellt. An die 50.000 Mann stark. Seine Majestät der König beabsichtigt, bei Nürnberg Wallensteins Angriff abzuwarten und ihm eine rechte Battalie zu liefern. Aber seid unbesorgt, Kapfer bleibt mit einer ausreichenden Salvaguardia in eurer Stadt.

                        (beide ab)

 

9

 

Straße in der Reichsstadt. Die Müllerin - aufgeregt.

 

Müllerin:       Weberin! Weberin! Hast du’s schon gehört?

                        (kommt hinzu)

Weberin:       Was ist denn?

Müllerin:       Ich komm grad vom Rathaus.

Weberin:       Und?

Müllerin:       Im Rathaus sind sie alle außer Rand und Band. Der Schwedenkönig hat uns erlaubt, das Stift ganz und gar wegzuräumen und zu demolieren.

Weberin:       Das Stift? Wegräumen und demolieren?

Müllerin:       Der Stadtrat hat beschlossen, daß alles angezündet werden soll. Das ganze Kloster mit allen Kirchen, Häusern und Stadeln.

Weberin:       Das gibt ein mords Feuerchen!

Müllerin:       Adam! Adam! Hör zu schaffen auf!

Weberin:       Ja, jetzt haben wir wieder was zu schaffen, seit der Schwed da ist. Der Schwed braucht viel Tuch und zahlt gut!

Müllerin:       Komm Adam! ‘s gibt ein großes Feuer, das mußt du dir anschauen!

                        (Müller kommt eilig herbei)

Müller:       Was ein Feuer?

Weberin:       Ein Freudenfeuer! Das Stift wird angezündet!

Müller:       Das gibt wahrlich ein Freudenfeuer! Schnell, wir müssen Fackeln und Zunder herrichten. Bei der Verrichtung will ich nicht untätig zusehen.

                        (der Meyer kommt hinzu)

Meyer:       Nein! Keine Fackeln und keinen Zunder.

Weberin:       Was? Wird’s doch nicht angezündet?

Meyer:       Der Stadtrat meint, wenn ‘s Stift abbrennt, könnt ‘s Feuer auf die Stadt übergehen.

Müllerin:       Da haben sie recht.

Meyer:       Man hat jetzt beschlossen, das Stift Stein für Stein abzubrechen! (ruft) Hans! Hans!

Hans:        (von draußen) Was?

Meyer:       Kerl, bring’s schwere Werkzeug! Die Beil und Pickel!

Hans:       Ja Meister.

Müller:       Das gibt aber ein tüchtiges Stück Arbeit!

Meyer:       Ach was! Anständig Schießpulver ins Münster und die Lorenzkirchen gepackt, puff, und weg ist’s. Den Rest einzureißen ist ein leichtes.

                        (Hans kommt mit Äxten und Spitzhacken hinzu)

Hans:       Hier Meister, das Werkzeug.

Meyer:       Müller, da, nimm einen Pickel und auf geht’s! Kerl, du kommt auch mit.

Hans:       Freilich, das wird ein Gaudium.

Meyer:       Wir werden nicht ruhen, bis auf dem ganzen Platz die Heidelbeer wachsen, bis alles zu einem lauteren Steinhaufen geworden ist! Und nichts mehr von diesem papistischen Tempel kündet! Kommt! Alle Bürger treffen sich auf dem Rathausplatz!                     (alle ab)

 

 

 

 

 

 

 

Pause

dritter Akt

 

1

 

Haus des Metzgers Schwenk in der Reichsstadt. Anne schrubbt den Fußboden. Heinrich kommt hinzu; auf dem Rücken hält er ein Bündel versteckt.

 

Heinrich:               Anne, was machst du da?

Anne:                   Dein Vater hat g’meint, wenn er schon mich und die Isabell durchfüttern muß, sollen wir auch die Hausarbeit verrichten.

Heinrich:               Liebes, wenn der Alte meint, er muß dich schikanieren, sagst du’s mir. Für dich und die Isabell komm schließlich ich auf.

Anne:                   Es ist schon gut. Dein Vater hat ja recht. Schließlich hast du ihm eine Katholische ins Haus geholt

                            (zieht das Bündel hervor)

Heinrich:       Anne, was meinst du, was ich da hab?

Anne:       Nein. Was ist das?

Heinrich:       Da kommst du nie drauf.

Anne:       (skeptisch) Warst du mit den anderen wieder im Stift draußen?

Heinrich:       Aber Anne, ich hab’s dir doch schon erklärt, alle anständigen Bürger müssen mithelfen, wenn das Stift abgebrochen wird. Und es lohnt sich. Da schau!

                        (er öffnet das Bündel)

Anne:       Mein Gott! Das ist ja ein Schatz! Lauter goldene Ring und Ketten! Wie schön das alles ist. Lauter Edelstein; und wie ‘s glitzert, glänzt und funkelt.

Heinrich:       Ja. Jetzt sind wir reiche Leut! Jetzt brauchst du keinen Boden mehr schrubben, jetzt sind wir vermögend.

Anne:       Heinrich, wo hast du das her?

Heinrich:       Heut haben wir die Grüft aufgebrochen. Du hättest sehn sollen, was für Kostbarkeit sie ihren Fürstäbten mit in die Särg gelegt haben. Dir steht so eine güldne Kette doch viel besser als einer vertrockneten Leich.

                        (er will ihr eine Kette umlegen - sie wehrt sich dagegen)

Anne:       Ihr habt die Gräber geschändet?

Heinrich:       Aufgebrochen und geschändet haben’s die anderen, die Grabmäler zerschlagen, die Gewänder geraubt und Leichen und Knochen auf die Straßen geworfen. ‘s war auch ein tüchtiges Stück Arbeit, die schweren Zinnsärg aufzubrechen. Der alte Fürstabt, der letztes Jahr gestorben ist, sah noch recht manierlich aus. Seine Totengewänder hätt’st du sehen sollen. Die sind bestimmt ein Vermögen wert. Ich hab mir bloß den Schmuck genommen.

Anne:       Du hast einem Toten die Ring vom Finger gezogen?

Heinrich:       Die städtischen Totengräber machen’s doch auch so, wenn man nicht aufpaßt.

Anne:       Bring’s wieder zurück!

Heinrich:       Wie stellst du dir das vor? Soll’s ein anderer mit heim nehmen?

Anne:       Heinrich, so was bringt doch Unglück!

Heinrich:       Glück wird’s uns bringen. Jetzt sind wir Leut von Stand.

Anne:       Heinrich, wenn du Schlau bist, vergräbst du’s und wenn endlich Friede ist gibst du’s dem Fürstabt zurück. Das wird dir Ehr und Belohnung einbringen.

                        (sie schrubbt weiter den Fußboden)

Heinrich:       Freilich vergrab ich’s. Wenn erst Friede ist, ist’s ja auch mehr wert.

                        (Heinrich ab)

 

2

 

Isabell kommt hinzu.

 

Anne:       Lauf mir nicht durch’s frisch geputzte!

Isabell:       Anne, wann dürfen wir endlich wieder heim?

Anne:       Gefällt’s dir denn hier gar nicht?

Isabell:       Überall ist’s eng und dreckig. Wenn du durch die Gassen gehst, mußt du aufpassen, daß sie dir nicht ihren Scheißdreck auf den Kopf schütten. Weil sie nämlich ihre Nachttöpf und ihren Unrat bloß aus dem Fester leeren, dabei hätten sie vor jedem Haus einen Misthaufen. In den Straßen stink ’s so unchristlich, als wenn einer nie seinen Stall ausmistet und die Viecher bloß in der Gülle stehen! Die Leut schauen einen immer so an, als ob man ihnen ‘s Brot vom Teller und die Suppen aus der Schüssel nehmen möchte.

                        (Anne ist inzwischen mit Schrubben fertig)

Anne:       Du weißt doch, der Schwed streift noch übers Land.

Isabell:       Ja. Ich weiß. Die Leut auf dem Markt sagen, der Schwed hätt in Immenstadt alle Leut, so lebend angetroffen wurden, an die Pferd gebunden und zu Tod geschleift, bei Ottobeuren haben sie Frauen und Kindern Nasen und Ohren abgeschnitten.

Anne:       Schrecklich! Diese Mörderbande! Siehst du Isabell, wie froh wir sein müssen, daß wir in der Stadt bleiben dürfen.

                        (beide ab)

 

3

 

Vor dem Stift. Ratsherr Schmelzer und Hauptmann Kapfer. Der Schmelzer sitzt in einem bequemen Sessel, vor sich ein schönes Glas Wein.

 

Kapfer:       Heute sind schon wieder weniger Bauern zur Arbeit erschienen. ‘s werden von Tag zu Tag weniger.

Schmelzer:       Die faulen Hund! ‘s wird Zeit, daß ihr da hart durchgreift!

Kapfer:       Eure Bürger sind auch nur noch mit schwindendem Eifer bei der Arbeit.

                        (Stadthauptmann Löffler kommt hinzu)

Löffler:       Herr Schmelzer, ihr habt es euch hier recht kommodierlich gemacht.

Schmelzer:       Ja, Herr Löffler. Wenn ich schon die Abbrucharbeiten am Stift beaufsichtigen muß, reicht’s ja wenn ich das von einem bequemen Sessel aus tue und mir’s auch sonst recht wohl sein laß.

Löffler:       Und Schmelzer, wie geht’s vorwärts?

Schmelzer:       Zäh. Reichlich zäh! Zuerst hat man g’meint, man könnt alles an einem einzigen Tag einbrechen und niederreißen. Aber die Mauern sind zu dick. Wenn man nur mehr Schießpulver zum Sprengen nehmen könnt.

Kapfer:       Schießpulver ist zu kostbar, das brauchen wir für die Kaiserlichen.

Schmelzer:       Die Bauern, die wir für den Abbruch zur Zwangsarbeit aufgeboten haben, verweigern auch immer mehr den Dienst. Die Türme und die Residenz einzureißen und die Lorenzkirchen war noch ein leichtes, aber das Münster ist recht massiv gebaut.

Löffler:       Da müssen gelernte Mauer her. Das geht zu langsam. Das Stift muß weg. Sollten eines Tages die Kaiserlichen kommen, werden sie’s als Bollwerk gegen uns verwenden. Nachts streifen sie schon herum, es sind vor der Stadtmauer auch schon die ersten Bürgerhäuser geplündert worden.

Kapfer:       Habt nur Vertrauen. Die Stadt ist wohl montiert. Laßt die Kaiserlichen nur kommen. Sollten wir ernstlich in Bedrängnis geraten wird uns der König umgehend Entsatz schicken.

Löffler:       Gleichviel! ‘s Stift muß endlich weg. Was machen die Leute da drüben?

Schmelzer:       Wen meint ihr?

Löffler:       Da drüben! Die Kerle, die da die besten Steine auf die Wagen laden.

Schmelzer:       Ach die meint ihr.

Löffler:       Habt ihr das aufgetragen?

Schmelzer:       Ich laß mir bloß einige Steine auf’s Haubenschloß bringen. Um mein Schloß zu vergrößern. Meint ihr nicht daß’s schade um das gute Baumaterial wär, wenn man’s hier verkommen ließe.

Löffler:       Ihr wißt, sämtliches Baumaterial aus dem Stift gehört der Stadt. Damit soll die Befestigung der Stadt verbessert werden.

Schmelzer:       Kommt Löffler, auf die paar alten Stein wird’s schon nicht ankommen.

Löffler:       Mir scheint, ‘s sind grad die besten Stück, die ihr da auf euer Haubenschloß bringen laßt.

Schmelzer:       Spielt euch hier doch nicht zum Richter auf, ihr habt doch auch überall zugegriffen, wo ihr’s konntet.

Löffler:       Nichts für ungut, Schmelzer. Ich bin nur gekommen, euch zu holen. ‘s ist eine dringende Ratssitzung einberufen worden. Der Jenisch hat eine Botschaft vom König erhalten, bedeutenden Inhalts, wie er sagt. Kommt also, auf’s Rathaus.

                        (alle ab)

 

4

 

Rathaus. Das Gros der Ratsherren hat sind bereits versammelt. Löffler, Schmelzer und Kapfer kommen hinzu.

 

Löffler:       He Geiger, wißt ihr schon worum’s geht?

Geiger:       Der Jenisch wird’s gleich verlesen.

Schmelzer:       (scherzt) Vielleicht werden wir alle in Adelsstand erhoben.

Geiger:       Da. Der Bürgermeister.

                        (Jenisch kommt hinzu - feierlich trägt er eine Urkunde vor sich her)

Jenisch:       Ehrwürdige Ratsherren, heute ist der bedeutendste Tag in den Analen unserer Stadt seit der Verleihung der Reichsunmittelbarkeit . Auf immer sollen unsere Nachfahren und Kindeskinder dieses herrlichen Tages gedenken, an dem unsere Stadt auf wunderbare Weise und durch des ruhmreichen Schwedenkönigs Gunst erhöht wurde. Der König sendet uns folgende Urkunde.

                        (entrollt die Urkunde und liest vor)

                        Wir Gustav Adolf durch die Gnade Gottes König von Schweden übergeben auf ewige Zeit der Reichsstadt Kempten, ihren Bürgern, deren Kindern und Kindeskindern, die von uns eroberte und durch Kriegsrecht und Gewalt erlangte Grafschaft Kempten mit allem was dazugehört zu rechtmäßigem Eigentum als Anerkennung der Verdienste, die sich die Stadt um die evangelische Sache erworben hat.

                        (blickt in die Runde)

Löffler:       Habt ihr gehört? Habt ihr das gehört?

Jenisch:       Das ganze Gebiet des Stiftes gehört von jetzt ab unserer Stadt an.

Schmelzer:       Verewigen wir die Urkunde ins Stein! Laßt uns ein prächtiges Denkmal bauen. Aller Posterität zum Gedenken.

Löffler:       Errichten wir dem König ein Standbild vor dem Rathaus. Hoch zu Roß.

Schmelzer:       Ein Hoch dem König! Vivat!

Alle:       Hoch! Gustav Adolf lebe! Vivat!

Jenisch:       Die ganze Bürgerschaft soll sich auf dem Rathausplatz versammeln. Die ganze Bürgerschaft soll diese Botschaft vernehmen.

                        (Jenisch ab)

Schmelzer:       Prächtig. Jetzt gilt’s die Ämter des Stifts unter uns aufzuteilen. Jetzt brechen herrliche Zeiten an.

Löffler:       Geiger, weshalb blickt ihr so finster drein?

Schmelzer:       Denk euch nichts Löffler, der Geiger war schon immer ein Katholikenfreund.

Löffler:       Damit ist’s vorbei, jetzt müssen die Stiftischen alle rechtschaffen Evangelisch werden. Und wer sich weigert wird tüchtig tribuliert.

                            (alle ab)

 

5

 

Am Brunnen auf dem Sankt Mang Platz. Weberin und Müllerin im Gespräch.

 

Weberin:       Jetzt heißt’s sich ranhalten. Die Räte haben jetzt viel stiftische Posten zu vergeben. Da fällt für jeden ehrlichen Bürger was ab. Wenn du schlau bist, schaust du, daß dein Adam auch im Stift unterkommt. Ein fetter Beamtenposten, das ist doch viel einträglicher als die Weberei.

Müllerin:       Wenn einer einen Posten im Stift will, muß’r doch lesen und schreiben können.

Weberin:       Danach haben sie bisher wohl nicht gefragt; ‘s heißt eher, daß sich’s die sauberen Ratsherren was kosten lassen.

Müllerin:       Ich hab schon beim Geiger angefragt; der Geiger ist ein Ehrlicher und Rechtschaffener. Der macht keine holen Hände.

Weberin:       Und was hat der Geiger g’meint?

Müllerin:       Eben daß man als stiftischer Amtsmann wohl lesen und schreiben können muß. Außerdem hat er g’meint, ‘s hätt sowieso keinen wert, das Stift würd eh nicht lang bei der Stadt bleiben.

Weberin:       Der König hat’s uns doch für alle Zeit gegeben.

Müllerin:       Aber die Kaiserlichen täten’s bald wieder einsacken, hat der Geiger g’meint.

Weberin:       Ach, was der alte Geiger immer meint! Der Geiger war schon immer ein Schwarzseher.

                        (Isabell kommt hinzu, um Wasser zu holen)

Müllerin:       Schau, eine von den Bauersleuten. He du! Geht ihr auch mal wieder heim?

Isabell:       Lieber heut als morgen.

Müllerin:       Jetzt habt ihr euch ja bei uns sattg’fressen.

Isabell:       Wir gehören jetzt auch zur Stadt.

Müllerin:       Ja scho. Als Untertanen aber nicht als Bürger. Was für euch früher euer Fürstabt war, das sind jetzt wir für euch. Drum kannst du jetzt schon mehr Respekt zeigen. Schau, daß du wieder zu deiner Schwester, dem Hurenmensch und ihrem Buhlen kommst.

Weberin:       Komm, laß das Mädchen doch in Ruh.

Isabell:       Der Heinrich wird meine Schwester heiraten.

                        (sie schöpft Wasser aus dem Brunnen)

Müllerin:       So? Das will ich sehen. Ein Evangelischer eine Papistische! Wer soll denn den Segen über so ein Paar sprechen? Wenn ihr wenigstens evangelisch werden wollt.

Weberin:       Mädchen, nimm deinen Krug und geh weiter.

Müllerin:       Die kommen doch bloß in die Stadt damit sie brave Bürgersöhne heimlich zu Papistischen machen können. Schau doch bloß, wie kokett sich die junge Dirn gibt und was für Blick ihr die Burschen nachwerfen.

Isabell:       Eure Bürgersöhn sind samt und sonders Dummköpf und Bärenhäuter. Seid nur unbesorgt.

                        (nimmt ihren Wasserkrug und geht weiter)

Müllerin:       Euch wird man schon noch austreiben! Mit Schimpf und Schande. Ich sorg scho dafür, daß sie dich und deine saubere Schwester an den Pranger stellen.

Weberin:       Komm. ‘s ist doch recht, wenn die Bauern in Notzeiten in die Stadt kommen. Draußen geschieht doch so viel Unheil.

Müllerin:       Dann sollen sie auch evangelisch werden und sich ordentlich aufführen.

                        (beide ab)

 

 

6

 

Schloß der Erzherzöge von Tirol zu Innsbruck. Fürstabt Johann Schenk von Kastel trifft sich zu einer Unterredung mit der Erzherzogin Claudia von Medici - die Erzherzogin verkörpert alle Grandezza dieses vom Kaufmannsstand in die höchsten Adelsränge aufgestiegenen Geschlechts. Sie gehen in einer offenen Loggia auf und ab.

 

Erzherzogin:         Caro Stimatissimo Signore Schenk, aus der Grafschaft Kempten vernehmen wir nur die aller schrecklichste Kunde von unmenschlichen Greueltaten und zum Himmel schreiender Gotteslästerung, verübt von des unseligen Schwedenkönigs Kriegsknechte und verübt von den hochverräterischen Bürgern der Reichsstadt.

Fürstabt:               Euer fürstlichste Durchlaucht vermögen sich gar nicht vorzustellen, wie gotteslästerlich diese erzmalefikanten Ketzerbuben in meinem geliebten Stift und meiner Grafschaft gehaust haben.

Erzherzogin:         Dem Wallenstein beliebt ’s immer noch nicht, die rebellischen Reichsstädte zu züchtigen. Ins Sächsische ist er gezogen, satt die katholischen Lande aus der schwedischen Drangsal zu befreien.

Fürstabt:               Der Wallenstein steckt doch mit den Lutherischen unter einer Decke; dem Wallenstein gilt’s gleich, ob einer ein braver katholischer Untertan oder ein lutherischer Rebell ist. Schon in  mehr als nur einem untertänigsten Gesuch haben wir seine kaiserliche Majestät um gnädigen Beistand ersucht.

Erzherzogin:         Si, certamente, der Kaiser klagt, er könne’s dem Wallenstein nicht befehlen, der Wallenstein habe in allen Kriegsgeschäften freie Hand. Doch der Wallenstein zaudert, weicht einer Battalie stets aufs neue aus. Dabei wäre es adesso ein leichtes, die Schweden endgültig aus Schwaben zu weisen. Des Schwedenkönigs Armada steht fern, die schwedischen Garnisionen sind nur gering an Zahl und die rebellischen Bürger feige. Der Freiherr von König steht in Lindau und der Aldringen in Landsberg, gemeinsam könnten sie die Rebellen von Westen und vom Osten her in die Tenaglia nehmen. Auch wir wollen das unsrige beitragen und unsere braven Tirolischen Bauern aufbieten; auch an Geld aus unserer Schatzkammer soll’s dem Wallenstein nicht mangeln.

Fürstabt:               Eure fürstlichste Durchlaucht, wir sind euch zu allergrößtem Dank verpflichtet. Auch wir haben ‘s dem Wallenstein schon angeboten, zu den Kriegskosten beizusteuern.

Erzherzogin:         Mio Caro Schenk, die Occasione wär straordinario günstig.

Fürstabt:               Ja, eure fürstlichste Durchlaucht, die Hauptsache ist doch zuvörderst, Kempten erst einmal zu erobern; dann gilt es als weiteres Ziel durchzusetzen, daß der große Kauf des Jahres 1525 für null und nichtig erklärt und der Stift die alten rechte in der Stadt wieder eingeräumt werden. Dann kann der stiftische Vogt wieder auf der Burghalde seinen rechtmäßigen Sitz einnehmen und die Kirche Sankt Mang und die Bürger der Stadt zur Ehre Gottes wieder zum katholischen Glauben zurückgeführt werden.

Erzherzogin:         Certamente, sofern es nicht vorzuziehen ist, die halsstarrigen Reichsstädter, anderen ungehorsamen Ständen des Reiches zum abscheulichen Esempio, in genere niederzumachen und tolamente zum Heile vieler Seelen auszutilgen.

Fürstabt:               Überhaupt wäre es das beste, wenn die Stadt ein für allemal dem Stift übergeben und einverleibt würde, denn es wird so lange die Welt steht, zwischen Stift und Stadt kein Friede und Ruhe sein, sondern nur Krieg und Zank.

Erzherzogin:         Certamente mio Caro Schenk, doch bedenkt immerhin, daß alles auch ein gutes hat. Schließlich dürfen sich eure Untertanen molto felice wähnen, in einer Zeit zu leben, die es ihnen sempre gestattet für den rechten Glauben und zum höheren Ruhme der heiligen Madonna das Martyrium auf sich zu nehmen und zu erleiden. La posso pregare?

                            (beide ab)

 

 

7

 

Reichsstadt, Stube im Haus des Bürgermeisters. Jenisch sitzt mit sorgenvoller Mine in einem Sessel. Hildegard arbeitet an einer Stickerei. Leonore kommt mit einem Becher Wein hinzu.

 

Leonore:              Euer Schlaftrunk, Herr Vater, einen Becher warmen Gewürzweins

Jenisch:                Danke mein Kind. Sag dem Knecht, er soll noch mehr Holz hochbringen, ‘s ist kalt in der Stube und ich spür meine Gicht. Der Fuß tut weh.

Leonore:              Ja Herr Vater.

                            (Leonore ab)

Hildegard:            Was ist mit dir Zacharias? Was grübelst du?

Jenisch:                ‘s ist nichts.

Hildegard:            Was für Sorgen plagen dich?

Jenisch:                Man darf’s nicht laut sagen, aber langsam fängt die schwedische Sache an, auf Saufedern zu stehen.

Hildegard:            Meinst du, der Schwede läßt uns im Stich?

Jenisch:                Der Schwede hat jetzt viel um die Ohren. Der Schwedenkönig ist tot. ‘s hat eine große Battalie gegen den Wallenstein gegeben, bei Lützen im Sächsischen. Der König ist bei der Attacke gefallen.

Hildegard:            Das ist schlimm.

Jenisch:                Die Kaiserlichen gewinnen Oberhand.

Hildegard:            Zacharias, ‘s ist doch noch nicht zu spät, das schlimmste abzuwenden. Gebietet dem Treiben doch Einhalt. Hört mit dem Abbruch des Klosters auf. Und es geht doch nicht an, daß die sauberen Ratsherren alle in ihre eigene Tasche wirtschaften, das Land aussaugen und die stiftischen Bauern immer mehr gegen sich aufbringen.

Jensich:                Die Räte und die Bürgerschaft werden nicht auf mich hören, unser neuer Stand hat ihnen ganz den Kopf verdreht. Daß sie sich jetzt Kanzler und Amtsmänner der Grafschaft Kempten nennen dürfen, ist ihnen ins Hirn gestiegen. Dabei kann sich keiner von ihnen mehr bei den Bauern zeigen. Totschlagen würden sie die sauberen Herren. Ich kann’s ihnen nicht verdenken, der Schmelzer baut sich von seiner Beuten das Haubenschloß und sein sauberer Bruder plündert derweil die Bauern aus.

Hildegard:            Zacharias, dann wird’s ein bös Strafgericht geben, wenn erst die Kaiserlichen kommen. Gott steh uns bei.

Jensich:                Mach dir keine Sorgen Frau, so leicht steckt man uns nicht in den Sack. Die Stadt ist stark und wir werden uns schon zu wehren wissen. Gott ist mit uns.

                            (Licht aus beide ab)

8

 

Vor dem Stift. Löffler und Schmelzer auf bequemen Stühlen und in Pelzmänteln.

 

Schmelzer:           Kalt ist’s Löffler.

Löffler:                  Das Wetter ist zu schlecht. Wir werden die Abbrucharbeiten bald einstellen. Bei dem Wetter hat’s keinen Wert. ‘s gescheiter, wir machen im Frühjahr weiter.

Schmelzer:           Da schaffen jetzt eh nur noch gelernte Mauer im Taglohn, die bräuchten wir eigentlich gar nicht zu beaufsichtigen.

Löffler:                  Dumm waren wir, Schmelzer. Einfach dumm.

Schmelzer:           Wie meint ihr das?

Löffler:                  Wir hätten vom König gleich die Herrschaft über das Gebiet von Nesselwang und Pfronten fordern sollen. Ja, die Herrschaft über das Tirol hätten wir an uns bringen können.

Schmelzer:           Da habt ihr wohl recht, wir waren zu bescheiden.

Löffler:                  Dumm waren wir! Einfach dumm!

Schmelzer:           Jetzt wo der König tot ist, wird sich da wohl nichts mehr machen lassen.

Löffler:                  Kaum. Der schwedische Reichskanzler ist ein sturer Hund.

Schmelzer:           Saukalt ist’s, Löffler.

Löffler:                  Wir hätten gleich richtig zulangen müssen.

Schmelzer:           Kalt ist’s und bald schon werden die Kaiserlichen kommen.

Löffler:                  Doch nicht im Winter! Habt ihr schon mal einen rechten Feldherren gesehen, der einen Feldzug im Winter eröffnet?

Schmelzer:           Meint ihr, sie warten bis zum Frühjahr?

Löffler:                  Wie wollt ihr schwer Geschütz und Artollerei winters durch den Schnee bringen? Wenn dann kommen die Papistischen erst im Frühjahr und bis dahin haben wir längst wieder schwedische Kompanien im Quartier.

Schmelzer:           Dann meint ihr nicht, daß es besser ist, einstweilen Frau und Kind in die Schweiz zu schicken?

Löffler:                  Aber Schmelzer! Wo denkt ihr hin? Nirgendwo sind eure Frau und eure Kinder sicherer als in unserer festen Stadt. Kommt, gehen wir uns aufwärmen.

                            (beide ab)

 

9

 

Quartier des kaiserlichen Oberst Freiherr Peter von König in Lindau. König kniet vor seinem Beichtvater, der ihm gerade die Beichte abgenommen hat; sie beten gemeinsam; der Pater laut, König leise. Als Widerpart zu Bürgermeister Jenisch ist König ebenfalls streng spanisch gekleidet.

 

Pater:                   Laudate Dominum omnes gentes, collaudate eum, omnes populi.

                            Quoniam confirmata est super nos misericordia ejus, et veritas Domini manet in aeternum.

                            Gloria Patri et Filio, et....

                            (ein Leutnant kommt hinzu)

Leutnant:             Herr Oberst von König....

                            (König gibt dem Leutnant ein Zeichen, worauf dieser schweigt)

Pater                    .....et Spiritui Sancto.

                            Sicut erat in principio, et nunc et semper,

                            et in saecula saeculorum. Amen.

König:                  Amen. (steht auf) Kerl, was gibt?

Leutnant:             Eine Order vom Generalissimus und ein Schreiben von der Erzherzogin.

                            (übergibt ihm zwei Schreiben; König liest)

König:                  Soso, der Wallenstein erteilt uns die Genehmigung zum schwäbischen Feldzug. Jetzt mitten im Winter; hätt er’s uns nicht schon vor einem Monat erlauben können? Da war’s Wetter noch besser. Der Erzherzogin bittet uns, sogleich gegen Kempten zu ziehen und die dortige Ketzerei mit Stumpf und Stil auszurotten.

Pater:                   Dem Herrn sein Dank.

König:                  Gemach Pater, wir gewinnen nur die Stadt dem Reich zurück. Das mit den Ketzern dürft ihr hernach besorgen.

Pater:                   Vergeßt nicht Herr Oberst, daß ihr eure Waffen der heiligen Jungfrau geweiht habt und das Bild der Muttergottes in eurem Banner führt.

Leutnant:             Herr Oberst, die Straße von Lindau nach Kempten ist wegen der starken Schneefälle fast unpassierbar.

König:                  Einen regelrechten Feldzug wird’s nicht brauchen. Die Reichsstädter sind ja nicht dumm. Wir werden sie gütlich unter annehmbaren Bedingungen zur Übergabe auffordern.

Pater:                   Das wird nicht im Sinne seiner fürstlichsten Durchlaucht, der Erzherzogin, und auch nicht im Sinne seiner fürstlichen Gnaden, des Fürstabtes, sein.

König:                  Pater, die Religion ist eine, das Kriegshandwerk eine andre Sache. Wenn die Spitzköpf und Siemänner in Trutz verharren, nutzen wir die Überraschung und nehmen die Stadt im Handstreich. Der Schwed hat nur eine schwache Salvaguardia zurückgelassen. Für diese Battalie braucht’s keine besonderen Strategemata. Eine Cavalcada und leichte Artollerei genügen. Leutnant, wir brechen noch heute auf.

                            (alle ab)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

vierter Akt

 

1

 

Auf der Stadtmauer der Reichsstadt. Jenisch und Kapfer. Es schneit. Kapfer beobachtet mit einem Fernrohr durch das Scheegestöber den Aufmarsch der Kaiserlichen

 

Kapfer:                 Herr Jenisch, es ist wie ich’s euch sagte, ihr dürft unbesorgt sein. Der Peter von König hat nur eine Handvoll Reuter bei sich.

Jenisch:                Auf wieviel Mann hoch schätzt ihr die Kaiserlichen?

Kapfer:                 Vor der Stadt dürften’s grad ein paar hundert Dragoner sein. Vom Buchenberg herab ziehen weitere Kolonnen. Musketierer und wieder Dragoner. Insgesamt höchstens tausend bis zweitausend Mann.

Jenisch:                Mit den paar Leuten will der von König unsere Stadt erobern?

Kapfer:                 Ich sag’s euch ja, ‘s gilt nichts zu befürchten.

Jenisch:                Seht ihr auch Geschütz?

Kapfer:                 Viel hat der von König nicht durch den Schnee gebracht. Das da vorn dürften nur zwei halbe Kartaunen sein und dahinten seh ich noch zwei Falkonettlein, nein, da ist noch eins, drei Falkonettlein sind’s. Sonst weit und breit nichts.

Jenisch:                Ist das schweres Geschütz?

Kapfer:                 Nein, das sind nur leichtere Stücke.

Jenisch:                Dann sind wir dem König ja haushoch überlegen! Wir haben auf unseren Mauern an die sechzig Geschütz, darunter sogar ein Orgelgeschütz und noch zahlreiche Granaten. Und an Volk sind wir mindestens ebenso stark.

Kapfer:                 Ich sag’s ja, seid guten Mutes. Auch wenn die Kaiserlichen in den nächsten Tagen noch Zuzug und Verstärkung erhalten, vom Breisgau her naht der General Horn mit einer noch gesagt, daß wir uns mit all unserer Habe im Wirlinger Wald verstecken müßten, aber die Mutter hat g’meint, wenn man der Aufforderung folge leistet und alle Waffen im Zeughaus abliefert und sich sonst wie brave Untertanen aufführt, passiert einem schon nichts.

Heinrich:       Ich geh heute noch zu den schwedischen Obersten und sag ihnen, daß die Tochter vom Schweglerhof eines reichsstädtischen Bürgers Braut ist und sie euch in Ruhe lassen sollen. Oder besser noch, du kommt mit mir in die Stadt, die Isabell nig doch noch ein glücklicher Handstreich gelingt.

                            (beide ab)

 

2

 

Straße in der Stadt. Stadthauptmann Löffler geht durch die Stadt, um die Bürger persönlich zu den Waffen zu rufen. Weitere Bürger kommen hinzu, darunter Weberin, Müllerin und Hans.

 

Löffler:                  Bürger! Kommt alle zum Zeughaus! Die Waffen werden ausgegeben. Alle rechtschaffenen Männer zum Zeughaus!

Müllerin:               Mein Mann ist schon im Zeughaus. Er will auch mit vorn sein, wenn’s für die Kaiserlichen Bastonaden setzt.

Weberin:              Herr Rat, meint ihr das ist gescheit? Unsere Männer sind doch keine Kriegsleute nicht.

Löffler:                  Frau, eure Männer haben jeden Sonntag brav auf dem Schießplatz am Pfeilergraben geübt. Die nehmen’s mit jedem Musketierer auf. Das ist das wenigste, was man von einem freien Bürger verlangen kann, daß er sein Weib, seine Kinder und sein Haus beschützen kann.

Müllerin:               Was wollen die Kaiserlichen denn mit einer lumpigen Handvoll ausrichten.

Löffler:                  Und wenn’s auch mehr werden. Wie zu der alten Römers Zeiten wollen wir als freie Männer unsere Freiheit gegen die Tyrannen verteidigen.

Müllerin:               Bis zum letzen Mann wollen wir uns wehren!

Löffler:                  (zu Hans) Komm Bursche! Auf mit dir zum Zeughaus! Laß dir einen ordentlichen Degen geben!

Weberin:              Der Hans ist doch noch zu jung für den Krieg.

Müllerin:               Ach woher. Der Junge gibt einen vortrefflichen Trommler oder Regimentspfeifer ab.

Hans:                    Freilich komm ich mit.

Löffler:                  Bursche, du gefällst mir. Bürgerinnen, unsere einzige Sorge ist, daß der Horn mit dem Entsatz eintrifft, bevor wir die Kaiserlichen besiegt haben und uns die Ehr nimmt.

Müllerin:               Der Kapfer soll doch gleich heut noch die unsrigen zum Ausfall gegen die kaiserlichen Knecht führen. Denen wollen wir’s schon recht einheizen.

Löffler::                 Bürgerinnen, das da draußen sind nur gemietete Söldlinge und Kriegsgurgeln, während wir freie Bürger sind. Wir streiten für Haus und Herd, für unsere Freiheit und für unseren Glauben! Auf für die evangelische Sache! Und auch ihr Frauen sollt Anteil an unserem Sieg haben. Ihr kümmert euch um die Verwundeten und steht euren Männern im Kampf bei!

Müllerin:               Auf zum Zeughaus!

Löffler:                  Kommt! Alle Bürger zu den Waffen!                      (alle ab)

 

3

 

Oberst von König hält auf dem Buchenberg Kriegsrat; Grafenegg - als Gesandter und Beobachter des Fürstabtes - und der Leutnant. König betrachtet mit einem Fernglas die Reichsstadt.

 

Leutnant:             Herr Oberst von König, ein erster Handstreich ist fehlgeschlagen. Als wir vor der Stadt ankamen waren sämtliche Tore bereits wohl verschlossen, die Wehrgänge besetzt und die Gartenhäuser vor dem Fischertor und dem Pfeilertor niedergebrannt, so daß wir keine Deckung hatten.

König:                  Da. Die Ruinen des Klosters werden eine vortreffliche Deckung für unser Geschütz abgeben. Von dort werden wir tüchtig Granaten in die Stadt schicken.

Grafenegg:          Alle bisherigen Verhandlungen waren zwecklos. Unser Spion hat berichtet, die Bürgerschaft wolle sich bis auf den letzten Mann verteidigen, die Bürgerschaft spräche von nichts anderem.

König:                  Diese Redensarten kennt man doch. Wenn’s dann ernst wird, haben die Spitzköpf und Pfeffersäck noch immer klein bei gegeben.

Leutnant:             Auf den Maueren haben wir an die sechzig Geschütz gezählt.

König:                  Hat er sich das Geschütz durch’s Fernglas besehen? Da! Blick er durch!

                            (reicht dem Leutnant das Fernglas)

König:                  Seh er sich’s genau an! Die Stück stammen samt und sonders noch aus des seligen alten Kaisers Maximilian Zeiten. Die sind grad noch recht für’s Salutieren. Kaliber sind’s, die alle noch für Steinskugeln berechnet sind. Mit solchem Geschütz werden die nicht viel ausrichten können.

Leutnant:             Für’s Kartätschen schießen reicht’s allemal.

König:                  Wenn er mit solchen Stück Kartätschen oder Granaten feuern will, werden ihm die alten Hund rechtschaffen krepieren und ihm zum Schaden um die Ohren fliegen.

                            (von ferne hört man Geschützdonner)

Graffenegg:         Herr Oberst, hört ihr das?

Leutnant:             ‘s klingt nach schwerem Geschütz.

König:                  Jaja. Ich hör’s wohl. Das ist der Aldringen vor Memmingen. Dort wird jetzt ordentlich geschossen. Lang werden die Memminger nicht standhalten. Nun werden sie’s auch in Kempten drunten hören, jetzt werden sie schon sehen, daß ernst gemacht wird und sich bald eines besseren besinnen. Leutnant, wir schicken ihn als Parlamentär mit der weißen Fahnen hinunter und fordern die Spitzköpf auf Gnade oder Ungnade zur Übergabe auf.

Grafenegg:          Herr König, seine fürstliche Gnaden, Fürstabt Schenk von Kastel, hofft aber inständig drauf, daß die Stadt exekutiert wird. Auch unsere Soldaten hoffen auf tüchtigen Widerstand und anschließende Plünderung der Stadt, schließlich rechneebes, wenn der Alte meint, er muß dich schikanieren, sagst du’s mir. Für dich und die Isabell komm schließlich ich auf.

Anne:       Es ist schon gut. Dein Vater hat ja recht. Schließlich hast du ihm eine Katholische ins Haus geholt

       (zieht das Bündel hervor)

Heinrich:       Anne, was meinst du, was ich da hab?

Anne:       Nein. Was ist das?

Heinrich:                    Da kommst du nie drauf.

Anne:       (skeptisch) Warst du mit den anderen wieder im Stift draußen?

Heinrich:       Aber Anne, ich hab’s dir doch schon erklärt, alle anständigen Bürger müssen’s dreitausend, heute sind’s schon zehntausend.

Löffler:                  Und wenn schon. Wir sind auch nicht von Pappe.

Schmelzer:           Hat ihr gesehen, was für Mannschaft der König hat? Die wenigsten sind reguläre Landsknechte, die meisten nur bewaffnete Bauern.

Löffler:                  Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Landstreicher ist das.

Jenisch:                Bald schon wird der Horn mit seiner Armada hier sein. ‘s kann sich bloß noch um Tage handeln.

Geiger:                 Wär’s dann nicht besser, den König mit Verhandlungen hinzuhalten, bis der Horn da ist?

Löffler:                  Nichts da! Mit den Kaiserlichen wird nicht verhandelt!

                            (der Leutnant kommt hinzu)

Leutnant:             Meine Herren, des Kaisers Obrist, Freiherr Peter von König fordert die Stadt zur Übergabe auf Gnade oder Ungnade auf.

                            (außer Geiger reagieren die Räte auf dieses Angebot sehr amüsiert)

Schmelzer:           Habt ihr das gehört?

Löffler:                  (lacht) Für was haltet uns euer Oberst?

Geiger:                 Läßt der König über die Bedingungen für die Übergabe mit sich verhandeln?

Leutnant:             Auf Gnade oder Ungnade!

Jenisch:                Herr Parlamentär, bestellt dem König einen schönen Gruß, er mag ruhig kommen. Wir haben schon alles zu seinem Empfang hergerichtet. Wir freuen uns, wenn wir ihn recht bald mit Pulver und Blei bewirten können.

Löffler:                  Er darf versichert sein, daß wir ihn auf’s beste bedienen werden!

Schmelzer:           Worauf ihr euch verlassen könnt!

Leutnant:             Ist das euer letztes Wort?

Löffler:                  Worauf ihr euren Arsch verwetten könnt!

Jenisch:                Geleitet den Herrn Parlamentär zum Klostertor!

                            (Leutnant ab)

Geiger:                 Wenn das nur nicht unklug war.

Kapfer:                 Wir sind den Kaiserlichen überlegen.

Jenisch:                Noch ein, zwei Tage der Prüfung, dann wird der Horn hier sein und uns unsere Standhaftigkeit reichlich vergelten.                          (alle ab)

5

 

Lager Oberst Königs in den Ruinen des Stiftes. König, Grafenegg und Leutnant halten Kriegsrat. Von draußen hört man den Donner der Belagerungsgeschütze.

 

König:                  Dreimal schon haben die störrischen Spitzköpf die Aufforderung zur Übergabe hochmütig abgelehnt. Ich hab’s im Guten versucht, ich wasche meine Hände in Unschuld. Mir ist nichts vorzuwerfen. Morgen wird das Unheil seinen Lauf nehmen, morgen wird gestürmt. Gott steh ihnen bei.

Grafenegg:          (spöttisch) Die Städter hoffen auf Entsatz durch den Horn.

König:                  Diese verblendeten Narren! Der Horn hat wegen des schlechten Wetters bei Leutkirch festes Winterquartier bezogen. Die Zeit ist reif und wir sind wohl montiert. Die Memminger haben inzwischen kapituliert. Vom Aldringen haben wir fünftausend Mann Verstärkung und zwanzig Geschütz erhalten. Aus Lindau sind heute Mittag noch Feuermörser und vier Wagen Munition eingetroffen. Damit haben wir an die zwanzigtausend Mann und vierzig Geschütz unter unserem Kommando. Dieser Streitmacht werden die Kujone nicht lang standzuhalten vermögen. Wie ist die Stimmung im Lager?

Leutnant:             Die letzten Tage schlecht, aber seit uns die Erzherzogin gestern die Wagenladung Wein spendiert hat, sind wieder alle recht lustig und guten Mutes, hofft ein jeder doch auf rechtschaffene Beut, wenn’s erst tüchtig ans Plündern geht.

Grafenegg:          Die hölzernen Wasserleitungen sind inzwischen alle zerschlagen, bald bekommen die Ketzer trockene Mäuler und Kehlen.

König:                  In drei Sturmkolonnen werden wir gegen die Stadt stürmen. Die erste Kolonne rückt gegen die Illervorstadt, die zweite gegen den Pfeilergraben an der Iller, dort sind Mauern schwach. Den Hauptangriff richten wir gegen das Klostertor.

Leutnant:             Das Klostertor haben wir bereits in Trümmer geschossen.

König:                  Gut. Dort massieren wir die ganze Artollerei, bis die Mauern ganz zerschossen und zerborsten sind.

Leutnant:             Die Stadt wird doch dann zur Plünderung freigegeben?

König:                  Es soll alles so geschehen, wie’s nach Kriegsbrauch und Recht gebührt! Nach erfolgtem Sturm wird geplündert.

Leutnant:             Das wird den Eifer unserer Mannschaften beflügeln.

Grafenegg:          Dann sind die Gebete meines Herrn, des Fürstabtes, endlich erhört worden. Auch seine durchlauchtigste Gnaden, die Erzherzogin, wird mit diesem sehnlichst erwarteten Entschluß hochzufrieden sein.

Leutnant:             Die Städter werden sehen, was es heißt, sich gegen den Kaiser zu stellen.

König:                  Leutnant, morgen Früh um sechs Uhr haben alle Regimenter zum gemeinsamen Gottesdienst anzutreten. Um acht Uhr beginnen wir mit der Kanonade am Klostertor, dann nehmen die Schützen die Wehrgänge unter Feuer; ab Mittag wird dann gestürmt.

Leutnant:             Zu Befehl.

                            (Leutnant ab)

König:                  Herr von Grafenegg, welchen Tag haben wir morgen?

Grafenegg:          Morgen? Morgen ist Sankt Veronika.

König:                  Sankt Veronika. Das wird für die Reichsstadt eine blutige Nacht der heiligen Veronika geben.

Grafebegg:          Die Reichsstadt hat ihr Strafgericht wohl verdient.

                            (Grafenegg ab)

König:                  Jetzt liegt alles in Gottes Hand.

                            (kniet zum Gebet nieder)

König:                  Pater noster, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum;

                            adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua,

                            sicut in caelo, et in terra....           (König ab)

 

6

 

Vor dem Haus des Metzgers Schwenk in der Reichsstadt. Man hört lauten Geschützdonner. Anne und Heinrich. Bürger eilen an ihnen hastig vorbei.

 

Heinrich:               Schnell Anne, sie rufen zu den Waffen! Draußen wird zum Sturm aufgeblasen!

Anne:                   Warte Heinrich! Dein Schwert!

                            (gürtet ihm sein Schwert um)

Heinrich:               Endlich ist’s so weit! Heute werden die Kaiserlichen tüchtig zerkarbeitscht! Denen werden wir’s zeigen.

Anne:                   Da. Deine Pistole. Hast du das Blei? Und das Pulverhorn? Hast du das Pulverhorn?

Heinrich:               Da schau. Das Blei und das Pulverhorn.

Anne:                   Heinrich, geh noch zum Zeughaus, ob sie für dich nicht auch Helm und Harnisch haben.

Heinrich:               Dafür hat’s jetzt keine Zeit mehr.

Anne:                   Heinrich, dort auf der mauer ist’s gefährlich! Wenn du Helm und Harnisch hast, ist’s sicherer.

Heinrich:               Anne, es eilt! Die Kaiserlichen greifen an!

Anne:                   Wie schnell ist einer verwundet, wenn er weder Harnisch noch Helm trägt.

Heinrich:               Ich paß schon auf.

Anne:                   Versprichst du mir das?

Heinrich:               Ich versprech’s dir.

Anne:                   Du mußt auch keinen Helden abgeben. Geh nicht ganz nach vorn. Überlaß das den schwedischen Soldaten!

Heinrich:               Meinst du ich laß mich auslachen?

Anne:                   Paß auf dich auf! Heinrich. (umarmt ihn) Ich lieb dich!

Heinrich:               Ich lieb dich auch.

Anne:                   Komm heil zu mir zurück!

Heinrich:               Jaja, ich paß ja auf. Aber Anne, ganz gleich was auch passiert, du versteckst dich im Keller, ganz unten, im hintersten Loch. Hast du gehört! Du versteckst dich!

Anne:                   Ja Heinrich.

Heinrich:               Das mußt du mir versprechen!

Anne:                   Ja gut, ich versteck mich.

Heinrich:               Im Keller! Ganz hinten!

Anne:                   Ja, das tu ich.

Heinrich:               Leb wohl Anne. Und tu was ich dir gesagt habe!            (Heinrich ab)

Anne:                   Heinrich! Ich lieb dich!        (Anne ab)

 

7

 

An der Stadtmauer beim Klostertor. Kampfpause nach dem zweiten Sturm. Heinrich ist an der rechten Schulter verwundet und wird von der Weberin verbunden. Von ganz nahe Geschützdonner und Schüsse von Musketen.

 

Weberin:              ‘s ist nur eine Fleischwunde. ‘s blutet stark, aber der Barbier wird’s schon nähen können. Die Knochen sind heil.

Heinrich:               Wir haben sie zum zweiten mal in die Flucht geschlagen! Wir haben gesiegt!

                            (Jenisch und Geiger kommen hinzu, hinter ihnen Hans mit der Trommel)

Jenisch:                Bursche, bist du verletzt?

Heinrich:               Nur ein Kratzer.

Jenisch:                Du hast dich wacker geschlagen. Alle haben sich wacker geschlagen. Die Victorie ist unser!

Geiger:                 Jenisch, wir haben sie zweimal zurückgeschlagen. Aber die Mauern hier liegen in Trümmer. Unsere Leute sind erschöpft. Wenn sie ein drittes mal angreifen, wird sie niemand mehr aufhalten können.

Jenisch:                Frau, wenn ihr den verbunden habt, dann geht zu den anderen! Bringt Öl zu sieden! Wenn sie nochmals angreifen, gießt es von der Mauer auf den Feind. Und Steine! Steine müssen her, damit wir die Bresche ausfüllen können.

Geiger:                 Jenisch, laßt mich mit der weißen Fahnen vor das Tor gehen und ihnen die Stadt auf Gnade oder Ungnade übergeben.

Jenisch:                Geiger! Seid ihr von Sinnen! Wir haben eine große Victorie errungen. Wenn sie nochmals angreifen, werden wir sie eben nochmals zurückschlagen. Jetzt wo wir die Kaiserlichen geschlagen haben, wollt ihr die Stadt übergeben?

Geiger:                 Jenisch! Wißt ihr was geschieht, wenn die Kaiserlichen erst in der Stadt sind? Um des Lebens eurer Frau und eurer Tochter willen, laßt mich die Stadt übergeben! Hört ihr? Die Kanonade hat aufgehört?

Jenisch:                Ja. Da habt ihr’s! Sie zeihen ab. Der Sturm ist zuende.

Geiger:                 Jenisch, hört ihr nicht? ‘s ist blankes Eisen und Schlachtgeschrei. Sie stürmen zum dritten mal!

Jensich:                Junge schlag die Trommel! Auf ins Gefecht! Für’s Evangelium! Für Gott und Freiheit!     (die Müllerin kommt hinzu)

Müllerin:               Flieht! Flieht! Sie sind in der Stadt!

                            (Jenisch hält sie fest, Heinrich steht auf)

Jensich:                Weib! Was ist?

Müllerin:               Sie sind in der Stadt!           (sie flieht)

Geiger:                 Kommt auf die Burghalde! Rettet euch auf die Burghalde!

Heinrich:               Nein! Wir werfen sie wieder hinaus!

Geiger:                 Narr! Auf die Burghalde!     (alle außer Heinrich flüchten)

Weberin:              Komm! Du bist doch verwundet!

Heinrich:               Wir werfen sie hinaus wie sie hereingekommen sind.

                            (kaiserliche Soldaten kommen hinzu - Heinrich zieht sein Schwert)

Heinrich:               Kommt nur her, wenn ihr Courage habt!

Soldat 1:              Ab in die Höll mit dir!

                            (Soldat 1 schieß auf Heinrich - Heinrich ist getroffen und fällt)

Soldat 2:              Der ist hin!   (der Leutnant kommt hinzu)

Leutnant:             Kommt! Wir brauchen Beil und Äxt, damit wir Häuser und Türen aufbrechen können. Hier haben wir gute Schappweid!

Soldat 2:              Auf geht’s! jetzt gilt’s eine gute Beuten zu machen!

 

8

 

Stube im Haus des Bürgermeisters. Hildegard und Leonore drücken sich ängstlich in eine Ecke des Raums.

 

Hildegard:            Zacharias, stimmt es? Die Kaiserlichen sind schon in der Stadt?

Jenisch:                Kommt! Wir müssen auf die Burghalde! Das Leben gilt’s!

Hildegard:            Die Geldtruhe müssen wir mitnehmen.

Jenisch:                Kommt! Schell!       (nimmt sie an der Hand)

Hildegard:            Wenigstens ‘s Geld müssen wir retten. (hält inne) Hörst du das? Zacharias, sie schlagen die Tür ein!

Jenisch:                Dann ist alles zu spät!

Hildegard:            Zacharias! Jetzt sind sie im Treppenhaus!

Jenisch:                Bleibt immer dicht hinter mir! Mit denen wird man schon reden können.

                            (der Leutnant, Soldat 1 und Soldat 2 kommen hinzu)

Leutnant:             Schau an! Der geehrte Herr Bürgermeister!

Soldat 1:              Da sind wir richtig!

Soldat 2:              Ein reiches Peffersäcklein!

Leutnant:             Euch wollen wir jetzt die rechte Tractation angedeihen lassen

                            (Jenisch geht auf die Knie)

Jenisch:                Meine edlen Herren, ich bitte euch um Christus willen um Pardon! Alles was mein ist, ist euer. Komm Hilde, einen Trunk für des Kaisers edle Krieger.

Soldat 2:              Will er uns auf schwäbisch mästen? Laß er eine fürstliche Mahlzeit auftragen!

                            (Hildegard holt Wein und Gläser und schenkt zitternd ein)

Leutnant:             Du Sauhund! Geld, Schmuck, Edelstein, Silberbesteck und Geschirr. Raus damit, wenn dir ‘s Leben lieb ist.                (er ohrfeigt Jenisch)

Soldat 1:              Das Fell werden wir dir lebedigen Leibes über die Ohren ziehen!

Jensich:                Die Geldtruhe ist in der Schlafkammer. Komm Leonore, hol’s den Herren!

Leutnant:             Nichts da! Die junge Hur bleibt da!

                            (nickt Soldat 1 zu - Soldat 1 ab - der Leutnant zieht Leonore zu sich her)

Leutnant:             Ein hübsches Luder! Für dich wird’s heut noch eine lange Nacht werden!

Jenisch:                Ich bitt euch, nehmt euch alles, was ihr begehrt, doch verschont meine Tochter.

                            (Soldat 1 kommt mit einer schweren Kiste zurück - der Leutnant öffnet sie)

Leutnant:             Prächtig! Na, Bürgermeister, wo habt ihr den Rest versteckt? Wir werden dich und deine Weibspersonen solang vexieren bis du alles herausgerückt hast!

Jenisch:                Gnade Herr Leutnant! Das ist alles!

Leutnant:             Los! Alles durchsuchen! Schlagt alles kurz und klein!

                            (die beiden Soldaten ab)

Jenisch:                Hier Herr Leutnant, trinkt auf euren Sieg!   (bietet ihm einen Becher Wein an)

Leutnant:             Trinkt mit mir! Auf des Kaisers Wohl!

Jenisch:                Herr Leutnant, auf des Kaisers wohl!

                            (Jenisch trinkt; der Leutnant stößt ihm den Degen in den Unterleib - Jenisch röchelt und geht zu Boden)

Leonore:              Vater!

Hildegard:            Was tut ihr? Zacharias! Zacharias!

                            (Hildegard und Leonore neigen sich entsetzt über den schwerverletzten Zacharias - der Leutnant zieht Hildegard an den Haaren hoch)

Leutnant:             Komm alte Metze! Her mit deinem Schmuck!

                            (reißt ihr die Kette vom Hals und stößt ihr den Degen in die Brust)

Leonore:              Mutter! Mutter!

Leutnant:             So! Und du kommst jetzt mit! In deine Kammer!

Leonore:              Nein! Laßt mich! Mutter! Mutter!

Leutnant:             Komm nur mit mir mein schönes Kind.

                            (der Leutnant zerrt die schreiende Leonore hinaus)

 

9

 

Auf einer Straße der Reichsstadt. Die beiden Soldaten und der Leutnant kommen hinzu, mit Beute beladen, Weinflaschen in der Hand und bereits angetrunken.

 

Leutnant:             Auf euer Wohl ihr Erzschufte!

Soldat 2:              Leutnant! Zum Wohl!

Soldat 1:              Auf euer Wohl! Alte Bärenhäuter! Sauft bis das die Welt sich dreht!

                            (sie trinken)

Leutnant:             Potzteufel! Der Bürgermeister hat einen guten Weinkeller!

Soldat 1:              Lebt die junge Dirn noch?

Leutnant:             Nachdem die Kammeraden alle mit ihr fertig waren, hab ich ihr aus reiner christlicher Nächstenliebe rechtschaffen die Augen ausgestochen, damit die Hur den Jammer nicht mehr länger mit ansehen muß und sie aus dem Fenster geworfen.

Soldat 1:              Schade, wir hätten sie im Quartier den anderen zum Kauf anbieten können.

Soldat 2:              Komm, wir haben doch schon fette Beuten erschnappt.

Soldat 1:              Komisch, ‘s riecht verbrannt.

Leutnant:             Eine Plünderung geht nie ohne ein tüchtiges Feuerchen ab. Damit ist den Ketzerbuben ordentlich vergolten, was sie mit dem Stift gemacht haben!

                            (Weberin, Müllerin und Hans kommen hinzu)

Müllerin:               Gnade! Ihr Herren Soldaten! Wir bitten euch um Gnade! Die Stadt brennt, laßt uns doch unsere Häuser löschen.

Soldat 1:              Die kommen grade recht!

Müllerin:               Gnade Herr Soldat. Wir wollen nur das Feuer löschen.

Leutnant:             Nichts wird da gelöscht! Bursche! Du trägst unsere Beuten ins Lager! Da!

                            (sie laden ihm ihre Beute auf)

Soldat 2:              So Weib! Du kommst mit!  (zieht die Müllerin mit sich fort)

Müllerin:               Nein! Gnade! Verschont mich! Ich tu ja alles was ihr wollt.

Weberin:              (kniet nieder) Gnade! Ihr edlen Herren, laßt mich laufen!

Leutnant:             Frau, ich will dir Pardon geben und dich laufen lassen wohin du willst, wenn du mir nur Gott und alle Heiligen verleugnen willst.

Weberin:              Ich kenne keine Heiligen. Ich bin recht evangelisch.

Leutnant:             Dann schwöre, daß du’s Evangelium nicht kennst und Gott nicht fürchtest.

Weberin:              Gut Herr, ich schwöre noch nie was vom Evangelium gehört zu haben und daß ich Gott nicht fürchte.

Leutnant:             Schwöre noch, daß du niemals Anteil am Gottes Reich begehrst und lieber in die Höll zu gehen wünschtest.

Weberin:              Ja Herr, wie ihr wollt. Ich schwöre, keinen Anteil an Gottes Reich zu begehren und lieber in die Höll zu gehen. Laßt mich doch laufen!

Leutnant:             Gut Weib! Dann halte ich mein versprechen. Da du also nicht in den Himmel willst, schick ich dich in die Höll!

                            (erschießt sie mit seiner Pistole)

Leutnant:             Ihr Schnapphahnen! So muß man mit den Schuften verfahren und sie auf alle Ewigkeit bestrafen!

Soldat 1:              Die Rauchschwaden werden immer dichter. Bringen wir lieber die Beuten ins Quartier.

Leutnant:             Aber dann kommen wir zurück und verriegeln die Bürgerhäuser, damit die Spitzköpf darin mit Weib und Kind ordentlich verbrennen müssen! Komm Bursche! Sonst setzt’s was!                                              (alle ab)

 

10

 

Auf dem Reichelsberg vor der Stadt. König und Grafenegg betrachten das Geschehen in der Stadt. König ist verwundet, trägt einen Kopfverband und den linken Arm in einer Schlinge, Grafenegg ist bleich vor Entsetzten.

 

Grafenegg:          Alles wird niedergehauen! Gott verleihe uns weiter seine Gnade.

König:                  Nun Grafenegg? Seid ihr jetzt endlich zufrieden? Habt ihr euch so euer Strafgericht vorgestellt? Jetzt könnt ihr eurem Herrn melden, daß alles nach seinem Wusch geschehen ist. Bald kann er in der evangelischen Sankt Mang Kirche ein feierliches Te Deum singen! Er muß sich bloß beeilen, bevor die Luft vom Gestank der Verwesung verpestet ist.

Grafenegg:          Die Stadt brennt. Alles steht in Flammen. Herr von König könnt ihr dem nicht Einhalt gebieten?

König:                  Wie sollte ich, Grafenegg? Das ist Kriegsrecht! Nach dem Sturm wird geplündert und alles erschlagen. Alles gehört auf Gnad oder Ungnad dem Sieger. Ich war bei der Erstürmung Magdeburgs zugegen; von 30.000 Bürgern haben wir 25.000 erschlagen; nachher die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Man sollt meinen, das hätt allen trutzigen Städten als blutiges Exempel dienen müssen, aber die Kemptener haben’s besser wissen wollen. Schaut euch doch das einfache Kriegsvolk an. Das sind alles Schapphahnen, Diebe, Schelme und Mörder. Bis morgen Früh gehört die Stadt ihnen.

Grafenegg:          Könnt ihr nicht wenigstens den Brand löschen lassen? ‘s ist inzwischen schließlich des Kaisers Stadt, die da zugrunde geht.

König:                  Ich gab bereits Order an die Bürgerschaft, den Brand zu löschen, aber ihr seht ja, wie’s in der Stadt zu geht; weit schlimmer als in Dantes Hölleninferno! Und wer weiß schon, ob die unseren das Feuer gelegt haben oder der Schwed oder gar die Bürger selbst, damit die Stadt nicht in unsere Hände fallen soll. Morgen wird sich zeigen, was von der Stadt übrig bleibt. Kommt Grafenegg! Die Erzherzogin erwartet schon ungeduldig meinen Bericht, und sicherlich wird auch euer Herr, der Fürstabt, der frohen Kunde harren.              (beide ab)

 

11

 

An der Mauer beim Klostertor. Dichte Rauchschwaden, die Stadt steht in Flammen. Anna; unter den herumliegenden Toten sucht sie nach Heinrich, bis sie vor der Leiche Heinrichs steht.

 

Anne:                   (schreit auf) Heinrich! Heinrich! Sag doch was!

                            (schließt ihn in ihre Arme)

                            Heinrich! Ich hab doch gesagt, du mußt auf dich aufpassen!

                            (bedeckt das Gesicht des Toten mit Küssen und Tränen)

                            Heinrich! Mein Geliebter! Mein Leben! Wach doch wieder auf! Heinrich, komm zu mir zurück!

                            (reißt ein Stück aus ihrem Unterrock und versucht seine Wunde zu verbinden)

                            Ich verbinde deine Wunden, dann wird wieder alles gut. Ich weiß, mein Geliebter, du bist wütend, weil ich nicht in meinem Versteck geblieben bin. Aber jetzt wird alles wieder gut. Heinrich! Sag doch was! Heinrich, bleib bei mir!

                            (sie erkennt, daß er tot ist und drückt ihn an sich, dann legt sie seinen Kopf zärtlich auf den Boden)

                            Leb wohl mein Geliebter.

                            (küßt ihn nochmals)

                            Weh mir, weh! Warum nur mußte ich dich so finden? Konnten mich nicht vorher die kaiserlichen Mordbrenner erschlagen? Warum kann sich nicht die Erde auftun und mich verschlingen? Heinrich, ach Heinrich, Ich versprech dir, dieses Lebwohl gilt nicht für immer. Bald schon, bald will ich bei dir sein.              (sie steht auf)

                            Die Iller führt Hochwasser. Ihr Wasser ist heut tief und eisig. In ihre eisige Flut will ich meinen Gram auf immer versenken. Ihr Wasser soll mein Grab sein. Heinrich, bald schon will ich bei dir sein. Warte Heinrich, warte auf mich.

                            (Anne ab)

Epilog

 

Ein gebeugter, alter bärtiger Mann tritt auf, Tempo - Personifikation der Zeit

 

Tempo:                Von den einstmals 6000 Bürgern der freien Reichsstadt Kempten waren nach der Erstürmung der Stadt nur noch 900 am Leben. Der Krieg im Allgäu währte zwei Jahre. Danach folgten Hungersnot und die schlimmste Pestepedemie, die das Allgäu seit Menschengedenken heimgesucht hatte. Weite Landstriche lagen brach und wurden nicht mehr bebaut, Gehöfte, Dörfer und Städte waren entvölkert. Es war überall ein großes Sterben. Dreiviertel der Bevölkerung wurden hinweg gerafft. Kurz vor dem Friedensschluß kehrte der Krieg nochmals mit all seinem Entsetzen, mit Tod und Verzweiflung ins Allgäu zurück. Es dauerte Jahrhunderte, bis sich das Land von den Schrecken des Krieges erholt hatte. Die tiefe Feindschaft zwischen Reichsstadt und Stiftstadt währte bis zu Beginn eures Jahrhunderts, ihr glücklichen später Geborenen.

                            (Tempo ab)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Textalternativen 1

Es entfallen die Rollen des Stadtrates Schmelzer und des schwedischen Hauptmanns Kapfer.

 

zweiter Akt

 

1

 

Im Rathaus der Reichsstadt. Zur Feier des Einzugs der Schweden in Kempten findet im Rathaus ein feierlicher Umtrunk statt, an dem die Stadträte mit ihren Frauen und die schwedischen Offiziere teilnehmen; am Rande dieses Festes ein Gespräch zwischen Jenisch, Löffler und dem schwedischen Befehlshaber Sir Patrick Ruthven, der nach französischer Mode gekleidet ist.

 

Jenisch:       Herr Patrick Ruthven, ihr glaubt gar nicht,  wie froh sind wir, euch in unserer Stadt zu sehen.

Löffler:       Ungeduldig haben wir eure Ankunft herbeigesehnt.

Ruthven:       Seitdem wir die Donau überschritten haben, sind wir in keiner Stadt mehr so freudig empfangen worden. Nicht einmal in Memmingen war der Empfang so herzlich.

Jenisch:       Die Memminger haben unter der kaiserlichen Einquartierung auch nicht so gelitten wie wir.

Ruthven:       Damit hat’s jetzt ein Ende! Von jetzt ab steht die Stadt unter dem Schutz und Schirm seiner königlichen Majestät Gustav Adolf.

Jenisch:       Sagt, Herr Ruthven, wie wollt ihr mit dem Stift verfahren?

Ruthven:       Das werden wir nach Kriegsrecht gebührend plündern und dort unser Quartier aufschlagen. Die widerspenstigen stiftischen Bauern haben wir gestern noch ganz manierlich zu Paaren getrieben. ‘s ging nicht ganz ohne Blessuren ab, aber ‘s nächste Mal werden die Bäuerlein parieren. Herr Bürgermeister, der König legt großen Wert darauf, daß die öffentliche Moral und Ordnung auch in Kriegszeiten erhalten bleibt; wenn möglich sollten sich die Bürger eurer Stadt nicht an der Plünderung des Stiftes beteiligen, zumal der König sich dahingehend geäußert hat, eurer Stadt das Stift zu übereignen.

Löffler:       Das Stift gehört vom Erdboden getilgt!

Ruthven:       Wenn ‘s euch erst gehört vermögt ihr damit zu verfahren, wie’s euch beliebt. Ihr würdet aber nur euren eigen Besitz verderben; klüger wär’s, das Kloster in die Mauern eurer Stadt einzubeziehen.

                        Was die Verpflegung und Einquartierung meiner Leute anbelangt, so seid ihr natürlich frei von allen Lasten und Abgaben; das katholische Stift hat für alles aufzukommen. Auch hat der König aufgetragen, daß der Fürstabt und seine Untertanen euch alles, was ihr durch kaiserliche Kontribution und Einquartierung verloren habt, erstatten müssen.

Löffler:       Ein Hoch auf des Schwedenkönigs tapfere Krieger!

                        (Frau Jenisch kommt hinzu)

Hildegard:       Sieh an, die Herren diskurrieren wieder über die Staatsgeschäfte. Drinnen wird zum Tanz aufgespielt.

Löffler:       Das, Frau Bürgermeister, sind eben der Männer leidige Geschäfte.

Hildegard:       Und, Herr Löffler, ihr glaubt, das wir Frauen davon nichts verstehen, nicht wahr? Aber seid gewiß, wir tun nur so als ob wir davon nichts verstünden, um vor euch Männern zu verbergen, daß ihr in Wahrheit nur unsere Ratschlüsse ausführt.

Ruthven:       Frau Jenisch, gewährt mir einen Tanz mit einer klugen Frau.

Hildegard:       Mit Freuden Herr Kavalier.

2

 

Sir Patrick Ruthven und Frau Jenisch ab.

 

Jenisch:       Löffler, von heute an sind wir endlich Bundesgenossen des schwedischen Königs; jetzt hat alle Not ein Ende.

                        (Geiger kommt hinzu)

Löffler:       Jetzt zeigen wir dem Kaiser und der papistischen Hur wer wir sind!

Geiger:       Langsam meine Herren, noch ist der Schwede nicht Herr im Reich und wer weiß ob’s uns unter der Schweden Herrschaft besser ergehen wird.

Jenisch:       Und ob, Herr Geiger. Und ob! Lange genug haben wir unter der kaiserlichen Knechtschaft ausgehalten; lange genug haben wir um der evangelischen Sache willen gelitten. Wir waren allzeit standhaft; jetzt kommt die Zeit, da wir unseren gerechten Lohn empfangen werden.

Löffler:       Und wir das unsere von den Papisten zurückholen werden. Wir werden’s den Katholischen schon recht wiedervergelten.

Geiger:       Denkt an die christliche Barmherzigkeit.

Jenisch:       Das Grobe besorgt schon der Schwede für uns, da können wir uns schon in christlicher Barmherzigkeit üben. Vorausgesetzt, man gibt uns zurück, was man uns die Jahre über abgezwackt hat.

Löffler:       Das Stift muß weg! Diese Hochburg des Katholizismus direkt vor unseren Mauern ist eine Beleidigung für jeden freien evangelischen Bürger., ein Stachel im Fleisch unserer Stadt. Seht nur zu, Herr Jenisch, daß der Schwede gleich das ganze Gebiet des Fürstabtes unserer Herrschaft

Jenisch:       Ein Hoch auf den glorreichen Schwedenkönig! Vivat!

Löffler:       Ein Hoch den schwedischen Kavalieren!

                        (alle ab)

 

dritter Akt

 

3

 

Vor dem Stift. Ratsherr Löffler in einem bequemen Sessel, vor sich ein schönes Glas Wein. Der Meyer kommt hinzu.

 

Meyer:       Heute sind schon wieder weniger Bauern zur Arbeit erschienen. ‘s werden von Tag zu Tag weniger.

Löffler:       Die faulen Hund! ‘s wird Zeit, daß ihr da hart durchgreift!

Meyer:       Die Bürger sind auch nur noch mit schwindendem Eifer bei der Arbeit.

Löffler:       Und Meyer, wie geht’s vorwärts?

Meyer:       Zäh. Reichlich zäh! Zuerst hat man g’meint, man könnt alles an einem einzigen Tag einbrechen und niederreißen. Aber die Mauern sind zu dick. Wenn man nur mehr Schießpulver zum Sprengen nehmen könnt.

Löffler:       Schießpulver ist zu kostbar, das brauchen wir noch für die Kaiserlichen.

Meyer:       Die Türme und die Residenz einzureißen und die Lorenzkirchen, das war noch ein leichtes, aber das Münster ist recht massiv gebaut.

Löffler:       Da müssen gelernte Mauer her. Das geht zu langsam. Das Stift muß weg. Sollten eines Tages die Kaiserlichen kommen, werden sie’s als Bollwerk gegen uns verwenden.

Meyer:       Und wenn schon. Die Stadt ist wohl montiert. Laßt die Kaiserlichen nur kommen. Sollten wir ernstlich in Bedrängnis geraten, wird uns der König schon Entsatz schicken.

Löffler:       Gleichviel! ‘s Stift muß endlich weg. Was machen die Leute da drüben?

Meyer:       Wen meint ihr?

Löffler:       Da drüben! Die Kerle, die da die besten Steine auf die Wagen laden.

Meyer:       Ach die meint ihr.

Löffler:       Habt ihr das aufgetragen?

Meyer:       Nein. Das sind die Leut vom Schmelzer. Er läßt sich die besten Steine auf sein Haubenschloß bringen, damit er’s prächtig vergrößern kann.

Löffler:       Nun ja, auf die paar alten Stein wird’s schon nicht ankommen.

Meyer:       Wie? Sämtliches Baumaterial aus dem Stift gehört der Stadt. Damit soll die Befestigung der Stadt verbessert werden. Und ‘s sind grad die besten Stück, die er da auf sein Haubenschloß bringen laßt.

                        (Hans kommt hinzu)

Hans:       Ihr Herren, der Rat versammelt sich und alle Bürger sollen auf den Rathausplatz kommen!

Löffler:       Na Bursche, was gibt’s?

Hans:       Ich weiß nicht, aber die Herren sollen sich beeilen.

                        (alle ab)

 

4

 

Auf dem Rathausplatz der Reichsstadt. Die Bürgerschaft hat sich bereits versammelt. Jenisch betritt die Treppe zum Rathaus, eine Urkunde in der Hand; hinter ihm Löffler.

 

Jenisch:       Bürger der Reichsstadt Kempten, heute ist der bedeutendste Tag in den Analen unserer Stadt seit der Verleihung der Reichsunmittelbarkeit . Auf immer sollen unsere Nachfahren und Kindeskinder dieses herrlichen Tages gedenken, an dem unsere Stadt auf wunderbare Weise und durch des ruhmreichen Schwedenkönigs Gunst erhöht wurde. Der König sendet uns folgende Urkunde.

                        (entrollt die Urkunde und liest vor)

                        Wir Gustav Adolf durch die Gnade Gottes König von Schweden übergeben auf ewige Zeit der Reichsstadt Kempten, ihren Bürgern, deren Kindern und Kindeskindern, die von uns eroberte und durch Kriegsrecht und Gewalt erlangte Grafschaft Kempten mit allem was dazugehört zu rechtmäßigem Eigentum als Anerkennung der Verdienste, die sich die Stadt um die evangelische Sache erworben hat.

Löffler:       Habt ihr gehört? Habt ihr das gehört?

Jenisch:       Das ganze Gebiet des Stiftes gehört von jetzt ab unserer Stadt an.

Löffler:       Verewigen wir die Urkunde ins Stein! Laßt uns ein prächtiges Denkmal bauen. Aller Posterität zum Gedenken. errichten wir dem König ein Standbild vor dem Rathaus. Hoch zu Roß.

                        (Jenisch rollt die Urkunde feierlich zusammen, beide ab)

 

8

 

Weiterhin Stube im Haus des Bürgermeisters. Caspar Löffler kommt hinzu.

 

Löffler:                  Frau Jenisch, grüß Gott. Bürgermeister.

Hildegard:            Herr Löffler, ich meinte, ihr seid bei den Abbrucharbeiten vor im Stift.

Löffler:                  Das Wetter ist zu schlecht. Wir werden die Abbrucharbeiten bald einstellen. Bei dem Wetter hat’s keinen Wert. ‘s ist gescheiter, wir machen im Frühjahr weiter.

Hildegard:            Aber da schaffen jetzt eh nur noch gelernte Mauer im Taglohn, die braucht ihr doch gar nicht zu beaufsichtigen.

Löffler:                  Dumm waren wir, Jenisch. Einfach dumm.

Jenisch:                Wie meint ihr das?

Löffler:                  Wir hätten vom König gleich die Herrschaft über das Gebiet von Nesselwang und Pfronten fordern sollen. Ja, die Herrschaft über das Tirol hätten wir an uns bringen können.

Jenisch:                Da habt ihr wohl recht, wir waren zu bescheiden.

Löffler:                  Dumm waren wir! Einfach dumm! Jetzt wo der König tot ist, wird sich da nichts mehr machen lassen. Der schwedische Reichskanzler ist ein sturer Hund. Wir hätten gleich richtig zulangen müssen.

Hildegard:            Bald schon werden die Kaiserlichen kommen.

Löffler:                  Doch nicht im Winter! Wie wollen sie da ihr schwer Geschütz und Artollerei durch den Schnee bringen? Wenn dann kommen die Papistischen erst im Frühjahr und bis dahin haben wir längst wieder schwedische Kompanien im Quartier.

Hildegard:            Meint ihr nicht, daß es besser ist, wenn sich Frauen und Kinder in die sichere Schweiz salvieren würden?

Löffler:                  Aber Frau Bürgermeister! Wo denkt ihr hin? Nirgendwo seid ihr sicherer als in unserer festen Stadt.

Jenisch:                Hoffen wir Löffler, das ihr Recht behalten werdet.

                            (Licht aus alle ab)

 

vierter Akt

 

1

 

Auf der Stadtmauer der Reichsstadt. Jenisch und Löffler. Es schneit. Löffler beobachtet mit einem Fernrohr durch das Scheegestöber den Aufmarsch der Kaiserlichen.

 

Löffler:                  Herr Jenisch, es ist wie ich’s euch sagte, ihr dürft unbesorgt sein. Der Peter von König hat nur eine Handvoll Reuter bei sich.

Jenisch:                Auf wieviel Mann hoch schätzt ihr die Kaiserlichen?

Löffler:                  Vor der Stadt dürften’s grad ein paar hundert Dragoner sein. Vom Buchenberg herab ziehen weitere Kolonnen. Musketierer und wieder Dragoner. Insgesamt höchstens tausend bis zweitausend Mann.

Jenisch:                Mit den paar Leuten will der von König unsere Stadt erobern?

Löffler:                  Ich sag’s euch ja, ‘s gilt nichts zu befürchten.

Jenisch:                Seht ihr auch Geschütz?

Löffler:                  Viel hat der von König nicht durch den Schnee gebracht. Das da vorn dürften nur zwei halbe Kartaunen sein und dahinten seh ich noch zwei Falkonettlein, nein, da ist noch eins, drei Falkonettlein sind’s. Sonst weit und breit nichts.

Jenisch:                Ist das schweres Geschütz?

Löffler:                  Nein, das sind nur leichtere Stücke.

Jenisch:                Dann sind wir dem König ja haushoch überlegen! Wir haben auf unseren Mauern an die sechzig Geschütz, darunter sogar ein Orgelgeschütz und noch zahlreiche Granaten. Und an Volk sind wir mindestens ebenso stark.

Löffler:                  Ich sag’s ja, seid guten Mutes. Auch wenn die Kaiserlichen in den nächsten Tagen noch Zuzug und Verstärkung erhalten, vom Breisgau her naht der General Horn mit einer schwedischen Armada von zwanzigtausend Mann zum Entsatz, in wenigen Tagen wird er hier sein und die Kaiserlichen zu Paaren treiben. Zu einer regelrechten Belagerung wird’s nicht kommen, der Boden ist viel zu fest gefroren, um Schanzen und Wälle aufzuwerfen. Grad in den Ruinen des Stifts können sie sich notdürftig verschanzen.

Jenisch:                Trotzdem wird’s nicht verkehrt sein, das Zeughaus zu öffnen und die Bürgerschaft zu bewaffnen.

Löffler:                  Ja. Die Stadt zu verteidigen, ist die Pflicht eines jeden braven Bürgers. Es wäre jämmerlich, wenn wir dies der schwedischen Garnision allein überlassen würden.

                            (beide ab)

 

4

 

Ratssaal im Rathaus. Der Stadtrat hat sich versammelt, um den Leutnant zu empfangen.

 

Löffler:                  Es heißt, der König will uns zur Übergabe auffordern.

Jenisch:                Dem wollen wir tüchtig Bescheid geben.

Geiger:                 Unterschätzt mir die Kaiserlichen nicht. Der König bekommt jeden Tag Zuzug und Verstärkung an Mann und Geschütz. Gestern waren’s dreitausend, heute sind’s schon zehntausend.

Löffler:                  Und wenn schon. Wir sind auch nicht von Pappe.

Jenisch:                Hat ihr gesehen, was für Mannschaft der König hat? Die wenigsten sind reguläre Landsknechte, die meisten nur bewaffnete Bauern.

Löffler:                  Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Landstreicher ist das.

Jenisch:                Bald schon wird der Horn mit seiner Armada hier sein. ‘s kann sich bloß noch um Tage handeln.

Geiger:                 Wär’s dann nicht besser, den König mit Verhandlungen hinzuhalten, bis der Horn da ist?

Löffler:                  Nichts da! Mit den Kaiserlichen wird nicht verhandelt!

                            (der Leutnant kommt hinzu)

Leutnant:             Meine Herren, des Kaisers Obrist, Freiherr Peter von König fordert die Stadt zur Übergabe auf Gnade oder Ungnade auf.

                            (außer Geiger reagieren die Räte auf dieses Angebot sehr amüsiert)

Jenisch:                Habt ihr das gehört?

Löffler:                  (lacht) Für was haltet uns euer Oberst?

Geiger:                 Läßt der König über die Bedingungen für die Übergabe mit sich verhandeln?

Leutnant:             Auf Gnade oder Ungnade!

Jenisch:                Herr Parlamentär, bestellt dem König einen schönen Gruß, er mag ruhig kommen. Wir haben schon alles zu seinem Empfang hergerichtet. Wir freuen uns, wenn wir ihn recht bald mit Pulver und Blei bewirten können.

Löffler:                  Er darf versichert sein, daß wir ihn auf’s beste bedienen werden!

Jenisch:                Worauf ihr euch verlassen könnt!

Leutnant:             Ist das euer letztes Wort?

Löffler:                  Worauf ihr euren Arsch verwetten könnt!

Jenisch:                Geleitet den Herrn Parlamentär zum Klostertor!

                            (Leutnant ab)

Geiger:                 Wenn das nur nicht unklug war.

Löffler:                  Wir sind den Kaiserlichen überlegen.

Jenisch:                Noch ein, zwei Tage der Prüfung, dann wird der Horn hier sein und uns unsere Standhaftigkeit reichlich vergelten.                          (alle ab)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Textalternativen 2

Für die Aufführung von Theater Stupor Mundi

 

 

erster Akt

3

 

Im Rathaus der Reichsstadt Kempten; Bürgermeister Zacharias Jenisch - eine respektable streng in spanische Mode gekleidete Erscheinung; um die vierzig - bespricht sich mit dem Stadtammann und Geheimrat Martin Geiger - ein rüstiger Greis um die siebzig.

 

Jenisch:       Der Kämmerer hat mir heute seine Abrechnung vorgelegt. Die kaiserliche Einquartierung allein hat uns bisher an die 166.212 Gulden gekostet, nicht mitgerechnet die 50.000 Gulden, die der Kaiser als Strafe über uns verhängt hat und von denen wir noch 18.000 Gulden schuldig sind. Wenn die Kaiserlichen die Einquartierung fortsetzen, werden wir in Bälde gänzlich ruiniert und verschuldet sein. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, woher das Geld nehmen; unser eigenes lassen sie als Falschgeld gelten.

Geiger:       Und wenn wir dem kaiserlichen Edikt nachgeben und die Sankt Mang Kirche den Katholischen zurückgeben?

Jenisch:       Herr Martin Geiger, was schlagt ihr mir vor? Unsere Kirche sollen wir der papistischen römischen Hur überlassen? Nie und nimmer! Solange ich Zacharias Jenisch Bürgermeister unserer Stadt bin, wird’s keine Messe in unserer Kirche geben.

Geiger:       Aber Herr Jenisch, die Kaiserlichen werden uns mit Einquartierung und Kontribution solang kujonieren, bis wir nachgeben, oder die Stadt in Grund und Boden verdorben ist.

Jenisch:       Gilt euch euer Glaube so wenig? Wir, die stolze Reichsstadt Kempten, allein und die Memminger verteidigen in diesem von den Papistischen verseuchten Land das Banner des wahren Glaubens und der Freiheit. Und die Prüfung währt nicht mehr lange. Des großen Schwedenkönigs Armada steht schon im Sächsischen; die evangelische Sache gewinnt im Reich die Oberhand. Und jetzt wo aller Drangsal Ende in greifbare Nähe rückt, sollen wir kleinbeigeben?

Geiger:       Herr Bürgermeister, wir wissen doch gar nicht, ob der Schwedenkönig seinen Heerbann überhaupt ins Allgäu führen wird.

Jenisch:       Der Schwedenkönig hat bereits zugesagt, daß er uns von den Kaiserlichen befreien will.

Geiger:       Das Kriegsglück ist von launischer Art. Bald hat dieser, tags drauf jener die Oberhand; heute noch ficht der Schwedenkönig mit fortune, doch morgen schon können die Kaiserlichen die Oberhand gewinnen. Wenn wir uns erst mit dem Schweden einlassen, gehen wir der kaiserlichen Gnad auf immer verlustig.

Jenisch:       Von des Kaisers Gnad können wir uns recht wenig kaufen!

Geiger:       Dann Herr Jenisch, schickt doch einen geheimen Gesandten zum Schwedenkönig, der nochmals eindringlich unsre Bedrängnis schildert. Schickt den Löffler, der stellt sich für diesen Dienst gern zur Verfügung. Gleichzeitig, Herr Jenisch, müßt ihr eindringlich mit den Kaiserlichen unterhandeln. Ich mag nicht glauben, daß die Kaiserlichen nicht der Vernunft zugänglich sind und kein Einsehen haben sollten.

Jenisch:       (skeptisch) Ich will’s versuchen.

 

                        (beide ab)

6

 

Haus des Bürgermeisters in der Reichsstadt.......wie zuvor.

 

Noelius:                Herr Oberst, leider werde ich seiner kaiserlichen Majestät mitteilen müssen, daß sich die von euch besetzt Stadt weiterhin rebellisch und störrisch gibt und sich weiter weigert, dem kaiserlichen Edikt Folge zu leisten.

Pallandt:              Seid getrost Herr...Herr Noelius, ich werde die Reichsstädter schon weich bekommen. Die werden wir ganz recht bis auf Blut tribulieren! Bis wir mit den Bärenhäutern und Schleppsäcken fertig sind, weiß von denen keiner mehr, ob er evangelisch oder katholisch ist.

Noelius:                Herr Oberst, versündigt euch nicht.

Pallandt:              Kameraden! Auf seine kaiserliche Majestät und des Kaisers Feldmarschall Graf Tilly! Corpes! Brav ausgesoffen!

                            (sie stehen auf - erheben ihr Glas und trinken)

Pallandt:              Dirn! Potzfickament! Nachgefüllt!

Corpes:                Aber plötzlich!

                            (Leonore füllt ängstlich die Gläser wieder auf)

Noelius:                Seht nur zu, Herr Oberst, daß ihr mir die malifikanten Ketzer nur ordentlich schikaniert, solang, bis sie mürbe sind, das kaiserliche Edikt annehmen und zum wahren Glauben zurückkehren.

Pallandt:              Herr Noelius, bestellt seiner kaiserlichen Majestät, daß sich seine kaiserliche Majestät ganz auf mich verlassen können. Auf die schönen Weiber!

Corpes:                Auf die Buhlerinnen! Brav ausgesoffen!

                            (sie stehen wieder auf und trinken ihre Gläser leer - Leonore füllt nach)

Corpes:                Die junge Dirn würd schon auch eine rechte Aphroditen oder Dianen abgeben.

Pallandt:              Wahrhaftig Corpes!

 

 

7

 

Der Bürgermeister Zacharias Jenisch kommt hinzu und umarmt Frau und Tochter.

 

Pallandt:              Herr Bürgermeister! Komm er nur her! Seine Gastfreundschaft läßt ganz erheblich zu wünschen übrig. Ein Erzkujon ist er! Da hat er uns zum Possen Weib und Töchterlein in ein anderes Haus bringen lassen und uns vorgestellt, beide seien bei Verwandtschaft auf Besuch. Seine besten Schätze wollt er uns vorenthalten. Die Jungfer hat uns zukünftig allabendlich zur Zierde unserer Tafel aufzuwarten, wie sich’s geziemt. Oder meint er gar, daß unsere Gesellschaft unschicklich für die flinke Dirn sei? Hält er uns gar für ausschweifende Löffeler und fürchtet um Ehr und Unschuld seiner Frauenzimmer?

                            (sieht im streng ins Gesicht)

Jenisch:                Verzeiht Herr Oberst, der Rat bat mich, mich mit euch untertänigst ins Benehmen zu setzen. Vielleicht findet der Herr Oberst morgen Gelegenheit, mir Gehör zu schenken.

Pallandt:              Bleib er nur! Setz er sich! Er wird doch wohl ein Glas auf unser Wohl trinken wollen. Jungfer, bring sie ein volles Glas für ihren Herrn Vater! Aber nicht zu klein und gut eingeschenkt!

                            (Jenisch setzt sich und bekommt einen vollen Humpen)

Pallandt:              Dann kann er auch gleich jetzt sein Anliegen vorbringen. Aber zuerst trinken wir...auf...auf seine allerkatholischste kaiserliche Majestät und auf die Mutter Gottes!

                            (sie erheben sich - Jenisch zögert)

Pallandt:              Was zögert er? Jetzt wird brav einer gesoffen! Auf die Heilige Jungfrau!

Jenisch:                Auf den Kaiser!

                            (die Offiziere trinken aus - Jenisch setzt nach einem Schluck sein Glas ab)

Pallandt:              Komm er nur! Nicht abgestellt! Hier wird brav ausgesoffen!

                            (die Offiziere sehen Jenisch erwartungsvoll und drohend an - Jenisch zögert, trinkt dann aber aus)

Pallandt:              Brav! Das Bürgermeisterlein! Nun, was liegt ihm auf dem Herzen.

Jenisch:                Verzeiht, aber es mag sein, daß dies nicht der passende Zeitpunkt ist.

Pallandt:              Mir paßt es aber gerade.

Jenisch:                Der Rat bat mich, euch untertänigst mitzuteilen, daß unsere Mittel erschöpft sind. Es ist kein Geld mehr da. Wir haben bereits unser Silber und alle Wertgegenstände versetzt. Wir können euch und eure Kompanie nicht mehr länger besolden und verpflegen.

Pallandt:              Potzfickament! Kein Geld habt ihr mehr?

Corpes:                Das sind mir lustige Gesellen!

Jenisch:                Keinen Heller.

Pallandt:              Ein Erzschelm ist er! Die Kemptener sind allesamt miteinander Rebellen, Schelme, Ketzer du Diebe. Aber gut. Wenn ihr nicht mehr zahlen wollt, laß ich morgen zum Plündern aufblasen. Corpes, die Kompanie soll morgen auf dem Marktplatz in Schlachtordnung antreten!

Jenisch:                Herr Oberst, es gibt bei uns nichts mehr zu holen.

Corpes:                Das wird sich ja morgen zeigen.

Noelius:                Herr Bürgermeister, es liegt an euch, der Not ein Ende zu machen. Bekehrt euch zu braven Untertanen und nehmt das kaiserliche Edikt an. Übergebt die Sankt Mang Kirche dem katholischen Gottesdienst, und ich will beim Kaiser für euch einstehen.

                            (Jenisch schweigt)

Pallandt:              Euch werden wir schon weichkochen. Es gibt bei euch noch genügend reiche Pfeffersäck, die das ihrige auf der Seite haben. Hol er’s von denen.

Corpes:                Vom Schmelzer hat man uns zugetragen, daß ‘r noch an die dreitausend Taler wohl verwahrt in seinem Haus hat.

Pallandt:              Also, überleg er sich’s wohl, wenn nicht mehr gezahlt wird, wird geplündert. Und jetzt wird noch wacker einer gesoffen! Dirn, ein volles Glas für den Jenisch! Aber ein großes! Sonst setzt Tribunaden!

                            (Leonore überreicht ihrem Vater einen Maßkrug Wein)

Pallandt:              Auf die heilige katholische Kirche! Auf geht’s Bürgermeister! Sauf er nur brav aus.

                            (Jenisch setzt an - trinkt und setzt wieder ab)

Pallandt:              Wo denkt er hin! Brav ausgesoffen wird!

                            (Jenisch trinkt aus und fällt zu Boden; Leonore und Hildegard eilen zu ihm)

Leonore:              Vater!

Hildegard:            Zacharias! Was ist mit dir?

Corpes:                Was soll sein? Die Schleppsäck von Bürger vertragen eben nichts!

Hildegard:            Komm Leonore. Hilf mir! Wir bringen ihn ins Schlafgemach.

Pallandt:              Nichts da! Schmeißt den Erzkujon auf den Misthaufen!

Hildegard:            Herr Oberst! Ich flehe euch an! Seid doch nicht so streng!

                            (Hildegard und Leonore bringen Jenisch fort)

Pallandt:              Da hat man’s wieder! Diese hungrigen Reichstädter, nicht mal zum saufen taugen sie!

 

 

 

 

 

 

zweiter Akt

 

1

 

Im Rathaus der Reichsstadt. Zur Feier des Einzugs der Schweden in Kempten findet im Rathaus ein feierlicher Umtrunk statt, an dem die Stadträte mit ihren Frauen und die schwedischen Offiziere teilnehmen; am Rande dieses Festes ein Gespräch zwischen Jenisch, und dem schwedischen Befehlshaber Sir Patrick Ruthven, der nach französischer Mode gekleidet ist. Von draußen hört man Musik.

 

 

Jenisch:       Herr Patrick Ruthven, ihr glaubt gar nicht,  wie froh sind wir, euch in unserer Stadt zu sehen. Ungeduldig haben wir eure Ankunft herbeigesehnt.

Ruthven:       Seitdem wir die Donau überschritten haben, sind wir in keiner Stadt mehr so freudig empfangen worden. Nicht einmal in Memmingen war der Empfang so herzlich.

Jenisch:       Die Memminger haben unter der kaiserlichen Einquartierung auch nicht so gelitten wie wir.

Ruthven:       Damit hat’s jetzt ein Ende! Von jetzt ab steht die Stadt unter dem Schutz und Schirm seiner königlichen Majestät Gustav Adolf.

Jenisch:       Sagt, Herr Ruthven, wie wollt ihr mit dem Stift verfahren?

Ruthven:       Das werden wir nach Kriegsrecht gebührend plündern und dort unser Quartier aufschlagen. Die widerspenstigen stiftischen Bauern haben wir gestern noch ganz manierlich zu Paaren getrieben. ‘s ging nicht ganz ohne Blessuren ab, aber ‘s nächste Mal werden die Bäuerlein parieren. Herr Bürgermeister, der König legt großen Wert darauf, daß die öffentliche Moral und Ordnung auch in Kriegszeiten erhalten bleibt; wenn möglich sollten sich die Bürger eurer Stadt nicht an der Plünderung des Stiftes beteiligen, zumal der König sich dahingehend geäußert hat, eurer Stadt das Stift zu übereignen.

Jenisch:       Die Bürgerschaft unserer Stadt verlangt, das Stift solle vom Erdboden getilgt werden!

Ruthven:       Wenn ‘s euch erst gehört vermögt ihr damit zu verfahren, wie’s euch beliebt. Klüger wär’s aber, das Kloster in die Mauern eurer Stadt einzubeziehen. Was die Verpflegung und Einquartierung meiner Leute anbelangt, so seid ihr natürlich frei von allen Lasten und Abgaben; das katholische Stift hat für alles aufzukommen. Auch hat der König aufgetragen, daß der Fürstabt und seine Untertanen euch alles, was ihr durch kaiserliche Kontribution und Einquartierung verloren habt, erstatten müssen.

                        (Frau Jenisch kommt hinzu)

Hildegard:       Sieh an, die Herren diskurrieren wieder über die Staatsgeschäfte. Drinnen wird zum Tanz aufgespielt.

Jenisch:       Das sind eben der Männer leidige Geschäfte.

Hildegard:       Und, Herr Ruthven, glaubt ihr auch, daß wir Frauen nichts davon verstehen? Aber seid gewiß, wir tun nur so als ob wir davon nichts verstünden, um vor den Männern zu verbergen, daß sie in Wahrheit nur unsere Ratschlüsse ausführen.

Ruthven:       Frau Jenisch, gewährt mir einen Tanz mit einer klugen Frau.

Hildegard:       Mit Freuden Herr Kavalier.

                        (Ruthven und Frau Jenisch ab)

 

 

2

 

Von der anderen Seite kommen Geiger und Meyer, der Obmann der Weberszunft hinzu.

 

Jenisch:       Sieh an der Meyer, seid ihr zufrieden? Von heute an sind wir endlich Bundesgenossen des schwedischen Königs; jetzt hat alle Not ein Ende.

Meyer:       Hochzufrieden sind wir, Herr Bürgermeister! Jetzt zeigen wir dem Kaiser und der papistischen Hur wer wir sind!

Geiger:       Langsam meine Herren, noch ist der Schwede nicht Herr im Reich und wer weiß ob’s uns unter der Schweden Herrschaft besser ergehen wird.

Jenisch:       Und ob, Herr Geiger. Und ob! Lange genug haben wir unter der kaiserlichen Knechtschaft ausgehalten; lange genug haben wir um der evangelischen Sache willen gelitten. Wir waren allzeit standhaft; jetzt kommt die Zeit, da wir unseren gerechten Lohn empfangen werden.

Meyer:       Und wir das unsere von den Papisten zurückholen werden. Wir werden’s den Katholischen schon recht wiedervergelten.

Geiger:       Denkt an die christliche Barmherzigkeit.

Jenisch:       Das Grobe besorgt schon der Schwed für uns, da können wir uns schon in christlicher Barmherzigkeit üben. Vorausgesetzt, man gibt uns zurück, was man uns die Jahre über abgezwackt hat.

Meyer:       Das Stift muß weg! Diese Hochburg des Katholizismus direkt vor unseren Mauern ist eine Beleidigung für jeden freien evangelischen Bürger., ein Stachel im Fleisch unserer Stadt. Seht nur zu, Herr Jenisch, daß der Schwede gleich das ganze Gebiet des Fürstabtes unserer Herrschaft übergibt.

Jenisch:       Ein Hoch auf den glorreichen Schwedenkönig! Vivat!

Meyer:       Ein Hoch den schwedischen Kavalieren!

                        (alle ab)

 

4

 

Stadtrat Geiger kommt hinzu.

 

Geiger:       Was war das für Geschrei? Bürgersvolk, das sich zusammenrottet?

                        (er sieht die Proklamation des Stadtrates in Fetzen auf dem Boden liegen)

                        Die Proklamation des Stadtrates in Fetzen! Diese Dummköpfe, diese Narren Die wissen ja nicht, was sie da tun.

                        (Hans kommt hinzu)

                        He du! Bursche!

Hans:       Ja Herr?

Geiger:       Bursche, was ist hier los?

Hans:       Sie sind ins Stift gezogen, den Fürstabt wollen sie erschlagen.

Geiger:       Was? Bursche, ‘s ist doch dem Schweden zum Contentament! ‘s darf nicht geplündert werden. Hol sie zurück!

Hans:       Ich, Herr?

Geiger:       Ach schon gut verschwinde! (Hans ab) Ich hab’s befürchtet, Volkeswut läßt sich nicht lange im Zaume halten, irgendwann macht sie sich Luft. Aber dem Herr sei’s gedankt, sie können nicht viel ausrichten. Der Fürstabt ist längst entwischt und hat das seinige ins Tirol gebracht, die Beamten sind geflohen und Mauern werden sie ja keine einreißen wollen. Bleibt zu hoffen, daß sie keine Gewalttätigkeiten gegen das katholische Volk und die Geistlichkeit anfangen und sonst auch kein Sakrilegium begehen.

                        (Geiger ab)

 

8

 

Im Rathaus der Reichsstadt. Eine Besprechung zwischen Ruthven und Jenisch.

 

Ruthven:       Herr Jenisch, die stiftischen Bauern weigern sich, uns freiwillig Proviant zu liefern. Alles müssen wir gewaltsam requirieren. Ich bin des Requirierens und Furagierens müde. Ich habe deshalb der Reichsstadt Kaufbeuren Befehl gegeben, uns wenigstens einen Teil des benötigten Proviants zu liefern. Die Kaufbeurer haben die Evangelische Sache schließlich erbärmlich im Stich gelassen.

Jenisch:       Meint ihr nicht, Herr Ruthven, daß die Kaufbeurer damit zu glimpflich davon kommen? Schließlich haben sich die Kaufbeurer arg gegen ihre evangelischen Mitbürger versündigt. Wär’s nicht gerecht, wenn euch die Kaufbeurer neben der fälligen Kontribution auch eure gesamte Furage und sämtlichen Aufenthalt besorgen müssen?

Ruthven:       Denkt ihr, bei den Kaufbeurern gäb’s noch mehr zu holen?

Jenisch:       Die Kaufbeurer waren den Kaiserlichen und deren Jesuiten in allem zu willen und wurden deshalb weitgehend von Kontribution und Einquartierung verschont. Die Kaufbeurer haben drum noch volle Geldtruhen. Und, Herr Ruthven, ist’s für eure Kompanien nicht besser, wenn die Kaufbeurer alles brav liefern und sich eure Leute in wohlverdienter Ruhe erholen können, statt sich täglich aufs neue mit den störrischen Bauern herumzuschlagen?

Ruthven:       Da habt ihr sicherlich recht.

Jenisch:       Und schließlich bringt es nur böses Blut mit sich, wenn die stiftischen Bauern all zu hart vexiert werden.

Ruthven:       Gut, wir befehlen den Kaufbeurern, uns die gesamte Furage zu liefern. Noch eins Herr Jenisch, die schwedischen Kompanien werden bald aus Kempten abziehen.

Jenisch:       Herr Ruthven, ist das euer ernst?

Ruthven:       Der Wallenstein hat ein neues kaiserliches Heer aufgestellt. An die 50.000 Mann stark. Seine Majestät der König beabsichtigt, bei Nürnberg Wallensteins Angriff abzuwarten und ihm eine rechte Battalie zu liefern. Aber seid unbesorgt, Kapfer bleibt mit einer ausreichenden Salvaguardia in eurer Stadt.

                        (beide ab)

 

 

dritter Akt

3

 

Vor dem Stift. Die Ratsherren überwachen abwechselnd die Abbrucharbeiten am Stift. An diesem Tag wurde durch das Los der Stadtrat Geiger zur Aufsicht bestimmt. Er sitzt in einem bequemen Stuhl, vor sich ein Glas Wein. Der Meyer kommt hinzu.

 

Meyer:       Grußgott Herr Geiger, führt ihr heute die Aufsicht?

Geiger:       Ach, ich bin dagegen, ganz entschieden gegen den Abbruch. Und jetzt bin ich durchs Los auch noch zur Aufsicht verpflichtet.

Meyer:       Heute sind schon wieder weniger Bauern zur Arbeit erschienen. ‘s werden von Tag zu Tag weniger. Die faulen Hund! ‘s wird Zeit, daß ihr da hart durchgreift!

Geiger:       Wie durchgreifen? Wollt ihr sie zwingen? Wollt ihr noch mehr böses Blut machen?

Meyer:       Die Bürger sind auch nur noch mit schwindendem Eifer bei der Arbeit.

Geiger:       Ich seh’s wohl, ‘s geht nicht vorwärts.

Meyer:       Ja. Zuerst hat man g’meint, man könnt alles an einem einzigen Tag einbrechen und niederreißen. Aber die Mauern sind zu dick. Wenn man nur mehr Schießpulver zum Sprengen nehmen könnt.

Geiger:       Schießpulver ist zu kostbar, das brauchen wir noch für die Kaiserlichen. Und die Kaiserlichen werden kommen, seid gewiß.

Meyer:       Die Türme und die Residenz einzureißen und die Lorenzkirchen, das war noch ein leichtes, aber das Münster ist recht massiv gebaut. Da müssen gelernte Mauer her. Das geht zu langsam. Das Stift muß weg.

Geiger:       Ja. Jetzt muß es weg, wir sind schon zu weit gegangen. Die Kaiserlichen werden’s als Bollwerk gegen uns verwenden.

Meyer:       Und wenn schon. Die Stadt ist wohl montiert. Laßt die Kaiserlichen nur kommen. Sollten wir ernstlich in Bedrängnis geraten, wird uns der schwedische Bundesgenosse schon Entsatz schicken.

Geiger:       Wenn nicht Gnade uns Gott. Was machen die Leute da drüben?

Meyer:       Wen meint ihr?

Geiger:       Da drüben! Die Kerle, die da die besten Steine auf die Wagen laden.

Meyer:       Ach die meint ihr.

Geiger:       Habt ihr das aufgetragen?

Meyer:       Nein. Das sind die Leut vom Schmelzer. Er läßt sich die besten Steine auf sein Haubenschloß bringen, damit er’s prächtig vergrößern kann.

Geiger:       Nun ja, auf die paar alten Stein wird’s schon nicht ankommen.

Meyer:       Wie? Sämtliches Baumaterial aus dem Stift gehört der Stadt. Damit soll die Befestigung der Stadt verbessert werden. Und es sind grad die besten Stück, die er da auf sein Haubenschloß bringen läßt.       (Hans kommt hinzu)

Hans:       Ihr Herren, der Rat versammelt sich und alle Bürger sollen auf den Rathausplatz kommen!

Geiger:       Na Bursche, was gibt’s?

Hans:       Ich weiß nicht, aber die Herren sollen sich beeilen.              (alle ab)

 

4

 

Auf dem Rathausplatz der Reichsstadt. Die Bürgerschaft hat sich bereits versammelt. Jenisch betritt die Treppe zum Rathaus, eine Urkunde in der Hand.

 

Jenisch:       Bürger der Reichsstadt Kempten, heute ist der bedeutendste Tag in den Analen unserer Stadt seit der Verleihung der Reichsunmittelbarkeit . Auf immer sollen unsere Nachfahren und Kindeskinder dieses herrlichen Tages gedenken, an dem unsere Stadt auf wunderbare Weise und durch des ruhmreichen Schwedenkönigs Gunst erhöht wurde. Der König sendet uns folgende Urkunde.

                        (entrollt die Urkunde und liest vor)

                        Wir Gustav Adolf durch die Gnade Gottes König von Schweden übergeben auf ewige Zeit der Reichsstadt Kempten, ihren Bürgern, deren Kindern und Kindeskindern, die von uns eroberte und durch Kriegsrecht und Gewalt erlangte Grafschaft Kempten mit allem was dazugehört zu rechtmäßigem Eigentum als Anerkennung der Verdienste, die sich die Stadt um die evangelische Sache erworben hat.

                        (blickt in die Runde, rollt die Urkunde feierlich zusammen und geht)

Bürgerschaft:       Das ganze Gebiet des Stiftes gehört von jetzt ab unserer Stadt an. Verewigen wir die Urkunde ins Stein! Erbauen wir ein prächtiges Denkmal. Aller Posterität zum Gedenken. Errichten wir dem König ein Standbild vor dem Rathaus. Hoch zu Roß.

                        (alle ab)

7

 

Reichsstadt, Stube im Haus des Bürgermeisters. Jenisch sitzt mit sorgenvoller Mine in einem Sessel. Hildegard arbeitet an einer Stickerei. Leonore kommt mit einem Becher Wein hinzu.

 

Leonore:              Euer Schlaftrunk, Herr Vater, einen Becher warmen Gewürzweins

Jenisch:                Danke mein Kind. Sag dem Knecht, er soll noch mehr Holz hochbringen, ‘s ist kalt in der Stube und ich spür meine Gicht. Der Fuß tut weh.

Leonore:              Ja Herr Vater.

                            (Leonore ab)

Hildegard:            Was ist mit dir Zacharias? Was grübelst du?

Jenisch:                ‘s ist nichts.

Hildegard:            Was für Sorgen plagen dich?

Jenisch:                Man darf’s nicht laut sagen, aber langsam fängt die schwedische Sache an, auf Saufedern zu stehen.

Hildegard:            Meinst du, der Schwede läßt uns im Stich?

Jenisch:                Der Schwede hat jetzt viel um die Ohren. Der Schwedenkönig ist tot. ‘s hat eine große Battalie gegen den Wallenstein gegeben, bei Lützen im Sächsischen. Der König ist bei der Attacke gefallen.

Hildegard:            Zacharias, das ist schlimm. Die Kaiserlichen gewinnen Oberhand.

Jenisch:                Frau, auch wenn’s grad schlecht steht, haben wir nichts zu befürchten. Wenn’s hart auf hart kommt, steht der Schwede uns in allem bei.

Hildegard:            Aber Zacharias, ‘s ist doch nicht gut, wenn man sich unnötig Feinde macht. Zacharias, gebiete dem Treiben Einhalt. Hört mit dem Abbruch des Klosters auf. Sag den Leuten, daß es nicht angeht, daß die sauberen Ratsherren immer hohle Hände machen und alle in ihre eigene Tasche wirtschaften, das Land aussaugen und die stiftischen Bauern immer mehr gegen sich aufbringen.

Jenisch:                Die Räte und die Bürgerschaft werden nicht auf mich hören, unser neuer Stand hat ihnen ganz den Kopf verdreht. Daß sie sich jetzt Kanzler und Amtsmänner der Grafschaft Kempten nennen dürfen, ist ihnen ins Hirn gestiegen.

Hildegard:            Dabei kann sich keiner von ihnen mehr bei den Bauern zeigen. Totschlagen würden sie die sauberen Herren. Wenn erst die Kaiserlichen kommen, wird’s ein bös Strafgericht geben.

Jensich:                Mach dir keine Sorgen Frau, so leicht steckt man uns nicht in den Sack. Die Stadt ist stark und wir werden uns schon zu wehren wissen. Gott ist mit uns.

 

8

 

Stadtrat Geiger kommt hinzu.

 

Geiger:                 Grüßgott, Frau Jenisch, Bürgermeister.

Hildegard:            Herr Geiger, ich meinte, ihr seid bei den Abbrucharbeiten im Stift.

Geiger:                 Das Wetter ist zu schlecht. Wir werden die Abbrucharbeiten bald einstellen. Bei dem Wetter hat’s keinen Wert. ‘s ist gescheiter, wir machen im Frühjahr weiter. ‘s schaffen da eh nur noch gelernte Mauer im Taglohn, die bräuchten wir gar nicht zu beaufsichtigen.

Jenisch:                Dumm waren wir, Geiger. Einfach dumm.

Geiger:                 Wie meint ihr das?

Jenisch:                Wir hätten vom König gleich die Herrschaft über das Gebiet von Nesselwang und Pfronten fordern sollen. Ja, die Herrschaft über das Tirol hätten wir an uns bringen können.

Geiger:                 Ihr kennt meine Meinung, Herr Jenisch.

Jenisch:                Dumm waren wir! Einfach dumm! Jetzt wo der König tot ist, wird sich da nichts mehr machen lassen. Der schwedische Reichskanzler ist ein sturer Hund. Wir hätten gleich richtig zulangen müssen.

Geiger:                 Nur zu! Bald schon werden die Kaiserlichen kommen.

Jenisch:                Doch nicht im Winter! Wie wollen sie da ihr schwer Geschütz und Artollerei durch den Schnee bringen? Wenn überhaupt, dann kommen die Papistischen erst im Frühjahr und bis dahin haben wir längst wieder schwedische Kompanien im Quartier.

Hildegard:            Herr Geiger, meint ihr nicht auch, daß es besser ist, wenn sich Frauen und Kinder in die sichere Schweiz salvieren würden?

Jenisch:                Aber Frau! Wo denkst du hin? Nirgendwo bist du sicherer als in unserer festen Stadt.

Geiger:                 Hoffen wir Jenisch, daß ihr Recht behalten werdet.

                            (Licht aus alle ab)

 

9

 

Quartier des kaiserlichen Oberst Freiherr Peter von König in Lindau. König - ein sehr gläubiger Mensch - kniet vor seinem Beichtvater, der ihm gerade die Beichte abgenommen hat. Der Pater spricht ein Gebet, König spricht leise nach. Als Widerpart zu Bürgermeister Jenisch ist König ebenfalls streng spanisch gekleidet.

 

Pater:                   Laudate Dominum omnes gentes, collaudate eum, omnes populi.

                            Quoniam confirmata est super nos misericordia ejus, et veritas Domini manet in aeternum.

                            Gloria Patri et Filio, et....

                            (ein Leutnant und der Herr von Grafenegg kommen hinzu)

Leutnant:             Herr Oberst von König....

                            (König gibt dem Leutnant ein Zeichen, worauf dieser schweigt)

Pater:                   .....et Spiritui Sancto.

                            Sicut erat in principio, et nunc et semper,

                            et in saecula saeculorum. Amen.

                            (König steht auf - Pater ab)

König:                  Kerl, was gibt?

Leutnant:             Eine Order vom Generalissimus und ein Schreiben von der Erzherzogin.

                            (übergibt ihm zwei Schreiben; König liest)

König:                  Soso, der Wallenstein erteilt uns die Genehmigung zum schwäbischen Feldzug. Jetzt mitten im Winter; hätt er’s uns nicht schon vor einem Monat erlauben können? Da war’s Wetter noch besser. Die Erzherzogin bittet uns, sogleich gegen Kempten zu ziehen und die dortige Ketzerei mit Stumpf und Stil auszurotten.

Grafenegg:          Dem Herrn sein Dank.

König:                  Gemach Grafenegg, wir gewinnen nur die Stadt dem Reich zurück. Das mit den Ketzern dürft ihr hernach besorgen.

Grafenegg:          Vergeßt nicht Herr Oberst, daß ihr eure Waffen der heiligen Jungfrau geweiht habt und das Bild der Muttergottes in eurem Banner führt.

Leutnant:             Herr Oberst, die Straße von Lindau nach Kempten ist wegen der starken Schneefälle fast unpassierbar.

König:                  Einen regelrechten Feldzug wird’s nicht brauchen. Die Reichsstädter sind ja nicht dumm. Wir werden sie gütlich unter annehmbaren Bedingungen zur Übergabe auffordern.

Grafenegg:          Das wird nicht im Sinne seiner fürstlichsten Durchlaucht, der Erzherzogin, und auch nicht im Sinne seiner fürstlichen Gnaden, des Fürstabtes, sein.

König:                  Grafenegg, die Religion ist eine, das Kriegshandwerk eine andre Sache. Wenn die Spitzköpf und Siemänner in Trutz verharren, nutzen wir die Überraschung und nehmen die Stadt im Handstreich. Der Schwed hat nur eine schwache Salvaguardia zurückgelassen. Für diese Battalie braucht’s keine besonderen Strategemata. Eine Cavalcada und leichte Artollerei genügen. Leutnant, wir brechen noch heute auf.

                            (alle ab)

 

vierter Akt

 

1

 

Auf der Stadtmauer der Reichsstadt. Jenisch und Geiger. Es schneit. Geiger beobachtet mit einem Fernrohr durch das Scheegestöber den Aufmarsch der Kaiserlichen.

 

Jenisch:                Herr Geiger, es ist wie ich’s euch sagte, ihr dürft unbesorgt sein. Der Peter von König hat nur eine Handvoll Reuter bei sich.

Geiger:                 Auf wieviel Mann hoch schätzt ihr die Kaiserlichen?

Jenisch:                Vor der Stadt dürften’s grad ein paar hundert Dragoner sein. Vom Buchenberg herab ziehen weitere Kolonnen. Musketierer und wieder Dragoner. Insgesamt höchstens tausend bis zweitausend Mann.

Geiger:                 Mit den paar Leuten will der von König unsere Stadt erobern?

Jenisch:                Ich sag’s euch ja, ‘s gilt nichts zu befürchten.

Geiger:                 Seht ihr auch Geschütz?

Jenisch:                Viel hat der von König nicht durch den Schnee gebracht. Das da vorn dürften nur zwei halbe Kartaunen sein und dahinten seh ich noch zwei Falkonettlein, nein, da ist noch eins, drei Falkonettlein sind’s. Sonst weit und breit nichts.

Geiger:                 Ist das schweres Geschütz?

Jenisch:                Nein, soviel ich weiß, sind’s nur leichte Stück.

Geiger:                 Dann wären wir dem König in der Tat haushoch überlegen! Wir haben auf unseren Mauern an die sechzig Geschütz, darunter sogar ein Orgelgeschütz und noch zahlreiche Granaten. Und an Volk wären wir mindestens ebenso stark.

Geiger:                 Ich sag’s ja, seid guten Mutes.

Geiger:                 Aber wenn’s nur die Vorhut ist?

Jenisch:                Auch wenn die Kaiserlichen in den nächsten Tagen noch Zuzug und Verstärkung erhalten, vom Breisgau her naht der General Horn mit einer schwedischen Armada von zwanzigtausend Mann zum Entsatz, in wenigen Tagen wird er hier sein und die Kaiserlichen zu Paaren treiben. Zu einer regelrechten Belagerung wird’s nicht kommen, der Boden ist viel zu fest gefroren, um Schanzen und Wälle aufzuwerfen. Grad in den Ruinen des Stifts können sie sich notdürftig verschanzen.

Geiger:                 Trotzdem wird’s nicht verkehrt sein, das Zeughaus zu öffnen und die Bürgerschaft zu bewaffnen.

Jenisch:                Ja. Die Stadt zu verteidigen, ist die Pflicht eines jeden braven Bürgers. Es wäre jämmerlich, wenn wir dies der schwedischen Garnision allein überlassen würden.

                            (beide ab)

 

2

 

Straße in der Stadt. Jenisch geht durch die Stadt, um die Bürger persönlich zu den Waffen zu rufen und ihnen Mut zu machen. Weitere Bürger kommen hinzu, darunter Weberin, Müllerin und Hans.

 

Jenisch:                Bürger! Kommt alle zum Zeughaus! Die Waffen werden ausgegeben. Alle rechtschaffenen Männer zum Zeughaus!

Müllerin:               Mein Mann ist schon im Zeughaus. Er will auch mit vorn sein, wenn’s für die Kaiserlichen Bastonaden setzt.

Weberin:              Herr Bürgermeister, meint ihr das ist gescheit? Unsere Männer sind doch keine Kriegsleute nicht.

Jenisch:                Frau Weber, eure Männer haben jeden Sonntag brav auf dem Schießplatz am Pfeilergraben geübt. Die nehmen’s mit jedem Musketierer auf. Das ist das wenigste, was man von einem freien Bürger verlangen kann, daß er sein Weib, seine Kinder und sein Haus beschützen kann.

Müllerin:               Was wollen die Kaiserlichen denn mit einer lumpigen Handvoll ausrichten.

Jenisch:                Und wenn’s auch mehr werden. Wie zu der alten Römers Zeiten wollen wir als freie Männer unsere Freiheit gegen die Tyrannen verteidigen.

Müllerin:               Bis zum letzen Mann wollen wir uns wehren!

Jenisch:                (zu Hans) Komm Bursche! Auf mit dir zum Zeughaus! Laß dir einen ordentlichen Degen geben!

Weberin:              Der Hans ist doch noch zu jung für den Krieg.

Müllerin:               Ach woher. Der Junge gibt einen vortrefflichen Trommler oder Regimentspfeifer ab.

Hans:                    Freilich komm ich mit.

Jenisch:                Junge, du gefällst mir. Bürgerinnen, unsere einzige Sorge ist, daß der Horn mit dem Entsatz eintrifft, bevor wir die Kaiserlichen besiegt haben und uns die Ehr nimmt.

Müllerin:               Der Stadthauptmann soll doch gleich heut noch die unsrigen zum Ausfall gegen die kaiserlichen Knecht führen. Denen wollen wir’s schon recht einheizen.

Jenisch:                Bürgerinnen, das da draußen sind nur gemietete Söldlinge und Kriegsgurgeln, während wir freie Bürger sind. Wir streiten für Haus und Herd, für unsere Freiheit und für unseren Glauben! Auf für die evangelische Sache! Und auch ihr Frauen sollt Anteil an unserem Sieg haben. Ihr kümmert euch um die Verwundeten und steht euren Männern im Kampf bei!

Müllerin:               Auf zum Zeughaus!

Jenisch:                Kommt! Alle Bürger zu den Waffen!                      (alle ab)

 

4

 

Ratssaal im Rathaus. Jenisch und Geiger empfangen den Leutnant.

 

Jenisch:                Es heißt, der König will uns zur Übergabe auffordern, aber dem werden wir tüchtig Bescheid geben.

Geiger:                 Der von König bekommt jeden Tag Zuzug und Verstärkung an Mann und Geschütz. Gestern noch waren’s dreitausend, heute sind’s schon zehntausend.

Jenisch:                Und wenn schon. Wir sind auch nicht von Pappe. Ihr habt doch gesehen, was für Mannschaft der König hat. Die wenigsten sind reguläre Landsknechte, die meisten nur bewaffnete Bauern. Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Landstreicher! Bald schon wird der Horn mit seiner Armada hier sein. ‘s kann sich bloß noch um Tage handeln.

Geiger:                 Wär’s dann nicht besser, den König mit Verhandlungen hinzuhalten, bis der Horn da ist?

Jenisch:                Nichts da! Mit den Kaiserlichen wird nicht verhandelt!

                            (der Leutnant kommt hinzu)

Leutnant:             Meine Herren, des Kaisers Obrist, Freiherr Peter von König fordert die Stadt zur Übergabe auf Gnade oder Ungnade auf.

                            (Jenisch reagiert sehr amüsiert auf die Aufforderung, Geiger nachdenklich)

Jenisch:                Habt ihr das gehört, Geiger? (lacht) Für was haltet uns euer Oberst?

Geiger:                 Läßt der König über die Bedingungen für die Übergabe mit sich verhandeln?

Leutnant:             Auf Gnade oder Ungnade!

Jenisch:                Herr Parlamentär, bestellt dem König einen schönen Gruß, er mag ruhig kommen. Wir haben schon alles zu seinem Empfang hergerichtet. Wir freuen uns, wenn wir ihn recht bald mit Pulver und Blei bewirten können. Er darf versichert sein, daß wir ihn auf’s beste bedienen werden!

Leutnant:             Ist das euer letztes Wort?

Jenisch:                Worauf ihr euren Allerwertesten verwetten könnt! Herr Parlamentär, man wird euch zum Klostertor geleiten. Ihr seid entlassen!

                            (Leutnant ab)

Geiger:                 Wenn das nur nicht unklug war.

Jenisch:                Wir sind den Kaiserlichen überlegen. Noch ein, zwei Tage der Prüfung, dann wird der Horn hier sein und uns unsere Standhaftigkeit reichlich vergelten.                          (alle ab)

 

7

 

An der Stadtmauer beim Klostertor. Kampfpause nach dem zweiten Sturm. Die Müllerin bringt Heinrich, der an der rechten Schulter verwundet ist, hinter die Stadtmauer und verbindet ihn. Von ganz nahe Geschützdonner und Schüsse von Musketen.

 

Müllerin:               ‘s ist nur eine Fleischwunde. ‘s blutet stark, aber der Barbier wird’s schon nähen können. Die Knochen sind heil.

Heinrich:               Wir haben sie zum zweiten mal in die Flucht geschlagen! Wir haben gesiegt!

                            (Jenisch und Geiger kommen hinzu)

Jenisch:                Bursche, bist du verletzt?

Heinrich:               Nur ein Kratzer.

Jenisch:                Du hast dich wacker geschlagen. Alle haben sich wacker geschlagen.

Heinrich:               Der Sieg ist unser!

Geiger:                 Jenisch, wir haben sie zweimal zurückgeschlagen. Aber die Mauern hier liegen in Trümmer. Unsere Leute sind erschöpft. Wenn sie ein drittes mal angreifen, wird sie niemand mehr aufhalten können.

Jenisch:                Frau, wenn ihr den verbunden habt, dann geht zu den anderen! Bringt Öl zu sieden! Wenn sie nochmals angreifen, gießt es von der Mauer auf den Feind. Und Steine! Steine müssen her, damit wir die Bresche ausfüllen können.

Geiger:                 Jenisch, laßt mich mit der weißen Fahnen vor das Tor gehen und ihnen die Stadt auf Gnade oder Ungnade übergeben.

Jenisch:                Geiger! Seid ihr von Sinnen! Wir haben eine große Victorie errungen. Wenn sie nochmals angreifen, werden wir sie eben noch einmal zurückschlagen. Jetzt wo wir die Kaiserlichen geschlagen haben, wollt ihr die Stadt übergeben?

Geiger:                 Jenisch! Wißt ihr was geschieht, wenn die Kaiserlichen erst in der Stadt sind? Um des Lebens eurer Frau und eurer Tochter willen, laßt mich die Stadt übergeben! Hört ihr? Die Kanonade hat aufgehört?

Jenisch:                Ja. Da habt ihr’s! Sie zeihen ab. Der Sturm ist zuende.

Geiger:                 Jenisch, hört ihr nicht? ‘s ist blankes Eisen und Schlachtgeschrei. Sie stürmen zum dritten mal!

Jenisch:                Schlagt die Trommel! Auf ins Gefecht! Für’s Evangelium! Für Gott und die Freiheit!        (Hans kommt hinzu)

Hans:                    Flieht! Flieht! Sie sind in der Stadt!

                            (Jenisch hält ihn fest, Heinrich steht auf)

Jenisch:                Junge! Was ist?

Hans:                    Sie sind in der Stadt!           (er flieht)

Geiger:                 Kommt auf die Burghalde! Salviert euch auf die Burghalde!

Heinrich:               Nein! Wir werfen sie wieder hinaus!

Geiger:                 Narr! Auf die Burghalde!     (alle außer Heinrich flüchten)

Weberin:              Komm! Du bist doch verwundet!

Heinrich:               Wir werfen sie hinaus wie sie hereingekommen sind.

                            (kaiserliche Soldaten kommen hinzu - Heinrich zieht sein Schwert)

Heinrich:               Kommt nur her, wenn ihr Courage habt!

Soldat 1:              Ab in die Höll mit dir!

                            (Soldat 1 schieß auf Heinrich - Heinrich ist getroffen und fällt)

Soldat 1:              (dreht Heinrich um) Der ist hin!

Leutnant:             Komm! Wir brauchen Beil und Äxt, damit wir Häuser und Türen aufbrechen können. Hier haben wir gute Schappweid!

Soldat 1:              Auf geht’s! jetzt gilt’s eine gute Beuten zu machen!                    (beide ab)

 

8

 

Ohne Soldat 2 - der Text von Soldat 2 wird von Soldat 1 übernommen.

 

9

 

Auf einer Straße der Reichsstadt. Die beiden Soldaten und der Leutnant kommen hinzu, mit Beute beladen, Weinflaschen in der Hand und bereits angetrunken.

 

Leutnant:             Auf euer Wohl ihr Erzschufte!

Soldat 2:              Leutnant! Zum Wohl!

Soldat 1:              Auf euer Wohl! Alte Bärenhäuter! Sauft bis das die Welt sich dreht!

                            (sie trinken)

Leutnant:             Potzteufel! Der Bürgermeister hat einen guten Weinkeller!

Soldat 1:              Lebt die junge Dirn noch?

Leutnant:             Nachdem die Kammeraden alle mit ihr fertig waren, hab ich ihr aus reiner christlicher Nächstenliebe rechtschaffen die Augen ausgestochen, damit die Hur den Jammer nicht mehr länger mit ansehen muß und sie aus dem Fenster geworfen.

Soldat 1:              Schade, wir hätten sie im Quartier den anderen zum Kauf anbieten können.

Soldat 2:              Komisch, ‘s riecht verbrannt.

Leutnant:             Eine Plünderung geht nie ohne ein tüchtiges Feuerchen ab. Damit ist den Ketzerbuben ordentlich vergolten, was sie mit dem Stift gemacht haben!

                            (Müllerin und Hans kommen hinzu)

Müllerin:               Gnade! Ihr Herren Soldaten! Wir bitten euch um Gnade! Die Stadt brennt, laßt uns doch unsere Häuser löschen.

Soldat 2:              Die kommen grade recht!

Müllerin:               Gnade Herr Soldat. Wir wollen nur das Feuer löschen.

Leutnant:             Nichts wird da gelöscht! Bursche! Du trägst unsere Beuten ins Lager! Da!

                            (sie laden ihm ihre Beute auf)

Soldat 2:              Und du Weib! Du kommst mit!                  (packt die Müllerin)

Müllerin:               Nein! Gnade! Verschont mich! Ich tu ja alles was ihr wollt. (kniet nieder) Gnade! Ihr edlen Herren, laßt mich laufen!

Leutnant:             Frau, ich will dir Pardon geben und dich laufen lassen wohin du willst, wenn du mir nur Gott und alle Heiligen verleugnen willst.

Müllerin:               Ich kenne keine Heiligen. Ich bin recht evangelisch.

Leutnant:             Dann schwöre, daß du’s Evangelium nicht kennst und Gott nicht fürchtest.

Müllerin:               Gut Herr, ich schwöre noch nie was vom Evangelium gehört zu haben und daß ich Gott nicht fürchte.

Leutnant:             Schwöre noch, daß du niemals Anteil am Gottes Reich begehrst und lieber in die Höll zu gehen wünschtest.

Müllerin:               Ja Herr, wie ihr wollt. Ich schwöre, keinen Anteil an Gottes Reich zu begehren und lieber in die Höll zu gehen. Laßt mich doch laufen!

Leutnant:             Gut Weib! Dann halte ich mein versprechen. Da du also nicht in den Himmel willst, schick ich dich in die Höll!

                            (erschießt sie mit seiner Pistole)

Leutnant:             Ihr Schnapphahnen! So muß man mit den Schuften verfahren und sie auf alle Ewigkeit bestrafen!

Soldat 2:              Potzsakrament Leutnant, ihr hättet mir wenigstens noch meinen Spaß mit ihr lassen können. Ihr seid ja schon auf eure Kosten gekommen.

Leutnant:             He da! Maul gehalten!

Soldat 2:              Wenn’s ans Plündern geht, muß kameradschaftlich geteilt werden! Ihr bringt die Weiber um, statt sie euren Kameraden zu lassen!

Leutnant:             Ein fauler Bärenhäuter bist du! Beim Plündern muß man sich ranhalten! Wer’s verschläft hat eben Pech gehabt!

Soldat 2:              Leutnant! Nehmt das zurück! Sonst verlang ich Genugtuung!

                            (zieht seinen Degen)

Leutnant:             Dreckskerl! Die Waffe erhebt er gegen einen Ranghöheren! Komm nur her du Bärenhäuter! Hurensohn!         (zieht ebenfalls seinen Degen)

 

10

 

König und Grafenegg kommen hinzu. König ist verwundet, trägt einen Kopfverband und den linken Arm in einer Schlinge, Grafenegg ist bleich vor Entsetzten.

 

König:                  Was ist hier los?

Leutnant:             Achtung!

                            (sie nehmen ihre Degen herunter und nehmen Haltung an)

König:                  Pack! Streitet ihr euch um die Beute? Es ist genug für jeden da! Aber laßt mir wenigstens ein paar von den Bürgerlich am Leben. Nun Grafenegg? Seid ihr jetzt endlich zufrieden? Habt ihr euch so euer Strafgericht vorgestellt?

Grafenegg:          Alles wird niedergehauen! Gott verleihe uns weiter seine Gnade.

König:                  Jetzt könnt ihr eurem Herrn melden, daß alles nach seinem Wusch geschehen ist. Bald kann er in der evangelischen Sankt Mang Kirche ein feierliches Te Deum singen! Er muß sich bloß beeilen, bevor die Luft vom Gestank der Verwesung verpestet ist.

Grafenegg:          Die Stadt brennt. Alles steht in Flammen. Herr von König könnt ihr dem nicht Einhalt gebieten?

König:                  Wie sollte ich, Grafenegg? Das ist Kriegsrecht! Nach dem Sturm wird geplündert und alles erschlagen. Alles gehört auf Gnad oder Ungnad dem Sieger. Ich war bei der Erstürmung Magdeburgs zugegen; von 30.000 Bürgern haben wir 25.000 erschlagen; nachher die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Man sollt meinen, das hätt allen trutzigen Städten als blutiges Exempel dienen müssen, aber die Kemptener haben’s besser wissen wollen. (blickt auf die Soldaten) Schaut sie euch doch an. Das sind alles Schapphahnen, Diebe, Schelme und Mörder. Bis morgen Früh gehört die Stadt ihnen.

Grafenegg:          Könnt ihr nicht wenigstens den Brand löschen lassen? ‘s ist inzwischen schließlich des Kaisers Stadt, die da zugrunde geht.

König:                  Ihr seht ja, wie’s in der Stadt zu geht; weit schlimmer als in Dantes Hölleninferno! Und wer weiß schon, ob die unseren das Feuer gelegt haben oder der Schwed oder gar die Bürger selbst, damit die Stadt nicht in unsere Hände fallen soll. Morgen wird sich zeigen, was von der Stadt übrig bleibt. Kommt Grafenegg! Die Erzherzogin erwartet schon ungeduldig meinen Bericht, und sicherlich wird auch euer Herr, der Fürstabt, der frohen Kunde harren.              (beide ab)

Leutnant:             Achtung!

Soldat 1:              Das ist ja nochmals gut gegangen.

Leutnant:             Gut, das nächste Frauenzimmer gehört dir.

Soldat 2:              Die Rauchschwaden werden immer dichter. Bringen wir lieber die Beuten ins Quartier.

Leutnant:             Aber dann kommen wir zurück und verriegeln die Bürgerhäuser, damit die Spitzköpf darin mit Weib und Kind ordentlich verbrennen müssen! Komm Bursche! Sonst setzt’s was!                                              (alle ab)